BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14032 21. Wahlperiode 21.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 13.08.18 und Antwort des Senats Betr.: „Feindeslisten“ von Nazis Wie eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag (BT.-Drs. 19/3350) ergab, haben mehrere Nazis umfangreiche sogenannte Feindeslisten mit Daten von Personen sowie Stadtkarten angelegt, auf denen potenzielle Anschlagsziele eingezeichnet sind. So wurden bei den Durchsuchungen im Zusammenhang mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) Adress- und Telefonlisten aufgefunden, die insgesamt mindestens 10.000 Datensätze umfassen. In den Ermittlungen gegen die Rechtsextremisten Franco A., Maximilian T. und Matthias F. wurden Unterlagen beschlagnahmt, in denen 32 Personen und Örtlichkeiten benannt werden. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die extrem rechte Gruppierung „Nordkreuz“ wurden bei Durchsuchungen neben schriftlichen Aufzeichnungen auch elektronische Datenträger sichergestellt, deren Auswertung bisher zur Feststellung von etwa 25.000 Personen führte. Nach Auskunft der Bundesregierung wurden die zuständigen Polizeien der Länder 2011 durch das Bundeskriminalamt über die Namenslisten aus dem „NSU-Ermittlungskomplex“ in Kenntnis gesetzt. Auch die im Verfahren gegen Franco A., Maximilian T. und Matthias F. festgestellten Namen und Örtlichkeiten wurden an die Länderpolizeien übermittelt. Ebenfalls wurde eine Auflistung der verzeichneten Personen aus dem Verfahren „Nordkreuz“ an die Bundesländer übermittelt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Im Zuge verschiedener Ermittlungsverfahren des Bundeskriminalamtes (BKA) im Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität Rechts wurde eine Vielzahl von Listen sichergestellt, die Adress-, Personen- und Telefondaten enthielten. Diese Aufstellungen waren Gegenstand polizeilicher Ermittlungen und Bewertungen. Dabei haben sich bisher keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich um „Feindes-“ oder gar „Todeslisten“ handelt. Konkrete Erkenntnisse, dass es sich bei den Personen und Institutionen, die sich auf den diversen Listen befinden, tatsächlich um potenzielle Anschlagsopfer handelt oder handeln sollte, liegen bisher nicht vor. Gleichwohl hat das BKA im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion Gefährdungsbewertungen zu den Personen und Organisationen durchgeführt. Diese Bewertungen einschließlich der jeweiligen Listen wurden den zuständigen Länderdienststellen zur Verfügung gestellt. Die Listen im Komplex NSU waren bereits seit Ende des Jahres 2011 nach der Entdeckung des NSU bekannt. Die für die Gefahrenabwehr zuständigen Polizeien der Länder wurden hierüber durch das BKA unverzüglich in Kenntnis gesetzt. Zum damaligen Zeitpunkt waren keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die in den Listen aufgeführten Personen/Objekte noch nach dem Bekanntwerden des NSU, und Drucksache 21/14032 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 der Festnahme mehrerer Unterstützer, Opfer einer Straftat werden sollten oder in anderer Weise gefährdet sind. An dieser Bewertung hat sich auch aufgrund der weiteren Ermittlungen nichts geändert. Alle der aufgeführten Personen beziehungsweise Örtlichkeiten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die Rechtsextremisten Franco A., Maximilian T. und Mathias F wurden an die jeweils zuständigen Landeskriminalämter übermittelt. Die Information der betroffenen Personen erfolgte gegebenenfalls von dort. Auch im Komplex „Nordkreuz“ erstellte das BKA im Zuge der Ermittlungen eine Gefährdungsbewertung zu den aufgefunden Listen. Ein schädigendes Ereignis zum Nachteil der darin benannten Personen, Parteien und Institutionen sowie Objekten durch den in Rede stehenden Personenkreis schloss das BKA eher aus. Diese Bewertung sowie die aufgefundenen Namenslisten wurden den betroffenen Ländern übermittelt, damit dort über gefahrenabwehrende Maßnahmen in eigener Zuständigkeit entschieden werden konnte. Die Bundesregierung hat die in der Einleitung der Fragestellerin genannte BT.-Drs. 19/3350 am 27. Juli 2018 mit BT.-Drs. 19/3628 beantwortet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Personen aus Hamburg beziehungsweise potenzielle Anschlagsziele/-orte in Hamburg sind auf den Namenslisten und Stadtplänen verzeichnet, die bisher im Rahmen der Ermittlungen im Zusammenhang mit dem rechtsterroristischen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) beschlagnahmt wurden? Die erfragten Daten wurden statistisch nicht ausgewertet. Die Ermittlungen zum NSU wurden federführend in der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Trio des BKA geführt. Die Polizei Hamburg richtete dafür die BAO Fokus ein, welche unterstützend der BAO Trio zuarbeitete. Im Rahmen der Ermittlungen zum NSU-Trio konnten im Jahr 2011 durch die BAO Trio Objekt- beziehungsweise Adresslisten aus den Jahren 2005 – 2006 sichergestellt werden. Der Zweck dieser Listen ist bisher nicht eindeutig zu klären gewesen. In diesen Listen waren Personen und Objekte auch in/aus Hamburg enthalten. Die in Rede stehenden Listen stehen in Hamburg aufgrund von Löschfristen nicht mehr zur Verfügung. Soweit noch bekannt waren auf sichergestellten Listen Parteibüros verzeichnet ; nähere Einzelheiten sind nicht mehr bekannt. Die BAO Trio hat alle Listen eingehend geprüft und ist nach einer Gefährdungsbewertung nach Erinnerung von Mitarbeitern des LKA in keinem Fall an genannte Personen oder Objektverantwortliche herangetreten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wie viele Personen aus Hamburg beziehungsweise potenzielle Anschlagsziele/-orte in Hamburg sind auf den Namenslisten und Stadtplänen verzeichnet, die bisher im Rahmen der Ermittlungen gegen die Rechtsextremisten Franco A., Maximilian T. und Matthias F. beschlagnahmt wurden? Keine. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu Franco A. kam es zu einem üblichen Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden. Die sichergestellten Datensätze wurden im Gemeinsamen Extremismus und Terrorismusabwehrzentrum lediglich mit den betroffenen Ländern ausgetauscht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wie viele Personen aus Hamburg beziehungsweise potenzielle Anschlagsziele/-orte in Hamburg sind auf den Namenslisten und Stadtplänen verzeichnet, die bisher im Rahmen der Ermittlungen gegen Mitglieder der extrem rechten Prepper-Gruppierung „Nordkreuz“ beschlagnahmt wurden? Keine. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14032 3 4. Wie viele der auf den sogenannten Feindeslisten angeführten Personen aus Hamburg sind: a. Politiker/-innen? b. Gewerkschaftsfunktionäre/-innen? c. Vertreter/-innen von Vereinen? d. Vertreter/-innen antifaschistischer oder antirassistischer Initiativen? e. Vertreter/-innen religiöser (Glaubens-)Verbände? 5. Um welche Art Orte in Hamburg handelt es sich bei den auf den aufgefundenen Stadtkarten verzeichneten Orten (zum Beispiel Privatanschriften , Sitz von Organisationen, Synagogen, Moscheen et cetera)? Siehe Antworten zu 1., zu 2. und zu 3. 6. An welche hamburgischen Dienststelle oder Abteilung sind die Listen durch das BKA jeweils übermittelt worden? Die Dienststelle LKA 71 „Fachkommissariat PMK Rechts/Links“ hat durch ihre Tätigkeit im Gemeinsamen Extremismus und Terrorismus Abwehrzentrum (GETZ) Kenntnis von den Listen erhalten. Siehe Antworten zu 1., zu 2. und zu 3. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Wie viele auf den sogenannten Feindeslisten aufgeführte Personen wurden von den Landesbehörden darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihre Namen auf einer oder mehreren solcher Listen verzeichnet waren? a. Auf welchen Weg und wann ist diese Meldung jeweils erfolgt? b. In wie vielen Fällen erfolgte keine Meldung und aus welchen Gründen wurden die Personen nicht über diesen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt? c. In wie vielen Fällen erhielten die betroffenen Personen besonderen polizeilichen Schutz (zum Beispiel „Personenschutz“)? Siehe Antworten zu 1., zu 2. und zu 3. 8. Wurden die Personen, die an den Orten, die an den auf den aufgefundenen Stadtkarten eingezeichneten Orten in Hamburg ansässig sind oder regelmäßig Aufenthalt haben, darüber in Kenntnis gesetzt, dass diese Orte auf solchen Stadtplänen sind? a. Auf welchen Weg und wann ist diese Meldung jeweils erfolgt? b. In wie vielen Fällen erfolgte keine Meldung und aus welchen Gründen wurden die Personen nicht über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt? c. In wie vielen Fällen wurden an den betroffenen Orten besondere polizeiliche Schutzmaßnahmen ergriffen? Siehe Antworten zu 1., zu 2. und zu 3. 9. Wie schätzt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Gefährdung der von Personen ein, die auf solchen Listen geführt werden ? Gefährdungseinschätzungen der Polizei erfolgen jeweils auf Grundlage von vorliegenden Erkenntnissen im konkreten Einzelfall. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 10. Existieren Richtlinien oder Vorschriften zur Information von Betroffenen, die auf solchen Listen geführt aufgeführt sind? Bei der Polizei Hamburg: nein. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. und zu 9. Drucksache 21/14032 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 11. Wurden im Rahmen eigener Ermittlungsverfahren gegen Personen aus der rechten Szene durch hamburgische Behörden in den vergangenen zehn Jahren Listen aufgefunden, die darauf hindeuten, dass auf diesen vermeintliche politische Gegner/-innen aufgeführt werden oder mögliche Anschlagsziele/-orte genannt werden? Wenn ja, in was für Ermittlungsverfahren wurden diese aufgefunden, wie viele Personen waren darauf genannt und wurden diese über ihre Nennung auf einer solchen Liste in Kenntnis gesetzt? Die erfragten Sachverhalte werden statistisch nicht erfasst. Für die Beantwortung der Fragestellung wäre daher eine Durchsicht aller aufgrund von Löschfristen für die zurückliegenden fünf Jahre vorliegenden Hand- und Ermittlungsakten an den für die einschlägigen Delikte zuständigen Dienststellen des LKA 7 erforderlich. Die Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge ist in der für eine Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.