BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14212 21. Wahlperiode 11.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 03.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Von Block und Bleistift in den digitalen Streifenwagen – Wie sieht die moderne Polizei in Hamburg in Zukunft aus? Die Digitalisierung macht auch vor der Polizeiarbeit nicht Halt. Bisher sind Hamburgs Polizeibeamte im Kontakt zu Bürgern vor Ort, beispielsweise bei einem Verkehrsunfall oder der Aufnahme von Strafanzeigen, grundsätzlich noch immer auf „Block und Bleistift“ angewiesen: Personalien und Sachverhalt müssen am Einsatzort notiert werden und Nachfragen bei der Einsatzzentrale sind nur über Funk möglich. Die Vorgangsfertigung kann erst nach Rückkehr an die Dienststelle anhand der Abschriften aus dem Merkbuch erfolgen. Dieser langwierige Prozess entspricht nicht dem technischen Fortschritt und hat mehrere Nachteile. Der Vorgang als solcher ist zeitintensiv und Daten werden mehrfach erhoben. Auch birgt das bisherige Verfahren Gefahren für die Beamten selbst und für Dritte. Funkt ein Polizist beispielweise abseits, damit der Angehaltene es nicht mithören kann, kann ein erhebliches Sicherheitsrisiko für ihn entstehen. Um dem entgegenzuwirken, treibt die Polizei Hamburg seit Beginn des Jahres 2017 intensiv das Thema Digitalisierung voran. In Harburg läuft dazu zum Beispiel das Pilotprojekt „Mobile Polizeianwendungen“. „Die Zukunft ist der digitale Streifenwagen. Ein Einsatz kommt rein, die Einsatzdaten werden automatisch hochgeladen und die Navigation läuft an“, so fasst es Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer, in einem Interview mit der „WELT“ vom 26.02.2018 zusammen (https://www.welt.de/regionales/hamburg/ article173940884/Zentralisierung-Hamburgs-Schutzpolizei-unter-einem- Dach.html). „Ziel ist, dass jeder Beamte auf seinem Mobiltelefon Vorgänge bearbeiten, Lagedaten abfragen und sich über aktuelle Ereignisse informieren kann.“ Durch mobile Polizeianwendungen muss also deutlich weniger Arbeit im Nachhinein am Schreibtisch erledigt werden. Damit erhöht sich die Einsatzzeit der Polizei vor Ort. Schnellere Dienstleistungen, mehr Sicherheit und eine Verringerung des Arbeitsaufwandes sind die maßgeblichen Vorteile. In Niedersachen lief ein erfolgreiches Pilotprojekt dazu bereits 2016. Seitdem ist die dortige Polizei in Städten wie Hannover, Hameln und Göttingen mit mobilen Endgeräten unterwegs (https://www.mi.niedersachsen.de/aktuelles/ presse_informationen/pistorius-neue-tablets-verschaffen-der-polizei-mehreinsatzzeit -auf-der-strae-144490.html).  Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wann startete das Pilotprojekt „Mobile Polizeianwendungen“ in Harburg? Drucksache 21/14212 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das Pilotprojekt startete im Oktober 2016 am Polizeikommissariat (PK) 46. Es wurde im Oktober 2017 erfolgreich abgeschlossen und übergangslos in den regulären Betrieb integriert. a. Was umfasst es konkret? Das Pilotprojekt umfasste die Ausstattung von Angehörigen des Primärvollzuges des PK 46 mit Smartphones zur mobilen Nutzung von polizeilichen IT-Fachverfahren. b. Mit wie vielen und welchen Geräten sind wie viele Beamte im Rahmen des Projekts ausgestattet? Für die Pilotierung wurden insgesamt 88 Smartphones der Modelle Microsoft Lumia 650 und Microsoft Lumia 950 mit dem Betriebssystem WindowsPhone an das PK 46 ausgegeben. Die Geräte wurden den Beamten der Dienstgruppen (DG) A – D, der DG Operative Aufgaben und der DG Fahndung jeweils persönlich zugewiesen. c. Welche Kosten sind für das Projekt bisher im Einzelnen entstanden ? Aus welchen Produktgruppen wurden die Mittel zur Verfügung gestellt? Das Gesamtprojekt beinhaltete Ausgaben für die Erstellung der Infrastruktur, die Entwicklung der mobilen Anwendungen und den Kauf der mobilen Endgeräte. Bis Ende des Jahres 2017 wurden Mittel aus folgenden Produktgruppen bereitgestellt: Produktgruppe ungefähre Kosten in Euro 283.01 IT-Globalfond 973.000 275.13 Vollzugsunterstützung 582.000 275.11 Schutz- und Wasserschutzpolizei 196.000 Gesamtsumme 1.751.000 d. Was wurde bereits getestet? Die Polizei hat die mobile Version der Anwendung Computergestützte Vorgangsbearbeitung (ComVor) – „ComVor mobil“ – und die Anwendung „Messenger24“ getestet. „ComVor mobil“ ermöglicht den vor Ort tätigen Einsatzkräften, Vorgänge direkt am Einsatzort anzulegen und Informationen zum Vorgang (zum Beispiel Personalien, Örtlichkeiten, Kurztexte) zu erfassen. Diese Daten stehen im Rahmen der weiteren Sachbearbeitung uneingeschränkt zur Verfügung. Im Januar 2018 wurde ComVor mobil umbenannt in „mobile Sachbearbeitung“ (mSB). Die Anwendung „Messenger24“ ist eine Kommunikationsanwendung, die einen sicheren und datenschutzkonformen Informationsaustausch zwischen den Teilnehmern gewährleistet. Mit dieser Anwendung können unter anderem Nachrichten in Textform, Standorte der Teilnehmer sowie Fotos und Dateien aus dem Polizeinetz sicher ausgetauscht werden. Darüber hinaus umfasste die Pilotierung auch Abfragemöglichkeiten in polizeilichen Auskunftssystemen. e. Welche Erkenntnisse wurden bereits gewonnen und wie beurteilt die zuständige Behörde das Projekt? Die bisher gewonnenen Erkenntnisse sind überwiegend positiv. Die beschleunigte Sachbearbeitung vor Ort verbessert unmittelbar die Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Aktenzeichen stehen zum Beispiel direkt nach der Vorgangsanlage am Einsatzort zur Verfügung. Der Wegfall bisher noch erforderlicher Arbeitsschritte (Rückfragen über Funk an die Dienststelle perge, perge) führt grundsätzlich zu einer kürzeren Bearbeitungs- beziehungsweise Wartezeit vor Ort. Darüber hinaus entfällt der für Abfragen notwendige Funkverkehr und bisher von Abfragen betroffene Dienststellen werden entlastet. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14212 3 Die Dauer freiheitsbeschränkender Maßnahmen bei Betroffenen wird in Einzelfällen reduziert, Folgemaßnahmen wie zum Beispiel der Transport eines Betroffenen zu einem PK sind in Einzelfällen nicht mehr erforderlich. Die strukturierte Datenerfassung vor Ort unter Nutzung vorhandener Datenbestände erhöht durch Datenübernahme (statt Abschrift und Neueingabe) die Datenqualität. Die Möglichkeit einer sofortigen Einsichtnahme in polizeiliche Dateien reduziert potenzielle Gefährdungsmomente für die eingesetzten Polizeikräfte vor Ort. Darüber hinaus führen insgesamt beschleunigte Prozesse auch zu einer rascheren Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft zugunsten der polizeilichen Präsenz. Von Nutzern geäußerte Kritikpunkte beziehen sich bei den Smartphones auf die Hardwareausstattung, auf fehlende Funktionalitäten in den Anwendungen sowie die ungewohnte Bedienungsoberfläche. Bei der Anwendung „Messenger24“ wurden die Bedienbarkeit und der derzeitige Funktionsumfang kritisiert. Die Informationstechnik der Polizei arbeitet im Rahmen der regelmäßigen Fortentwicklung der mobilen Anwendungen sukzessiv neben der Fehlerbehebung an einer Erweiterung des Funktionsumfangs der mobilen Anwendungen. Für die Polizei hat die konsequente mobile Ausrichtung der polizeilichen Kommunikationstechnologie eine hohe Priorität. 2. Welche Planungen bestehen zur Ausweitung des Projekts? a. Zu wann ist eine flächendeckende Ausstattung geplant? Die Polizei hat seit Oktober 2017 weitere Smartphones sukzessiv zunächst an die anderen sieben Regional-PK (14, 21, 23, 31, 37, 41 und 43) sowie Teilbereiche der Wasserschutzpolizei, des Landeskriminalamtes (LKA) und der Bereitschaftspolizei ausgegeben, sodass der aktuelle Bestand insgesamt bei rund 1.400 Geräten liegt. Der weitere Schwerpunkt liegt zunächst auf der Konsolidierung und Weiterentwicklung . Siehe auch Antwort zu 3. b. Für künftige mobile Nutzung ist auch die Entwicklung der Leitstellentechnik und Funktionalität zu berücksichtigen. b. Welcher finanzielle Aufwand würde bei einer flächendeckenden Ausstattung entstehen? Für 2018 sind bisher folgende Kosten veranschlagt: Kostenbezeichnung Produktgruppe Kosten in Euro Technischer Betrieb bei Dataport 275.13 Vollzugsunterstützung 221.000 Software-Entwicklung 283.01 IT-Globalfond 570.000 Im Rahmen einer Kooperation mit dem Land Baden-Württemberg ist eine Kostenteilung bezüglich der Softwareentwicklung vereinbart, sodass Hamburg lediglich die Hälfte dieser Kosten trägt. Die jährlichen Betriebskosten pro Smartphone liegen bei rund 690 Euro. 3. Welche weiteren Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung wurden bei der Polizei Hamburg jeweils wann eingeleitet? Seit Oktober 2017 können Bewerbungen für den Polizeivollzugsdienst bei der Polizei Hamburg online erfolgen. Die Onlinebewerbung beinhaltet auch die digitale Übersendung der erforderlichen Dokumente. Der Bewerbungsprozess wird hierdurch erleichtert und beschleunigt. Die Polizei Hamburg stellt im Zusammenhang mit besonderen Großlagen/-schadensereignissen eine Adresse für das Hochladen von Fotos und Filmen, welche der Polizei in großen Mengen übermittelt werden, zur Verfügung. Im Januar 2018 hat die Polizei Hamburg im Verbund mit den Polizeien der Länder Bremen und Schleswig-Holstein ein Projekt für die Auswertung dieser Daten in einer gesicherten Infrastruktur („Boston -Auswerte-Infrastruktur“ (BAI)) begonnen; die Inbetriebnahme ist noch für 2018 geplant. In einer späteren Ausbaustufe ist die Nutzung auch außerhalb von Großlagen Drucksache 21/14212 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 vorgesehen. Ziel ist, eine Übernahme von Bildern und Dokumenten von Bürgern (zum Beispiel selbst erstellte Fotos eines Verkehrsunfalls) auf die mobilen Endgeräte der Polizei zu ermöglichen und sie von dort über die BAI zur weiteren Bearbeitung in einen Vorgang zu integrieren. Im Übrigen siehe Drs. 21/5844. a. Welche Kosten sind dafür bereits im Einzelnen entstanden und aus welchen Produktgruppen wurden die Mittel zur Verfügung gestellt? Die Kosten verteilen sich wie folgt: Kostenbezeichnung Produktgruppe Höhe in Euro Onlinebewerbung 275.13 Vollzugsunterstützung 20.000 Projekt BAI 283.01 IT-Globalfond 504.000 Im Rahmen der Kooperation beim Projekt BAI mit den Polizeien der Länder Bremen und Schleswig-Holstein trägt Hamburg ein Drittel der Kosten. Die für den technischen Betrieb bei Dataport entstehenden jährlichen Kosten für die Onlinewache und das Verfahren „Polizeiliche Aktenkurzinformation Verkehrsunfall“ (PAV) sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Kostenbezeichnung Produktgruppe Höhe in Euro Onlinewache 275.13 Vollzugsunterstützung 2.300 PAV 275.13 Vollzugsunterstützung 6.000 b. Welche weiteren Maßnahmen sind geplant? Der Schwerpunkt liegt auf der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Anwendungen für mobile Endgeräte, um Einsatzkräften von jedem Ort aus jederzeit möglichst umfassenden Zugriff auf alle zur Aufgabenerfüllung benötigten Informationen zu ermöglichen. Dies umfasst beispielsweise auch die Erweiterung auf das Intranet der Polizei oder einen Zugang zu jeweils aktuellen Lageinformationen. Darüber hinaus prüft die Polizei im Rahmen der Digitalisierungsstrategie der Freien und Hansestadt Hamburg unter Federführung der Senatskanzlei, Amt für Informationstechnik und Digitalisierung , für geeignete Geschäftsprozesse die Einführung eines elektronischen Dokumentenmanagementsystems („Dokumenten- und Informationsmanagement“ (DIM)).