BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14202 21. Wahlperiode 07.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 30.08.18 und Antwort des Senats Betr.: Entwicklung der gerichtlich bestellten Betreuungen in Hamburg (IV) Die rechtliche Betreuung ist ein Rechtsinstitut, durch das Volljährige Unterstützung , Hilfe und Schutz erhalten sollen, indem bestellte Betreuer sie unter gerichtlicher Aufsicht und unter Beachtung des jeweiligen Willens der betreuten Person nach außen hin vertreten. Die rechtliche Betreuung ist ein gesellschaftspolitisches Thema mit wachsender Bedeutung: Die Zahl der in Hamburg gerichtlich bestellten Betreuungen stieg in den letzten Jahren – wie aus den Antworten des Senats auf meine Schriftlichen Kleinen Anfragen Drs. 21/4128, Drs. 21/8089 und Drs. 21/12114 ersichtlich wurde – erheblich an. Gab es in Hamburg im Jahr 2010 noch 23.836 Betreuungen , waren es im Jahr 2017 bereits 26.174 geführte Betreuungen. Da zudem, unter dem Gesichtspunkt des demografischen Wandels, stetige Zuwächse die Regel sein werden, und Berufsbetreuer gleichzeitig aufgrund der anspruchsvollen, (zeit-)aufwendigen und finanziell ertragsarmen Arbeit vor erheblichen Nachwuchsproblemen stehen, besteht in diesem Bereich dringender Handlungs- und parlamentarischer Kontrollbedarf. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie hat sich die Anzahl der neu gestellten Anträge auf Betreuungen gemäß § 1896 BGB in Hamburg im ersten Halbjahr 2018 insgesamt entwickelt und wie viele Betreuungsverfahren waren im Jahr 2017 insgesamt anhängig? Im 1. Halbjahr 2018 sind 4.278 Betreuungen anhängig geworden. Im Übrigen siehe Drs. 21/12114. 2. Wie hat sich die Anzahl der Betreuer, differenziert nach Berufsbetreuern, Vereinsbetreuern und ehrenamtlichen Betreuern, im ersten Halbjahr 2018 entwickelt? Berufsbetreuer (Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als Berufsbetreuer, sonstige Berufsbetreuer ) Vereinsbetreuer Ehrenamtliche Betreuer (Familienangehörige, sonstige ehrenamtliche Betreuer) Anzahl der Betreuer im 1. Halbjahr 2018 14.341 1.606 7.158 3. Wie viele Betreuungen führt ein Berufsbetreuer durchschnittlich gleichzeitig ? Drucksache 21/14202 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Diese Daten werden statistisch nicht erfasst. Eine händische Auswertung aller Verfahrensakten ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Wie haben sich die Kosten für Betreuungen im Jahr 2017 sowie im ersten Halbjahr 2018 entwickelt? Zum Abschluss des Haushaltsjahres 2017 betrugen die Kosten für Betreuungen 33.108.377,86 Euro. Im ersten Halbjahr 2018 betrugen die Kosten für Betreuungen 17.615.403,81 Euro. 5. In der Drs. 21/12114 heißt es: „Der (von der IGES Institut GmbH im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz erstellte) Abschlussbericht behandelt die Frage, durch welche „anderen Hilfen“ rechtliche Betreuungen begrenzt und vermieden werden können und ob den Betreuungsbehörden die diesbezüglichen Informationen unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Bedarfe der betroffenen Person einerseits und der konkreten Möglichkeiten vor Ort andererseits in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es Potenzial zur Vermeidung von rechtlichen Betreuungen durch die verstärkte Vermittlung „anderer Hilfen“ gibt und nennt zur Hebung des Potenzials zahlreiche Ansatzpunkte.“ a. Welche Schlussfolgerungen haben die zuständigen Behörden daraus gezogen? Für Hamburg ergeben sich daraus keine Änderungen. Die Möglichkeit der Vermittlung „anderer Hilfen“ im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 8 des Betreuungsbehördengesetzes durch das Fachamt Hilfen nach dem Betreuungsgesetz des Bezirksamtes Altona ist ständige Praxis. b. Welche Maßnahmen werden seitens der zuständigen Stellen ergriffen , um Betreuungen möglichst zu vermeiden? c. Welche weiteren Maßnahmen sind geplant? Siehe Antwort zu 5. a. Die Nachrangigkeit der rechtlichen Betreuung wird dabei stets beachtet. Die Beratungsstelle für rechtliche Betreuung und Vorsorgevollmacht und die Hamburger Betreuungsvereine bieten regelmäßig Informationsveranstaltungen zum Thema Vorsorgevollmachten an. Durch die Erstellung von Vorsorgevollmachten können rechtliche Betreuungen vermieden werden. Die zuständige Behörde informiert die Hamburger Bürgerinnen und Bürger durch die Herausgabe der Broschüre „Ich sorge vor!“ über Vorsorgevollmachten mit beigefügtem Vollmachtsvordruck. Die Broschüre wurde bisher in einer Größenordnung von circa 950.000 Stück verteilt. Die Anzahl der durch das Fachamt Hilfen nach dem Betreuungsgesetz beglaubigten Vollmachten ist jährlich steigend. 6. Weiter heißt es in der Drs. 21/12114: „Unabhängig von den Prozessen auf Bundesebene stehen die Justizbehörde, die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz sowie das Fachamt für Hilfen nach dem Betreuungsgesetz des Bezirksamtes Altona in ständigem Austausch. Es handelt sich um einen neu angestoßenen Prozess, der sich um zielgerichtete und kurzfristige Verbesserungen für die Hamburger Betreuungsvereine bemüht.“ a. Welche zielgerichteten und kurzfristigen Verbesserungen wurden für die Hamburger Betreuungsvereine bereits erreicht? b. Welche weiteren Maßnahmen sind geplant? Die zuständige Behörde hat die Zuschüsse für den Querschnittsbereich der Betreuungsvereine (Werbung, Beratung, Fortbildung und Unterstützung ehrenamtlicher Betreuer, Beratung und Information zu Vorsorgevollmachten) zum 1. Juli 2018 um 25.000 Euro erhöht. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14202 3 Parallel werden auf Bundesebene und im Länderkreis intensive Gespräche zur Strukturreform im Betreuungswesen und – damit im Zusammenhang stehend – zur Erhöhung der Betreuervergütung geführt.