BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14157 21. Wahlperiode 31.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 23.08.18 und Antwort des Senats Betr.: Streit um „halāles“ Schulessen an der Grundschule Bonhoefferstraße Die AfD-Bürgerschaftsfraktion hat Hinweise darauf erhalten, dass es an der Grundschule Bonhoefferstraße zu starken Auseinandersetzungen zwischen Vertretern des Elternrates und Teilen des Lehrerkollegiums/der Schulleitung gekommen sei. Der Konflikt würde bereits seit mehreren Monaten anschwellen ; eskaliert sei der Streit zuletzt an der Forderung eines Vertreters des Elternrates, im Rahmen der Schulspeisung nur noch „halāles“ Fleisch, das heißt Fleisch von zuvor geschächteten Tieren, anzubieten. Während der Auseinandersetzungen soll ein Vertreter des Elternrates, mutmaßlich dessen Vorsitzender, Lehrpersonen massiv beschimpft und beleidigt haben. Da keine Befriedung des Konfliktes zwischen Kollegium und Elternrat mehr möglich schien, soll die Schulleitung die Schulbehörde um Unterstützung gebeten haben. Eine von der Schulbehörde initiierte Mediation, die nach den Sommerferien beginnen soll, soll den Konflikt nun entschärfen/befrieden. Bis dahin hat die Schule (bereits noch vor den Sommerferien) das Schulessen auf vegetarisch umgestellt. Außerdem sollen auch diverse Vorgänge und Personen an der Schule vom Landeskriminalamt sowie vom Landesamt für Verfassungsschutz überprüft worden sein. Die Schulbehörde habe die große Befürchtung, dass die Konflikte an der Schule öffentlich werden könnten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Es ist grundsätzlich Aufgabe der Sorgeberechtigten, für eine ausgewogene Ernährung ihrer Kinder zu sorgen, § 1626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In der Erfüllung dieser Aufgabe werden die Familien durch eine Fülle von Beratungs- und Informationsangeboten des Staates, der Jugendhilfeträger und der Krankenkassen unterstützt. Zum Erziehungsrecht der Eltern zählt auch, die Kinder und Jugendlichen zum Verzehr bestimmter Speisen anzuhalten oder bestimmte Speisen zu verbieten, mag dies mit religiösen oder weltanschaulichen Gründen motiviert sein oder nach Ansicht der Eltern medizinisch geboten oder vorteilhaft sein. Die Behörde für Schule und Berufsbildung unterstützt die Familien im Alltag durch das Angebot, Speisen in der Schulkantine einzunehmen. Niemand ist verpflichtet, in der Schulkantine zu essen und allen Schülerinnen und Schülern ist es gestattet, sich im Rahmen der Hausordnung der Schule zu den gegebenen Zeiten selbst zu verpflegen. Deshalb gibt es kein Recht, bestimmte Speisen oder Zubereitungsformen einzufordern . Vielmehr entscheidet die Schulgemeinschaft in ihrer Gesamtheit demokratisch auf der Grundlage der schulgesetzlichen Regelungen über das Schulessen. Die Behörde für Schule und Berufsbildung stellt den Schulen dafür einen Musterkonzessionsvertrag für die Schulkantinen zur Verfügung, der das Interesse an einer ausgewogenen Ernährung der Schülerinnen und Schüler mit den Notwendigkeiten, eine Schulkantine auch kostendeckend betreiben zu können, in einen vernünftigen Ausgleich Drucksache 21/14157 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 bringt. Dieser Mustervertrag sieht weder ein ausschließlich vegetarisches Speisenangebot vor noch das Angebot von Halāl-Fleisch. Nach Auskunft der Schulleiterin der Schule Bonhoefferstraße hat im Februar 2018 der Elternratsvorsitzende unverhältnismäßig vehement gefordert, es müsse zukünftig Halāl-Fleisch in der Schulkantine angeboten werden. Körperliche Angriffe gab es nicht. Die zuständige Schulaufsicht wurde von der Schulleitung im Februar 2018 über den Konflikt in Kenntnis gesetzt. In einem Gespräch zwischen Schulleitung und Elternratsvorsitzendem am 15.02.2018 ging es um die Unklarheit über die Schlachtungsform des Fleisches beim Schulmittagessen . Der Elternratsvorsitzende machte deutlich, dass es sich nach seinem Verständnis um halāl geschächtetes Fleisch handeln muss. Daraufhin meldeten sich viele Eltern, die sich gegen eine solche Schlachtung aussprachen . Es kam zu heftigen Diskussionen zwischen den Eltern. Deshalb wurde das Essen im Mai befristet auf vegetarisch umgestellt. Nach Beratung im Ganztagsausschuss hat die Schule beschlossen, ab dem 01.09.2018 an der Schule Bonhoefferstraße regelhaft sowohl Fleisch- und Fischgerichte als auch vegetarisches Essen anzubieten, jedoch kein Halāl-Fleisch. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Seit wann und wodurch hat die Schulbehörde Kenntnis von den Konflikten zwischen Teilen des Elternrates und des Lehrerkollegiums/der Schulleitung erhalten? 2. Kam es zu Beleidigungen/Beschimpfungen von Vertretern des Elternrates (dem Vorsitzenden?) gegen Lehrer oder andere Mitarbeiter der Schule? Welche Beleidigungen/Beschimpfungen sind konkret gefallen? 3. Erfolgten die Beleidigungen/Beschimpfungen (auch teilweise) aus dem Grund, dass die Schulleitung der Forderung des Elternratsvertreters nicht nachkommen wollte/konnte, nur noch „halāles“ Fleisch anzubieten? 4. Kam es im Rahmen der Auseinandersetzungen auch zu körperlichen Angriffen oder verbalen (Gewalt-)Drohungen? Siehe Vorbemerkung. 5. Welche Sachverhalte haben das Landeskriminalamt und das Landesamt für Verfassungsschutz an der Schule untersucht und zu welchen Ergebnissen sind sie gelangt? Die Polizei erhielt den Hinweis auf eine Person, die sich islamistisch radikalisiert haben soll; polizeiliche Ermittlungen haben diesen Verdacht nicht bestätigt. Das Landesamt für Verfassungsschutz war nicht an der Schule Bonhoefferstraße tätig. 6. Ist es den staatlichen Hamburger Schulen erlaubt, Schulessen auf „halāl“ umzustellen? Bitte anhand der entsprechenden Rechtsvorschrift (en) umfassend erläutern. Nicht die staatlichen Schulen betreiben die Schulkantinen, sondern private Pächter. Staatliche Schulen sind bekenntnisneutral, sie achten die unterschiedlichen religiösen Bekenntnisse der Schülerinnen und Schüler, ohne eines dieser Bekenntnisse einseitig zu bevorzugen. Von daher wäre eine Bestimmung in einem Konzessionsvertrag, in dem der Pächter sich verpflichtet, ausschließlich Speisen entsprechend einer Weltanschauung oder einer Konfession anzubieten, rechtswidrig, siehe Artikel 137 Absatz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV). Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Wie stellt die BSB den Minderheitenschutz für deutsche Schüler (ohne muslimischen Migrationshintergrund) allgemein und speziell an der Grundschule Bonhoefferstraße sicher, die a) gerne weiter Schweinefleisch essen wollen, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14157 3 b) „halāles“ Fleisch schon aufgrund des grausamen Schächtens von Tieren ablehnen? Eltern und Schülerinnen sowie Schüler werden nach Auskunft der Schulen regelhaft über einen Mensa- oder Verpflegungsausschuss oder den Ganztagsausschuss in eine aktive Speiseplangestaltung eingebunden, siehe hierzu Drs. 21/1421. Im Übrigen siehe Antwort zu 6. 8. An wie vielen und an welchen staatlichen Hamburger Schulen wird im Rahmen der Schulspeisung a) kein Schweinefleisch mehr angeboten, b) ausschließlich „halāles“ Fleisch angeboten, c) teilweise für bestimmte Schüler „halāles“ Fleisch angeboten, d) ausschließlich vegetarisches Essen angeboten? Der für Bildung zuständigen Behörde ist keine allgemeinbildende Schule bekannt, an der der DGE-Standard nicht grundsätzlich eingehalten wird. Eine systematische Erfassung, welche Nahrungsmittel angeboten beziehungsweise nicht angeboten werden , erfolgt weder an den einzelnen Schulen noch durch die für Bildung zuständige Behörde, siehe auch Drs. 20/8989, Drs. 21/3606 sowie Drs. 21/4012. 9. Welche Kenntnisse hat der Senat/die BSB über weitere staatliche Hamburger Schulen, in denen Elternvertreter fordern, das Schulessen auf „halāl“ umzustellen? In der für Bildung zuständigen Behörde ist eine Grundschule bekannt, in der ein Konflikt durch die Intervention der Schulleitung einvernehmlich abgewendet werden konnte . 10. Was erhofft sich die BSB von der geplanten Mediation hinsichtlich des Schulessens und der weiteren Konflikte? Durch den angedachten Mediationsprozess werden eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und ein wertschätzender Umgang in der Schule Bonhoefferstraße unterstützt und ausgebaut. 11. Welche Kosten sind bisher für die folgenden Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Konflikt an der Grundschule Bonhoefferstraße angefallen ? a) Beauftragung/Anfertigung eines Mediationskonzeptes (inklusive Personalkosten) Keine. b) Überprüfung von Sachverhalten/Personen durch das Landeskriminalamt /Landesamt für Verfassungsschutz (inklusive Personalkosten ) Die der Polizei im Sinne der Fragestellung entstandenen Kosten werden nicht gesondert erhoben und sind generell von den im Haushalt der Polizei zur Verfügung stehenden Mitteln gedeckt. c) Weitere Unterstützungen/Interventionen durch die BSB (inklusive Personalkosten) Das Schulleitungsteam hat ein Beratungsangebot in Anspruch genommen, dessen Kosten nicht gesondert erhoben werden und generell durch die im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung veranschlagten Haushaltsmittel gedeckt sind.