BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14084 21. Wahlperiode 24.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse und Dirk Nockemann (AfD) vom 16.08.18 und Antwort des Senats Betr.: Islamische Gefängnisseelsorge und Maßnahmen gegen die Radikalisierung muslimischer Gefangener – Wie ist die Situation im August 2018? Seit November 2012 findet „islamische Gefängnisseelsorge“ in Hamburg auf der Grundlage des zwischen dem Senat und den muslimischen Gemeinschaften geschlossenen Staatsvertrags statt, wo in Artikel 7 die religiöse Betreuung in besonderen Einrichtungen festgeschrieben ist. Dort heißt es: „In öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Heimen, aber auch Justizvollzugsanstalten oder Polizeiausbildungsstätten gewährleistet die Freie und Hansestadt Hamburg den islamischen Religionsgemeinschaften das Recht zur religiösen Betreuung. Sie sind zu Gottesdiensten und religiösen Veranstaltungen , insbesondere zu den islamischen Festtagen, berechtigt. Soweit sich Einrichtungen nicht in staatlicher Trägerschaft befinden, wird die Freie und Hansestadt Hamburg im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Gewährleistung der religiösen Betreuung hinwirken.1 Der Zutritt zu einer Justiz- oder Polizeieinrichtung setzt das Einverständnis der zuständigen Behörde zur Person der Betreuerin oder des Betreuers voraus; das Einverständnis kann nur aus wichtigem Grund versagt oder widerrufen werden. Der Zutritt zu sonstigen öffentlichen Einrichtungen erfolgt im Benehmen mit dem Träger. Näheres soll durch Vereinbarung mit den öffentlichen, freien oder privaten Trägern der Einrichtungen unter Berücksichtigung des Absatzes 1 geregelt werden.“2 Im Dezember 2015 ist der Senat danach gefragt worden, wie die Situation von Salafisten und muslimischen Gefangenen in Hamburger Justizvollzugsanstalten aussehe.3 Dazu erklärte er, dass zum 1. Dezember 2015 zwei Salafisten in Haft säßen, während sich 21,9 Prozent der Inhaftierten zum muslimischen Glauben bekannten.4 Diesen Personen stünden insgesamt vier Imame zur Verfügung, die ehrenamtlich im Hamburger Justizvollzug als Seelsorger wirkten. Zu deren Tätigkeiten gehöre etwa die wöchentliche (JVA Fuhlsbüttel) beziehungsweise monatliche (JVA Billwerder) Veranstaltung eines islamischen Gottesdienstes. Überdies kämen die Imame zu besonderen Anlässen in einzelne Justizvollzugsanstalten, wie zum Beispiel anlässlich islamischer Feiertage, um diese gemeinsam mit den Inhaftierten zu begehen. Gefangene, die sich im offenen Vollzug befänden, hätten zudem die Mög- 1 Confer Staatsvertrag: Paragraf 7, Absatz 2. S. 6. 2 Confer ibidem. Paragraf 7, Absatz 3. 3 Confer Drs. 21/2466. 4 Diese Angabe kann jedoch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da Angaben zur religiösen Konfession nicht verbindlich sind, sondern lediglich auf Freiwilligkeit basieren. Confer ibidem. Seiten 2 – 3. Drucksache 21/14084 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lichkeit, seelsorgerische Angebote außerhalb des Vollzugs in Anspruch zu nehmen.5 Darüber hinaus erklärte der Senat, dass im Jugendvollzug ein Ausländerberater eine Gesprächsrunde für Arabisch sprechende Gefangene anbiete, in denen Themen des „aktuellen politischen Geschehens“ behandelt würden. Ein sogenannter Integrationscoach, bei dem es sich um eine Person arabischer Herkunft handele, führe zudem zweimal pro Woche ein Gesprächsangebot für Inhaftierte durch, die kein Deutsch, sondern nur Arabisch sprechen .6 Ferner sollte in Kooperation mit dem Rat der Islamischen Glaubensgemeinschaften e.V. (SCHURA) ein Projekt initiiert werden, dem zufolge ausgesuchte Imame, die für diese Aufgabe über die notwendigen Fachkenntnisse und persönlichen Voraussetzungen verfügen, offene Gesprächsrunden und bei Bedarf auch Einzelgespräche mit muslimischen Gefangenen anbieten sollen. Dabei sollten die eigene Biografie, interkulturelle Erfahrungen, die Vereinbarkeit traditioneller und „moderner“ Werte, Fragen der Orientierung in einer pluralistischen Gesellschaft sowie die Unterstützung bei der Entwicklung einer Zukunftsperspektive und die Vorbereitung auf die Entlassung behandelt werden . Das Angebot – so der Senat – gehe damit über die religiöse Betreuung von Muslimen hinaus und diene nicht als Seelsorge im engeren Sinne. Die Maßnahme sollte zunächst in der JVA Billwerder und der JVA Fuhlsbüttel umgesetzt werden. Die Auswahl und Vorbereitung der Gesprächsleiter sei abgeschlossen, die Sicherheitsüberprüfungen bereits eingeleitet worden. Überdies werde geprüft, die Beratungsstelle „legato – systemische Ausstiegsberatung – Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung“ mit Präventions - und Deradikalisierungsmaßnahmen in die Arbeit der Vollzugsanstalten einzubinden. Die zuständige Behörde sei damit befasst, dafür ein umfassendes Konzept zu erarbeiten. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Personen, die sich nach eigenen Angaben zum Islam bekennen , sitzen gegenwärtig in Hamburger Justizvollzugsanstalten in Haft? Bitte die einzelnen Standorte anhand ihrer jeweiligen prozentuellen Anteile nennen. 2. Wie hoch fiel der Gesamtanteil muslimischer Gefangener zum 1. August 2018 aus? 3. Welchen islamischen Glaubensrichtungen gehören diese jeweils an? Siehe Drs. 21/8118. 4. Wie viele Personen wirken derzeit in Hamburger Justizvollzugsanstalten als islamische Seelsorger? a) Wie viele von ihnen sind Imame? b) Welchen Moscheegemeinden beziehungsweise im Staatsvertrag genannten Glaubensgemeinschaften gehören diese Personen jeweils an? Bitte gesondert anhand der Einzelpersonen nennen und – falls möglich – auch die Staatsangehörigkeit angeben. c) Wie lange sind diese Personen im Einzelnen bereits als Seelsorger tätig? Bitte den Zeitpunkt, da eine entsprechende Tätigkeit erstmals aufgenommen wurde, sowie die Wirkungsorte anhand der Einzelpersonen nennen. 5 Confer ibidem. 6 Confer ibidem. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14084 3 Seit Februar ist ein weiterer Seelsorger von der SCHURA in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Hahnöfersand entsandt. Dieser hat die deutsche und die lybische Staatsangehörigkeit . Im Übrigen siehe Drs. 21/8118. Der in der JVA Fuhlsbüttel sowie der sozialtherapeutischen Anstalt tätige Imam hat die deutsche und die malische Staatsangehörigkeit . 5. Welche Angebote stehen muslimischen Gefangenen gegenwärtig im Jugendvollzug zur Verfügung? Sind die in Drs. 21/2466 genannten Angebote noch gültig? a) Wurden diese bis August 2018 ausgedehnt? Falls ja, inwiefern? b) Wurden diese mittlerweile eingestellt? Falls ja, warum? Muslimischen und am Islam interessierten Gefangenen im Jugendvollzug steht einmal wöchentlich der Muslimische Gesprächskreis im Rahmen des Dienstleistungsvertrages mit der SCHURA zur Verfügung. 6. Wie viele Gefangene muslimischen Glaubens befinden sich gegenwärtig im Jugendvollzug? Auf welche Staatsangehörigkeiten verteilen sich diese Personen im Wesentlichen? Siehe Antwort zu 1. bis 3. 7. Wie ist der aktuelle Stand der in Kooperation mit der SCHURA geplanten Ausweitung von islamischer Gefängnisseelsorge und -Betreuung durch Imame des Dachverbandes? a) Welche Maßnahmen sind in den JVAs Billwerder und Fuhlsbüttel mittlerweile auf den Weg gebracht worden? Siehe Drs. 21/12230. b) Wie viele Imame sind dabei involviert? Siehe Antwort zu 4. c) Welche Aufgaben gehören zu deren Tätigkeiten? Die Aufgaben umfassen religiöse Betreuung in Gruppen- und (bei Bedarf) Einzelgesprächsangeboten . d) Wie viele Gefangene nehmen diese derzeit in Anspruch? Circa 150 pro Woche. e) Ist eine Ausweitung auf andere Justizvollzugsanstalten geplant? Falls ja, auf welche? Derzeit nicht. f) Auf welche Weise wird der Senat über die Ergebnisse dieser Maßnahmen informiert? Erfolgt hier ein regelmäßiger Austausch? Zweimal jährlich findet eine Besprechung zwischen der zuständigen Behörde und Vertretern der SCHURA statt. Im Übrigen siehe Drs. 21/8118. g) Seit dem 1. Januar 2015 läuft in Hamburg ein umfangreiches Aktionsprogramm gegen religiösen Extremismus/Fanatismus, das neben einer Komplementärfinanzierung des von der BASFI gesteuerten Bundesprogrammes „Demokratie leben“ auch durch Projektmittel für die Umsetzung des „Konzepts zur Vorbeugung und Bekämpfung von religiös motiviertem Extremismus und antimuslimischer Diskriminierung“ getragen wird. Ist vorgesehen, dass die dabei für den Zeitraum von 2017 bis 2020 bewilligten Gelder in Höhe von 320.000 Euro bereitgestellt werden? Drucksache 21/14084 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Falls ja, wie sieht die bereits gewährte Finanzierung gegenwärtig im Einzelnen aus? Welche Maßnahmen sind für die Zukunft geplant? Siehe Drs. 21/14037. 8. Ist die geplante Einbindung von „legato – systemische Ausstiegsberatung – Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung“ in die Arbeit mit Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen mittlerweile umgesetzt worden? a) Falls ja, was ist bis heute konkret geschehen? Bitte sowohl Maßnahmen als auch die betroffenen Standorte nennen. b) Falls nein, warum nicht? Die vollzugsspezifische Fortbildungsreihe für Bedienstete aller JVAen durch die Beratungsstelle hat im Juli 2018 begonnen. Im Übrigen siehe Drs. 21/10987. 9. Sind weitere Maßnahmen sind für die Zukunft geplant? Über die in Drs. 21/10987 erwähnten Maßnahmen hinaus derzeit nicht. 10. Wie beurteilt der Senat die Ergebnisse, die bislang auf islamische Gefängnisseelsorge zurückzuführen sind? Siehe Drs. 21/8118.