BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1410 21. Wahlperiode 01.09.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels (FDP) vom 26.08.15 und Antwort des Senats Betr.: Belastungskennzahlen der Hamburger Justiz Wie diversen Medienberichten der letzten Tage zu entnehmen war, klagt die Hamburger Justiz nach wie vor über ihre hohe Belastung und die Konsequenzen hieraus, wie zum Beispiel ungeplanten Entlassungen aus der U-Haft. Zwar finden sich kaum direkte Hinweise auf diese Situation in den in Drs. 21/1282 aufgeführten Kennzahlen der Produktgruppen 234.01 (Staatsanwaltschaften ), 235.02 (Landgericht) und 235.03 (Amtsgerichte). Doch in den entsprechenden Anmerkungen zu den Kennzahlen finden sich dafür einige umso deutliche Hinweise. So heißt es beispielsweise hinsichtlich einiger Kennzahlen für den Bereich des Landgerichts: „Die Kennzahlen für den landgerichtlichen Strafbereich stellen die tatsächliche Belastungssituation nur unzureichend dar.“1 Und zu den Kennzahlen der Amtsgerichte findet sich der folgende Hinweis: „Trotz einiger leicht rückläufiger Verfahrenszahlen ist das Amtsgericht weiterhin hoch belastet.“2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Sitzungstage in Strafsachen hatten Hamburger Richterinnen und Richter 2010, 2013 und 2014 zu bewältigen? Wie viele waren es im bisherigen Jahresverlauf 2015? (Bitte nach Amtsgerichten, Landgericht und Hanseatischem Oberlandesgericht differenziert jahresweise auflisten.) Hinsichtlich der Anzahl der Sitzungstage im Sinne von vollen richterlichen Arbeitstagen , die mit der Sitzungsleitung als Vorsitzende beziehungsweise Vorsitzender oder mit der Anwesenheit in der Sitzung als Beisitzerin beziehungsweise Beisitzer verbracht werden, gibt es keine Datengrundlage. Statistisch erfasst wird jedoch die absolute Anzahl von Hauptverhandlungsterminen aller Strafverfahren, wobei bei der Betrachtung der Daten zu berücksichtigen ist, dass der einzelne Termin von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden dauern kann und üblicherweise – gerade bei dem Amtsgericht – an einem richterlichen Sitzungstag mehrere Hauptverhandlungstermine in verschiedenen Strafsachen abgehalten werden. Strafverfahren, Zahl der Tage der (letzten) Hauptverhandlung* 2010 2013 2014 2015 Amtsgerichte 16.904 14.819 14.389 7.125 1 Vergleiche Seite 37 des EP 2 in Drs. 21/1282. 2 Vergleiche Seite 41 des EP 2 in Drs. 21/1282. Drucksache 21/1410 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Strafverfahren, Hauptverhandlungen insgesamt 2010 2013 2014 2015 Landgericht 1. Instanz 1.544 1.450 1.658 912 darunter aus früheren Hauptverhandlungen 50 82 17 26 Berufungsinstanz 1.606 1.550 1.659 752 darunter aus früheren Hauptverhandlungen 108 73 109 35 Summe 3.150 3.000 3.317 1.664 Hanseatisches Oberlandesgericht 1. Instanz ** 0 33 29 0 Revisionsinstanz 3 2 9 3 *) 1. Halbjahr, Stichtag: 30.06.2015 **) Wert 2013 aus 1 Verfahren, Wert 2014 aus 3 Verfahren 2. Wie viele Sitzungstage in Strafsachen hatten Richterinnen und Richter der anderen Bundesländer in den genannten Jahren zu bewältigen? (Bitte – soweit möglich – nach Ebene der Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte differenziert jahresweise auflisten.) Die Daten der anderen Länder liegen außerhalb des Verantwortungsbereichs des Senats und der parlamentarischen Kontrolle der Bürgerschaft und werden daher vom parlamentarischen Fragerecht nicht erfasst. Im Übrigen sind vergleichbare Daten zu der absoluten Anzahl der Hauptverhandlungstermine der Länder für die Jahre 2010 bis 2013 beim statischen Bundesamt im Internet unter „Destatis.de“ in Fachserie 10 Reihe 2.3 Strafgerichte verfügbar. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/ Strafgerichte.html?nn=72374. 3. Soll das Konzept des „Personalbemessungssystems“, wie es derzeit für die Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) entwickelt wird, auf Hamburgs (Straf-)Justiz übertagen werden? Wenn ja, in welcher Form und bis wann? Wenn nein, warum nicht? Nein, da es sich um ein Personalbemessungssystem für Verwaltungsaufgaben handelt . 4. Welche in den Erläuterungen zu den einschlägigen Kennzahlen der Produktgruppen 234.01, 235.02 und 235.03 des EP 2 in Drs. 21/1282 genannten „Aufwandstreiber“ zur Erfassung der Verfahrenskomplexität wurden bislang identifiziert? a. Bis wann soll dieser Erfassungsprozess abgeschlossen sein? b. Zu welchen (Zwischen-)Ergebnissen beziehungsweise Erkenntnissen ist man hinsichtlich der Entwicklung der Verfahrenskomplexität bislang gekommen? Die zuständige Behörde hat die Leitungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften darum gebeten, bis Ende dieses Monats die Faktoren zu benennen, anhand derer die Zunahme der Verfahrenskomplexität belegt werden kann. Nach Vorliegen aller Rückmeldungen sollen diese ausgewertet und im Anschluss einer gemeinsamen Bewertung seitens der zuständigen Behörde mit den Leitungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften unterzogen werden. Die zuständige Behörde strebt an, den Dialog mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften bis zur Aufstellung des HaushaltsplanEntwurfs 2017/2018 abzuschließen. 5. Seit wann erfolgen die Verbindungen von Strafverfahren nicht mehr bei den Gerichten, sondern bei der Staatsanwaltschaft? Nach §§ 2,3 StPO können zusammenhängende Verfahren sowohl im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft als auch im Zwischen-/Hauptverfahren bei den Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1410 3 Gerichten verbunden werden. Von beiden Möglichkeiten wurde in der Vergangenheit und wird auch heute Gebrauch gemacht. Über eine dahin gehende Verschiebung, dass heute mehr Verfahren schon bei der Staatsanwaltschaft verbunden werden, berichtet die Justiz. Um eine genaue Aussage bezüglich des Umfangs und der zeitlichen Entwicklung treffen zu können, müssten sämtliche Ermittlungsakten händisch ausgewertet werden. Dies ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. a. Wie viele Strafverfahren wurden im ersten Halbjahr 2015 sowie gegebenenfalls 2014 bei den Staatsanwaltschaften verbunden, sodass sie als nur noch ein Eingang bei Gericht verzeichnet wurden 3? Im ersten Halbjahr 2015 ist für insgesamt 7.630 Beschuldigte und im Gesamtjahr 2014 für insgesamt 14.962 Beschuldigte eine Verfahrensverbindung in dem Bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg registriert. Allerdings entsprechen diese Zahlen weder der Anzahl der bei der Staatsanwaltschaft verbundenen Verfahren , noch der Anzahl der als verbundene Verfahren bei Gericht erhobenen Anklagen, da zum einen häufig ein Verfahren gegen mehrere Beschuldigte geführt wird und andererseits viele Verfahren – auch viele verbundene Verfahren – nicht bis zu Anklage kommen, sondern schon durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden. Zur Beantwortung der Frage müssten daher sämtliche zugrunde liegenden Ermittlungsakten händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. b. Wie viele Strafverfahren enthält ein derart „gebündelter“ Eingang bei Gericht durchschnittlich? Die erfragten Daten werden statistisch nicht gesondert erfasst. Es müssten daher mehrere Tausend Akten händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . c. Welcher Mehraufwand entsteht durch diese Verschiebung der Verbindungen von Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft? Wie und in welchem Umfang wurde er bei der Zuweisung personeller Ressourcen berücksichtigt? Auf die Gesamtzahl der Verfahren gesehen, entsteht durch die Verbindung von Verfahren grundsätzlich kein Mehraufwand. Vielmehr soll die Verfahrensverbindung gerade der Arbeitsersparnis dienen, indem Doppelarbeit (Doppelung von Beweisaufnahmen , Strafverhandlungen et cetera) vermieden werden soll. Durch die Verbindung können Verfahren jedoch einen Grad an Komplexität erreichen – etwa weil sie viele Angeklagte, Verteidiger und/oder Anklagepunkte enthalten –, bei dem die beabsichtigten Synergieeffekt ausbleiben. Im Einzelfall kann sogar ein gegenteiliger Effekt auftreten , zum Beispiel durch aufwendige Terminabsprachen. Bei der Zuweisung der personellen Ressourcen wurde dies in der Vergangenheit insoweit berücksichtigt, als der erhebliche Rückgang der Eingangszahlen nicht mit einem entsprechenden Personalabbau einhergegangen ist und darüber hinaus die Behörde mit den Gerichten in einen engen Dialog getreten ist, um die statistischen Daten im Hinblick auf die reale Belastung besser interpretieren zu können. 6. Für jeweils insgesamt wie viele Personentage waren Hamburger Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und -anwälte in den Jahren 2010, 2013, 2014 und im bisherigen Jahresverlauf 2015 an den Bund oder andere Länder abgeordnet? (Bitte nach Amtsgerichten, Landgericht und Staatsanwaltschaften differenziert jahresweise auflisten.) 3 Vergleiche auch Erläuterung zu den Kennzahlen B_235_03_009 bis -012 auf Seite 42 des EP 2 in Drs. 21/1282. Drucksache 21/1410 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Zahlen ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle. Es wird darauf hingewiesen, dass Hamburg bei Abordnungen an den Bund und an andere Länder für die gesamte Zeit der Abordnungen Personalkostenerstattung erhält. Zudem werden alle durch Abordnungen frei werdenden Stellen nachbesetzt. Dienststelle Jahr Personen Personentage Landgericht 2010 10 3.391 2013 11 2.847 2014 10 2.763 2015 8 2.118 Amtsgerichte 2010 2 457 2013 6 1.766 2014 7 1.799 2015 5 1.185 Staatsanwaltschaften 2010 4 1.184 2013 2 366 2014 2 428 2015 6 1.570