BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1412 21. Wahlperiode 04.09.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 27.08.15 und Antwort des Senats Betr.: Fragen zum Fall der verdeckt ermittelnden Beamtin Maria B. Erneut wurde bekannt, dass eine Polizeibeamtin über Jahre in linken Strukturen verdeckt ermittelte. Die Polizei hat dies inzwischen bestätigt. Gegen die Beamtin werden schwerwiegende Vorwürfe erhoben. Unter anderem habe sie sich an Aktivitäten im Ausland beteiligt, häufig Privatwohnungen besucht, sei mindestens ein sexuelles Verhältnis eingegangen und habe an strafrechtlich relevanten Aktivitäten teilgenommen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Trifft zu, dass die Beamte Maria B. zwischen (Anfang) 2009 und 2012 in linken Strukturen verdeckt ermittelte? Ja. a. Auf welcher Rechtsgrundlage fand der Einsatz statt? Der Einsatz der Beamtin erfolgte überwiegend als verdeckte Ermittlerin gemäß § 12 Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) sowie kurzzeitig als Beobachterin für Lagebeurteilung nach § 2 PolDVG i.V.m. der Dienstanweisung für den Einsatz von Beobachtern für Lagebeurteilung. b. Aus welchem Anlass oder mit welcher Aufgabe wurde die Beamtin in den Einsatz geschickt? Zu welcher „Lage“ beziehungsweise zu welchen „Lagen“ in welchen Strukturen sollte sie über drei Jahre lang „Beurteilungen“ liefern? Die nachfolgenden Antworten sind das Ergebnis von in der zur Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Erkenntnissen. Der Einsatz verdeckter Ermittler und sonstiger nicht offen operierender Polizeibeamter stellt ein unverzichtbares Mittel zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung, der Abwehr bestimmter Gefahren oder bei der Aufklärung bestimmter Straftaten dar. Eine (auch teilweise) Offenlegung der Umstände konkreter Einsätze kann Rückschlüsse auf strafprozessuale oder gefahrenabwehrende verdeckte Maßnahmen der Polizei zulassen, die den Erfolg dieser Einsätze gefährden würden. Dies gilt sowohl für Positiv - als auch für Negativauskünfte; auch aus Angaben zum Nichteinsatz von verdeckten Ermittlern oder nicht offen operierenden Polizeibeamten in der Vergangenheit könnten Anhaltspunkte erlangt werden, in welchen Kriminalitäts- oder Gefahrenabwehrfeldern aktuell ein beziehungsweise kein Einsatz erfolgt. Im Interesse der Wirksamkeit polizeilicher Maßnahmen und der Sicherheit der eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten macht der Senat keine Angaben zu ihrer operativen Tätigkeit. Soweit die Beantwortung von Fragen Rückschlüsse auf das polizeitaktische Vorgehen zulässt und die Wirksamkeit polizeilichen Handelns berührt ist, steht einer Beantwortung der Fragen die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Polizei als Strafver- Drucksache 21/1412 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 folgungs- und Gefahrenabwehrbehörde nach Artikel 30 der Hamburgischen Verfassung und damit das Staatswohl entgegen, sodass von einer Beantwortung der Fragen abgesehen wird. c. Was sehen die Richtlinien für Ermittlungstätigkeiten im Ausland vor? Der Einsatz von verdeckt eingesetzten Polizeibeamten im Ausland richtet sich sowohl nach dem deutschen als auch nach dem Recht des ausländischen Staates. Entsprechende Regelungen in völkerrechtlichen Verträgen erleichtern die Zusammenarbeit, sind aber bei Vorliegen der innerstaatlichen Voraussetzungen grundsätzlich keine Notwendigkeit für eine solche Maßnahme. Maßgeblich ist zunächst das geltende Recht für die beteiligten Staaten; auf deutscher Seite des Landes Hamburg. In Hamburg müssen die Voraussetzungen des § 12 PolDVG vorliegen. Der präventive Einsatz Hamburger Polizeibeamter im Ausland ist in § 30 b Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) geregelt. Voraussetzung gemäß § 30 b SOG ist eine völkerrechtliche Vereinbarung oder eine entsprechende Regelung im nationalen Recht des Gebietsstaats. Abweichend von den Regeln der Internationalen Rechtshilfe, welche im Bereich der Strafverfolgung angewandt werden, ist beim präventiven Einsatz eines verdeckt eingesetzten Polizeibeamten im Ausland kein justizielles Rechtshilfeersuchen erforderlich . Es sind lediglich bilaterale Absprachen hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen zwischen den betroffenen Ländern notwendig. Diese können sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. 2. Inwiefern trifft zu, dass die verdeckt ermittelnde Beamtin mit einer Gruppe Hamburger Aktivistinnen und Aktivisten nach Griechenland geflogen ist und zwischen dem 25. und 31. August 2009 am NoBorder-Camp auf Lesvos teilnahm? Es trifft zu, dass die Beamtin im genannten Zeitraum auf Lesbos eingesetzt war. Wenn ja, a. mit welchem Ermittlungsauftrag? Siehe Antwort zu 1. b. b. wurde sie von einer/einem oder mehreren VE-Führern/-Führerinnen begleitet? Wenn nein, warum nicht? c. wurden die entsprechenden Dienststellen in Griechenland/auf Lesvos verständigt und haben sie ihre Zustimmung gegeben? Wenn nein, warum nicht? Ja. 3. Inwiefern trifft zu, dass die verdeckt ermittelnde Beamtin im Dezember 2009 mit einer Gruppe Hamburger nach Kopenhagen (Dänemark) fuhr und sich an den Gegenprotesten zur UN-Klimakonferenz beteiligte? Es trifft zu, dass die Beamtin im Dezember 2009 in Dänemark eingesetzt war. Wenn ja, a. mit welchem Ermittlungsauftrag? Siehe Antwort zu 1. b. b. wurde sie von einer/einem oder mehreren VE-Führern/-Führerinnen begleitet? Wenn nein, warum nicht? c. Wurden die entsprechenden Dienststellen in Kopenhagen verständigt und haben sie ihre Zustimmung gegeben? Wenn nein, warum nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1412 3 Ja. d. Inwiefern trifft zu, dass sie von dänischen Sicherheitskräften in Gewahrsam oder festgenommen wurde? Wurde anschließend ermittelt? Wenn ja, mit welchem Ausgang? Es trifft zu, dass die Beamtin im Rahmen dieses Einsatzes von dänischen Sicherheitskräften zur Gefahrenabwehr in Gewahrsam genommen wurde. Ein Ermittlungsverfahren wurde nicht eingeleitet. 4. Inwiefern trifft zu, dass die verdeckt ermittelnde Beamtin an mehreren Veranstaltungen in Brüssel, Belgien teilnahm, unter anderem zwischen dem 25.9. und 3.10.2010 am NoBorder-Camp und an einem CampVorbereitungstreffen ? Die Beamtin war vom 26. September 2010 bis zum 2. Oktober 2010 in Belgien eingesetzt . Wenn ja, a. mit welchem Ermittlungsauftrag? Siehe Antwort zu 1. b. b. wurde sie von einer/einem oder mehreren VE-Führern/-Führerinnen begleitet? Wenn nein, warum nicht? c. Wurden die entsprechenden Dienststellen in Brüssel verständigt und haben sie ihre Zustimmung gegeben? Wenn nein, warum nicht? Ja. d. Hat es in Brüssel ein Treffen oder einen Austausch zwischen Maria B. und Simon B., einem verdeckten Ermittler des LKA BadenWürttemberg , der ebenfalls am Camp teilnahm, gegeben? Wenn ja, zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis? Siehe Antwort zu 1. b. 5. Welche Kenntnis hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde von der Beteiligung von Maria B. an strafrechtlich relevanten Aktivitäten ? Verdeckt eingesetzte Polizeibeamte dürfen zur Informationsgewinnung grundsätzlich keine Straftaten begehen. Die in den Medien enthaltenen Darstellungen begründen nach derzeitigem Sachstand keinen Verdacht eines strafrechtlich relevanten Verhaltens . Eine Abfrage im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg zu Maria B. hat keine Erkenntnisse über die Beteiligung von Maria B. an strafrechtlich relevanten Aktivitäten ergeben. 6. Inwieweit und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt waren die Innensenatoren dieses Zeitraums, also Christoph Ahlhaus (CDU), Heino Vahldieck (CDU), Michael Neumann (SPD), jeweils vom Einsatz, den Einsatzfeldern und den Einsatzzwecken informiert? Nach derzeitigem Kenntnisstand erfolgte durch die Polizei keine Information an den jeweils amtierenden Präses der Behörde für Inneres beziehungsweise Behörde für Inneres und Sport. 7. Die Senatsvertreter/-innen haben auf verschiedenen Sitzungen des Innenausschusses dargelegt und immer wieder betont, wie gründlich und entschieden versucht werde, den Einsatz von Iris P. aus den noch Drucksache 21/1412 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 vorhandenen Akten und auf Grundlage von Befragungen zu rekonstruieren und aufzuarbeiten. Ist man in der Behörde im Zuge dieser Aufklärung auf den „Fall“ Maria B. und womöglich auf weitere „Fälle“ von verdeckt ermittelnden Beamten/-innen gestoßen, die in größerem Umfang Privatwohnungen besucht haben, Beziehungen eingegangen sind, Straftaten begangen haben oder ähnliche Verstöße gegen Richtlinien beziehungsweise Rechtsverstöße? Wenn ja, inwiefern, wann und mit welchen Konsequenzen? Wenn nein, warum nicht? Die Aufarbeitung des Einsatzes von Iris P. dauert derzeit noch an. Die Berichterstattung im Innenausschuss der Bürgerschaft bis einschließlich zum 28. August 2015 stellt hierzu den gegenwärtigen Sachstand abschließend dar. Von weiteren Auskünften zu möglichen anderen Sachverhalten als diesem Einsatz oder den von Maria B. wird abgesehen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. b.