BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14091 21. Wahlperiode 24.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 17.08.18 und Antwort des Senats Betr.: Wie besetzt Hamburg die offenen Lehrerstellen? In Berlin sind 2018 nur ein Drittel der neuen Lehrer „richtige“ Lehrer. Berlin stellt 900 Lehrer ein, die kein Schulfach studiert haben. Damit erreicht der Personalnotstand eine neue Stufe. Nur 37 Prozent der zum neuen Schuljahr in Berlin eingestellten Lehrkräfte können ein abgeschlossenes Lehramtsstudium vorweisen. Das geht aus Zahlen der bezirklichen Schulpersonalräte hervor, die die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Mittwoch präsentiert hat. Demnach sind unter den etwa 2.700 neu eingestellten Lehrkräften nur gut 1.000 reguläre Lehrer. Erstmals konnten die Lücken nicht nur durch Quereinsteiger gefüllt werden: Es gibt inzwischen nicht mehr genug Bewerber, die zumindest ein Fach studiert haben, das mit einem Schulfach verwandt ist. Diese sogenannten Lehrer ohne volle Lehrbefähigung („LovLs“) können etwa Archäologen sein, die dann Geschichte unterrichten oder Dozenten, die eine Fortbildung im Bereich „Deutsch als Fremdsprache“ vorweisen können. Auch in Hamburg wurde bereits im Januar dieses Jahres aus der Presse deutlich, „Hamburg sucht dringend Lehrer – und geht dabei andere Wege“. Referendare, Lehramtsstudenten füllen vor ihrem Abschluss die Lücke – aber auch Lehrkräfte im Pensions- und Rentenalter werden rekrutiert. Auch in Hamburg fehlen zu Beginn des Schuljahres noch 320 Lehrer. Gilt die Dramatik von Berlin auch für Hamburg? Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Bundesweit stehen zurzeit nicht ausreichend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung, um den aktuellen Einstellungsbedarf zu decken. In Hamburg stellt sich die Situation besser dar. Seit 2011 hat der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg im Bereich der schulischen Bildung einen ausdrücklichen Schwerpunkt gesetzt und deutlich mehr Stellen zur Verfügung gestellt beziehungsweise mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt , als es gemessen an dem Schülerzuwachs notwendig gewesen wäre. So wurden rund 1.900 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen unter anderem für den Ausbau des Ganztags, die Einführung von Inklusion, die Einführung von kostenloser Lernförderung sowie die Verkleinerung der Klassenfrequenzen. Dabei stellt Hamburg grundsätzlich unbefristet Lehrkräfte ein und verbeamtet diese. Damit wurde eine im Ländervergleich ausgezeichnete Lehrer-Schüler-Relation erzielt. Im Ergebnis stellen die allgemeinbildenden Schulen mit über 14.000 Lehrkräften die größte Personalgruppe im öffentlichen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg dar. Dies lässt sich auch mit den Einstellungszahlen unterlegen. Seit dem Schuljahr 2011/2012 liegt die Anzahl der Einstellungen von Lehrkräften kontinuierlich über der Anzahl der Abgänge. Um diese Entwicklung auch längerfristig abzusichern, wird Hamburg ab 2019 die Zahl der Aus- Drucksache 21/14091 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 bildungsplätze für Lehrkräfte deutlich erhöhen. Von derzeit rund 580 Referendaren, die jedes Jahr ihre Ausbildung in Hamburg beginnen, soll die Zahl um weitere 135 Ausbildungsplätze gesteigert werden. Auf der Grundlage der von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossenen Bedarfsgrundlagen erhält jede einzelne Schule die entsprechende Zuweisung an Stellen. Dabei werden von vornherein mehr Stellen als rechnerisch notwendig zugewiesen, damit Schulen einen personalwirtschaftlichen Puffer als Vertretungs- und Organisationsreserve haben. Bei den Gymnasien und den Stadtteilschulen werden rund 104 Prozent zugewiesen, bei den Grundschulen schwankt die Zuweisung entsprechend ihrer Größe zwischen 104 Prozent bis 110 Prozent. Aufgrund dieser Reserve und zahlreicher Stellen für Ganztag und Förderung liegt der Stellenanteil, der für den eigentlichen Unterricht nötig ist, bei weniger als 70 Prozent. Seit Einführung der selbstverantworteten Schule liegt die konkrete Ausschreibung und Besetzung mit Lehrkräften bei den Schulleitungen. Insbesondere bei den großen Schulsystemen der weiterführenden Schulen steuern Schulleitungen ihre personalwirtschaftliche Planung sehr gezielt. So kann es beispielsweise zu einer strukturellen Lücke in der Stellenbesetzung kommen, weil die Schulleitung gezielt Stellen freihält, um Rückkehrer aus der Beurlaubung, insbesondere der Elternzeit aufnehmen zu können . Diese personalwirtschaftliche Steuerung der Schulleitungen bedeutet daher nicht automatisch, dass Lehrkräfte für den Unterricht an Schule fehlen. Durch die Mittelzuweisung für die Stellen können Schulen beispielsweise zeitlich begrenzte Lehraufträge vergeben. Dies schließt allerdings nicht aus, dass es auch an einzelnen Hamburger Schulen zu temporären Engpässen in einzelnen Fächern oder an einzelnen Standorten kommt. Dieses Phänomen gibt es bereits seit Jahren, es bezieht sich auf sogenannte Mangelfächer , aber auch auf Schulen in Randlagen und/oder sozial schwieriger Lage. Die für Bildung zuständige Behörde steuert hier gemeinsam mit den Schulen gegen. Grundsätzlich ist über alle Schulen festzuhalten, dass mit den vorhandenen Lehrkräften der vorgesehene Unterricht nach Stundentafel verlässlich erteilt werden kann. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hoch war der Anteil im Schuljahr 2017/2018 an Lehrern, die kein abgeschlossenes Lehramtsstudium aufweisen konnten? Bitte je Bezirk nach Grundschulen, STS, Gymnasien und Berufsschulen ausweisen. Siehe Anlage. 2. Welche Qualifikationen hatten die sogenannten Quereinsteiger? Bitte je Bezirk nach Grundschulen, STS, Gymnasien und Berufsschulen ausweisen . 3. Wie werden die sogenannten Quereinsteiger auf ihre Lehrtätigkeit vorbereitet und begleitet? 4. In welchem Zeitraum und wie werden diese nachqualifiziert? Als Quereinstieg wird in Hamburg der Zugang in den Hamburger Schuldienst durch das Absolvieren eines Vorbereitungsdienstes nach abgeschlossenem Masterstudium bezeichnet, siehe auch Drs. 21/8426. Diese Lehrkräfte verfügen nach dem Abschluss des Vorbereitungsdienstes über eine volle Lehramtsqualifikation. Eine differenzierte Auswertung nach Vorqualifikationen ist daher über die in der zuständigen Behörde eingesetzten personalstatistischen Verfahren nicht möglich. 5. Gibt es in Hamburg sogenannte Lehrer ohne volle Lehrbefähigung („Lov Ls“)? Wenn ja, wie viele und mit welcher Qualifikation? Der direkte Einstieg in den Hamburger Schuldienst nach abgeschlossenem Masterstudium (ohne Vorbereitungsdienst) wird als Seiteneinstieg bezeichnet und ist nicht Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14091 3 regelhaft vorgesehen, siehe auch Drs. 21/8426 und 21/8766. Die folgende Übersicht zeigt die Qualifikation dieser Lehrkräfte, deren Anzahl ist aus der Anlage ersichtlich: Qualifikation der Lehrkräfte ohne abgeschlossenes Lehramtsstudium Anteil an allen Lehrkräften Diplom 357 2,07% Magister 60 0,35% Masterabschluss 61 0,35% Bachelorabschluss 105 0,61% Sonstiger akademischer Abschluss 53 0,31% Quelle: Daten der zuständigen Behörde, Stand 12/2017. 6. Wie werden die „LovLs“ auf ihre Lehrtätigkeit vorbereitet und begleitet? 7. In welchem Zeitraum und wie werden diese nachqualifiziert? Die pädagogische Qualifikation wird im Rahmen eines befristeten Vertretungslehrauftrags durch die Schulleitung und Fachlehrkräfte festgestellt, zudem nehmen Seiteneinsteiger entsprechend ihrer individuellen Erfordernisse an Fortbildungsmaßnahmen teil, siehe Drs. 21/8766. 8. Wie viele Neueinstellungen an Lehrkräften sind für das Schuljahr 2018/ 2019 bewilligt/geplant? Es gibt kein vorab festgelegtes Einstellungskontingent für das einzelne Schuljahr. Im Rahmen des Konzepts der selbstverantworteten Schule entscheiden die Schulen nach den konkreten Bedingungen vor Ort selbst, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt sie Stellen dauerhaft besetzen. Zum neuen Schuljahr wurden bisher (Stand 20.08.2018) 592 Lehrkräfte unbefristet in den Schuldienst neu eingestellt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Wie viele davon waren mit Stand 15.08.2018 noch unbesetzt? Ob und in welchem Umfang Schulen Lehrerstellen dauerhaft besetzten können, hängt von der personalwirtschaftlichen Situation und vom Umfang des anhand der Schülerzahlen ermittelten Lehrerbedarfs ab. Eine belastbare Quantifizierung des Umfangs nicht besetzter Stellen ist daher erst nach Abschluss der Schuljahreserhebung möglich . Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 10. Wie viele neu eingestellte Lehrkräfte gelten als Quereinsteiger? Mit welcher Qualifikation? Siehe Antwort zu 2. bis 4. 11. Wie viele neu eingestellte Lehrkräfte gelten als sogenannte Lehrer ohne volle Lehrbefähigung? Mit welcher Qualifikation? Die bisher zum neuen Schuljahr neu eingestellten Lehrkräfte ohne abgeschlossenes Lehramtsstudium verfügen über folgende Qualifikationen: Qualifikation der zum August 2018 eingestellten Lehrkräfte ohne abgeschlossenes Lehramtsstudium Anteil an allen neu eingestellten Lehrkräften Diplom 15 2,53% Magister 2 0,34% Masterabschluss 1 0,17% Bachelorabschluss 1 0,17% Sonstiger akademischer Abschluss 3 0,51% Quelle: Daten der zuständigen Behörde, Stand 20.08.2018. 12. Wie viele Referendare beziehungsweise Lehramtsstudenten sind vorzeitig in den Schuldienst eingestellt worden? Es gibt keine vorzeitige Einstellung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst oder Lehramtsstudentinnen und -studenten. Drucksache 21/14091 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 13. Wie viele Pensionäre/Rentner konnten für den Schuldienst gewonnen werden? Arbeiten diese in Vollzeit oder in Teilzeit? Aktuell beschäftigt die für Bildung zuständige Behörde 142 Pensionärinnen und Pensionäre als befristete Vertretungslehrkräfte mit Teilzeitverträgen. in Pe rs o n e n An te il a n a lle n Le hr kr äf te n in % in Pe rs o n e n An te il a n a lle n Le hr kr äf te n in % in Pe rs o n e n An te il a n a lle n Le hr kr äf te n in % in Pe rs o n e n An te il a n a lle n Le hr kr äf te n in % Al to n a 13 1, 5% 13 2, 0% 25 3, 3% 30 18 , 4% Be rg e do rf 13 3, 6% 20 3, 9% 11 3, 1% 14 6, 3% Ei m sb üt te l 7 1, 1% 9 1, 6% 17 2, 5% 41 15 , 6% H ar bu rg 12 2, 6% 23 3, 9% 10 3, 4% 18 17 , 3% H H -M itt e 26 3, 2% 41 3, 9% 20 4, 9% 79 6, 9% H H -N or d 8 1, 5% 29 3, 0% 8 1, 5% 40 8, 0% W a n ds be k 15 1, 2% 33 2, 8% 39 3, 2% 22 12 , 4% Qu e lle : D a te n de r zu st än di ge n Be hö rd e , St a n d 12 /2 01 7 Le hr kr äf te o hn e a bg e sc hl o ss e n e s Le hr a m ts st u di u m Be zir k G ru n ds ch u le n St a dt te ils ch u le n G ym n a si e n Be ru flic he Sc hu le n Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14091 5 Anlage 14091ska_text 14091ska_Antwort_Anlage1