BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14165 21. Wahlperiode 31.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 24.08.18 und Antwort des Senats Betr.: Fernwärmenetzrückkauf: Begutachtung bis das Ergebnis stimmt Die ursprünglich von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (BDO) vorgenommene objektivierte Unternehmensbewertung des Hamburger Fernwärmenetzes wurde mittlerweile durch ein Plausibilisierungsgutachten der PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC) bestätigt; der vom Gutachter ermittelte Unternehmenswert wurde vom Senat akzeptiert (siehe Drs. 21/13653). Trotz der bereits vollumfänglich vorliegenden Wertermittlung hat die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) jedoch nun gemäß seiner Antwort in Drs. 21/14013 ein weiteres Gutachten beauftragt, in dem verschiedene weiche Faktoren bemüht werden sollen, um potenziell doch noch einen höheren Kaufpreis rechtfertigen zu können. Als ein wesentlicher angeblich werterhöhender Faktor wird der Beitrag zur Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele der Stadt genannt. Es ist fraglich, ob die Beauftragung immer weiterer Gutachten zielführend ist, zumal angesichts der bekannten Sachlage von erheblichen Interessenkonflikten der Gutachter ausgegangen werden muss. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Nach Artikel 50 der Hamburgischen Verfassung sind Senat und Bürgerschaft gebunden , zulässige Volksentscheide umzusetzen. Mit dem Volksentscheid vom 22. September 2013 über die Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze ist der Senat verpflichtet, alle notwendigen und zulässigen Schritte zu unternehmen, um die Hamburger Energienetze wieder in die öffentliche Hand zu übernehmen. Dies betrifft nach Strom- und Gasnetz auch die Übernahme des zentralen Fernwärmenetzes der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH. In welchem Verhältnis der Volksentscheid zu weiteren, im Kontext der Umsetzung relevanten gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der LHO, § 7 (Wirtschaftlichkeits - und Sparsamkeitsgebot) steht, wird derzeit gutachterlich untersucht. Bisher wurde, wie im Vertragswerk zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) und Vattenfall vorgesehen, ein objektivierter Unternehmenswert nach dem Standard IDW S 1 ermittelt. Diese Ermittlung hat verbindlich ergeben, dass Vattenfall keinen Anspruch auf einen über dem vereinbarten Mindestpreis liegenden Kaufpreis hat. Eine Bewertung aus Käuferperspektive (entsprechend einem subjektiven Entscheidungswert nach IDW S 1) wurde damit nicht vorgenommen. Vor diesem Hintergrund wurde die LBD-Beratungsgesellschaft mbH von der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) beauftragt, ein Unternehmenskonzept und einen realistischen Businessplan für ein Fortführungskonzept der Fernwärme bei unternehmeri- Drucksache 21/14165 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 scher Führung durch die Freie und Hansestadt Hamburg zu erstellen. Dieser Auftrag zielt darauf ab, einen Unternehmenswert aus Käuferperspektive zu bestimmen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) wie folgt: 1) Welche konkreten „Synergien, die nicht in die Ertragswertbetrachtung eingeflossen sind“1, insbesondere auch welche klima-, energie- und standortpolitischen Effekte sollen im Gutachten in welcher Weise erfasst werden? (Bitte dezidiert und abschließend aufführen.) Im Vordergrund der Untersuchungen stehen Unternehmensplanungen, unter anderem Businessplanungen, Gewinn- und Verlustrechnungen und Cash-Flow-Effekte. Nicht monetär messbare Effekte (Schutz der Umwelt und des Klimas, regional ökonomische Effekte, soziale Aspekte und andere) werden nur qualitativ bewertet. Eine quantitative Bewertung dieser Effekte erfolgt nicht. a) Nach welcher Methodik wird der nicht monetäre Nutzen dieser Effekte quantifiziert und bewertet? b) Hat der beauftragte Gutachter die im Gutachten angewandte Methodik zur Quantifizierung und Bewertung des nicht monetären Nutzens bereits in der Vergangenheit für die Wertermittlung öffentlicher Unternehmen verwendet? Wenn ja, in welchen konkreten Projekten? c) Ist die im Gutachten angewandte Methodik wissenschaftlich evaluiert ? Wenn ja, welche Kritikpunkte werden gegen die Methodik vorgebracht und inwieweit wird diese Kritik im Gutachten berücksichtigt? Wenn nein, warum wird gerade diese Methodik angewandt? d) Welches Verfahren der Unternehmensbewertung kommt für die Kapitalisierung der Nutzenäquivalente zum Einsatz? Handelt es sich um Discounted Cash Flows? e) Welcher Kalkulationszinssatz wird verwendet und nach welcher Methode wird dieser bestimmt? Entfällt, im Übrigen siehe Antwort zu 1. 2) Wie hoch sind die Opportunitätskosten zur Erzielung der benannten klima -, energie- und standortpolitischen Effekte ohne den vollständigen Netzrückkauf, das heißt unter der Annahme der Fortführung im Status quo mit 25,1 Prozent städtischer Beteiligung? Auf welcher Grundlage und nach welcher Methodik werden diese ermittelt? Entfällt, im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3) Wann soll die Untersuchung der bei der Unternehmensbewertung bislang unberücksichtigten Synergieeffekte, insbesondere auch der klima-, energie- und standortpolitischen Effekte, abgeschlossen sein und bis wann soll das Gutachten der Öffentlichkeit vorliegen? Das oben genannte Gutachten wird der BUE Ende September vorliegen und nach Abnahme veröffentlicht. Einer Stellungnahme der BUE im „Hamburger Abendblatt“ vom 24.08.2018 zufolge wurden von ihr drei Gutachterbüros bezüglich der Erstellung des eingangs beziehungsweise in Drs. 21/14013 erwähnten weiteren Gutachtens zu 1 Vergleiche Senatsantwort zu Fragen 2 und 3 in Drs. 21/14013. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14165 3 den Synergieeffekten des angestrebten Fernwärmenetzrückkaufs angefragt. Den Zuschlag dafür erhielt die LBD-Beratungsgesellschaft mbH, Berlin. 4) Welche drei Unternehmen beziehungsweise Gutachter wurden von der BUE bezüglich der Erstellung des genannten Gutachtens jeweils wann genau auf jeweils welchem Wege angefragt? a) Warum wurden genau diese drei Unternehmen beziehungsweise Gutachter angefragt? b) Welche konkrete Frist für die Rückmeldung wurde ihnen in diesen Anfragen der BUE jeweils gesetzt? Welche Rückmeldungen wurden jeweils wann gegeben und welche Preisvorstellungen wurden dabei jeweils genannt? c) Welche konkrete Frist für die Erstellung des Gutachtens wurde in den Anfragen der BUE an die drei Unternehmen beziehungsweise Gutachter jeweils genannt? Die BUE hat den Auftrag im Rahmen einer Verhandlungsvergabe direkt an die LBD Beratungsgesellschaft mbH vergeben. Dem lag eine Markterkundung der HGV bei den Gutachterbüros BDO, PricewaterhouseCoopers und LBD Beratungsgesellschaft zugrunde. Die HGV hatte diese Gutachterbüros angefragt, da nur bei diesen eine ausreichende Vertrautheit mit den Umständen der Unternehmensbewertung und eine entsprechend kurzfristige Lieferbarkeit unterstellt werden konnte. Von den drei angefragten Gutachterbüros sah sich nur LBD in der Lage, zeitnah die Leistungen zu erbringen. Die HGV hat zusätzlich PwC mit einer Plausibilitätsprüfung in Bezug auf das LBD-Gutachten im Hinblick auf zusätzliche unternehmenswertrelevante Faktoren für ihre Bilanzierungszwecke beauftragt. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. d) Wann genau wurde der LBD Beratungsgesellschaft der Zuschlag durch die BUE erteilt? (Bitte jeweils die genauen Daten angeben.) Der Auftrag wurde mit Vertrag am 17. August 2018 erteilt.