BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14248 21. Wahlperiode 11.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 05.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Regionale Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) lassen Schüler mit Förderbedarfen erneut im Stich – Bescheide für Schulbegleitungen verärgern Schulen, betroffene Eltern und GBS- beziehungsweise GTS- Träger (Nachfragen) Die Anzahl notwendiger Schulbegleitungen an Hamburgs Schulen ist insgesamt gestiegen, sodass das bisher hierfür festgelegte Budget in einer Nachtragsdrucksache erhöht werden musste. Erhielten im Schuljahr 2011/2012 noch etwa 460 Kinder an allgemeinbildenden Schulen eine Schulbegleitung, so hat sich diese Zahl im Schuljahr 2016/2017 auf 1.874 erhöht. Entsprechend sind die Ausgaben von circa 3 Millionen Euro im Jahr 2011 auf 15,43 Millionen Euro erhöht worden, um der Aufgabe Inklusion gerecht zu werden. Für einzelne Fälle von bereits bestehenden Schulbegleitungen bedeutete dieser Anstieg von Schulbegleitungen und Kosten jedoch paradoxerweise eine Kürzung der Betreuung: Indem der Senat die magische Zahl von zehn Stunden Schulbegleitung flächendeckend für alle einführte, bedeutete dies für einzelne Kinder zum Teil eine Kürzung von bis zu 50 Prozent. Wenn Inklusion nicht scheitern soll, ist es notwendig, dass Schulbegleitungen für eine Akzeptanz und zum Erfolg des Kindes im Schulablauf führen. Hierfür muss der Senat ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stellen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der von der Fragestellerin dargestellt Sachverhalt trifft nicht zu. Eine flächendeckende Kürzung auf zehn Stunden bei der Schulbegleitung ist bei beiden Verfahren nicht erfolgt. Ferner hat sich der Anstieg der Schulbegleitungen im ReBBZ-Verfahren im Schuljahr 2017/2018 mit 1.008 Schülerinnen und Schüler nicht fortgesetzt. Auch bestehen für das ReBBZ-Verfahren keine Nachforderungen, vielmehr hat der Senat für die Schulbegleitungen bei Vorliegen geistiger oder körperlich-motorischer Entwicklungsdefizite zusätzliche Haushaltsmittel veranschlagt. Die gegenwärtig geltenden Verfahren zur Steuerung des Einsatzes von Schulbegleitungen auf Rechtsgrundlage des § 12 Absatz 4 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) wurden in den Jahren 2014 und 2015 schrittweise eingeführt und seitdem erfolgreich umgesetzt. Der Verfahrensablauf wird durch die beiden nachfolgend genannten Dienstanweisungen umfassend geregelt: Dienstanweisung zum Einsatz von Schulbegleitungen für Schülerinnen und Schüler mit erheblichem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf aufgrund einer Behinderung (vom 01.03.2015) und Drucksache 21/14248 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dienstanweisung zum Einsatz von Schulbegleitungen für Schülerinnen und Schüler mit erheblichem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf aufgrund einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung (vom 25.03.2014). Siehe hierzu www.schulrechthamburg.de (1.11. „Besondere Fördermaßnahmen“, hier die Dokumente 1.11.21 und 1.11.22). Auf Grundlage dieser Dienstanweisungen erfolgt die Ermittlung eines Bedarfs für eine Schulbegleitung entweder im Rahmen einer Fallbearbeitung durch die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) für die Gruppe von Schülerinnen und Schülern mit Unterstützungsbedarf aufgrund einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung oder durch die Fachberatung der für Bildung zuständigen Behörde für die Gruppe der Schülerinnen und Schülern mit Unterstützungsbedarf aufgrund einer Behinderung . Im Übrigen siehe Drs. 21/12544. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Schulbegleitungen gab es im Schuljahr 2017/2018? 2. Welche davon waren a) Neubedarfe? b) Welche sind fortführende Schulbegleitungen? Im Schuljahr 2017/2018 haben 1.008 Schüler und Schülerinnen eine Schulbegleitung gemäß dem ReBBZ-Verfahren erhalten. Die Zahl der Neubedarfe beläuft sich auf 284 Schulbegleitungen. 724 waren fortführende Schulbegleitungen. 3. Wie hoch belaufen sich die Haushaltsmittel für Schulbegleitungen für die Jahre 2017 und 2018? Haushaltsmittel für Schulbegleitungen bei Vorliegen komplexer psychosozialer Beeinträchtigungen sind für die Jahre 2017 und 2018 noch im Einzelplan 4.0 veranschlagt. Haushaltsmittel für Schulbegleitungen bei Vorliegen geistiger oder körperlichmotorischer Entwicklungsdefizite sind für die Jahre 2017 und 2018 in Höhe von jährlich 4,5 Millionen Euro im Einzelplan 3.1 veranschlagt. 4. Welche Nachforderungen waren aus welchen Gründen für 2017 beziehungsweise 2018 erforderlich? Für das ReBBZ-Verfahren bestehen keine Nachforderungen. Der Senat hat bei der Bürgerschaft jedoch für das Jahr 2018 zusätzliche Haushaltsmittel für Schulbegleitung bei Vorliegen geistiger oder körperlich-motorischer Entwicklungsdefizite beantragt (Drs. 21/13971). Veranschlagten Haushaltsmitteln von 4,5 Millionen Euro für Schulbegleitungen bei Vorliegen geistiger oder körperlichmotorischer Entwicklungsdefizite standen 2017 Ist-Kosten von 6,1 Millionen Euro gegenüber. Dieser Mehrbedarf konnte 2017 innerhalb der Produktgruppe 240.01 „Soziale Leistungen für Schüler/Innen“ gedeckt werden. Für 2018 wurden in Erwartung ähnlich hoher Ist-Kosten und verringerter Deckungsmöglichkeiten innerhalb der Produktgruppe 240.01 zusätzliche Haushaltsmittel in Höhe von 1 Million Euro beantragt (vergleiche Anlage 1 zu Drs. 21/13971 (Produktgruppe 240.01, hier: Kosten aus laufender Verwaltungstätigkeit)). 5. Warum werden die Finanzmittel im Haushalt unter Schulbegleitungen und Mittagessen subsummiert? Welcher Zusammenhang besteht zwischen den beiden Aufgaben? In der Produktgruppe 240.01 „Soziale Leistungen für Schüler/Innen“ werden seit dem Haushaltsjahr 2014 mit der Umsetzung der „Strategischen Neuausrichtung des Haushaltswesens “ (SNH) für den Einzelplan 3.1 (vergleiche Drs. 20/9096) verschiedene soziale Leistungen für bedürftige Schülerinnen und Schüler veranschlagt (vergleiche Vorwort zum Aufgabenbereich 240 beispielsweise im Haushaltsplan 2017/2018). Ein Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14248 3 darüber hinausgehender fachlicher Zusammenhang zwischen Schulbegleitungen und Zuschüssen zur Mittagsverpflegung besteht nicht. 6. In der Nachtragsdrucksache werden 2 Millionen Euro für Schulbegleitungen und Mitttagessen festgelegt. Wie hoch ist der Anteil an dieser Summe für Schulbegleitungen? Siehe Antwort zu 4. 7. Mit welcher Begründung wurde im Schuljahr 2017/2018 beziehungsweise für das Schuljahr 2018/2019 Kindern die Schulbegleitung gestrichen beziehungsweise auf zehn Stunden gekürzt (bitte je Bezirk und zuständigem ReBBZ die Gesamtzahl der Streichungen sowie der prozentualen Kürzungen aller betroffenen Schulen aller Schulformen angeben)? Die ReBBZ reduzieren beziehungsweise erhöhen die Anzahl an Schulbegleitungsstunden im Verlauf nach fachlichen Gesichtspunkten, eine pauschale Kürzung auf zehn Stunden erfolgte nicht. Ebenso verhält es sich bei der Beendigung von Schulbegleitungen . Die ReBBZ gehen von der Grundannahme aus, dass Schulbegleitung eine temporäre Unterstützungsmaßnahme ist. Wenn im Verlauf des Beratungs- und Unterstützungsprozesses durch die pädagogischen Maßnahmen der bisherige Umfang der Schulbegleitung nicht länger als notwendig erachtet wird, ist die Reduzierung dieser Sondermaßnahme ein Indiz für erfolgreiche Arbeit, da die Teilhabe am schulischen Geschehen ohne eine zusätzliche Unterstützung das Ziel der Maßnahme ist. Sollte sich im Beratungs- und Unterstützungsprozess hingegen herausstellen, dass der bisherige Umfang der Schulbegleitung nicht ausreicht, kann im Ergebnis der fachlichen Prüfung der Umfang der Stunden auch erhöht werden. Im Übrigen siehe Anlage sowie Vorbemerkung. 8. Welche Möglichkeiten haben Eltern, sich gegen die – aus Elternsicht – unbegründeten Kürzungen zu wehren? Gibt es eine Widerspruchsstelle? Ein wesentlicher Grund für die Umstellung des Schulbegleitungsverfahrens im Jahr 2014 war das Bestreben, Sorgeberechtigte von bürokratischen Verfahrenshürden zu entlasten, indem das Verfahren der Antragstellung der Sorgeberechtigten bei den Jugendämtern auf die Schule des Kindes und das zuständige ReBBZ vorverlagert wurde, um damit auch eine schnellere Fallbearbeitung zu gewährleisten. Dieses Ziel ist vollumfänglich erreicht worden. Stellt sich bei einem Kind die Frage nach Unterstützung in Form einer Schulbegleitung, wird dieser Bedarf von der Schule angemeldet und daraufhin von Beratungsfachkräften der ReBBZ überprüft und gegebenenfalls bestätigt. Die Perspektive der Sorgeberechtigten wird bereits während des Beratungsprozesses , der einer Schulbegleitungsmaßnahme vorausgeht, einbezogen und fließt in die Bemessung einer Schulbegleitung nach Art und Umfang ein. Sind die Sorgeberechtigten mit dem ihnen vom ReBBZ mitgeteilten Umfang einer Schulbegleitungsmaßnahme nicht einverstanden, haben sie die Möglichkeit, sich entweder an die Schule oder direkt an das zuständige ReBBZ zu wenden und sich die Gründe für die Entscheidung erläutern zu lassen. Es liegt im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten , Akzeptanz für die Entscheidung herzustellen und den Entscheidungsprozess transparent zu kommunizieren. Dieses gilt insbesondere bei der Reduzierung des Stundenumfangs einer Schulbegleitungsmaßnahme, die in der Regel in der sukzessiven Verbesserung der Teilhabe der Schülerin oder des Schülers begründet ist. Siehe auch Drs. 21/12544. 9. Wie viele Schulbegleitungen sind in den letzten zwei Schuljahren abgebrochen worden, da sie nicht den gewünschten Inklusions-Erfolg ermöglichten und auf welche Weise wurde seitens der zuständigen Behörde in diesen Fällen weiter verfahren? Die erfragten Daten werden in dieser Form nicht statistisch erfasst. Jede Schulbegleitung ist eingebettet in den Beratungsprozess der ReBBZ, in dem auch der Bedarf nach weiteren Unterstützungsangeboten bearbeitet wird. Drucksache 21/14248 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Beendigungen und Stundenkürzungen auf 10 Stunden von Schulbegleitungsmaßnahmen im SJ 2017/18 ReBBZ Schulform Anzahl Beendigungen Anzahl Kürzungen auf 10 Std. Höhe Kürzungen in % * Altona Grundschule 11 >5 23 Stadtteilschule 9 >5 9 Gymnasium >5 >5 17 Sonderschule / ReBBZ >5 0 0 Altona West Grundschule 11 >5 23,08 Stadtteilschule 5 >5 33,33 Gymnasium >5 0 0 Sonderschule / ReBBZ >5 0 0 Bergedorf Grundschule 12 >5 51,8 Stadtteilschule 18 0 0 Gymnasium 0 0 0 Sonderschule / ReBBZ 5 0 0 Billstedt Grundschule 16 >5 44 Stadtteilschule 14 >5 50 Gymnasium 6 >5 50 Sonderschule / ReBBZ 7 0 0 Eimsbüttel Grundschule 17 5 35,1 Stadtteilschule 20 >5 27,3 Gymnasium >5 0 0 Sonderschule / ReBBZ 8 >5 16,7 Harburg Grundschule 12 >5 23 Stadtteilschule 14 >5 33 Gymnasium >5 0 0 Sonderschule / ReBBZ 7 0 0 Mitte Grundschule 8 0 0 Stadtteilschule >5 0 0 Gymnasium 0 0 0 Sonderschule / ReBBZ >5 0 0 Nord Grundschule 5 >5 26 Stadtteilschule 15 >5 17 Gymnasium >5 0 0 Sonderschule / ReBBZ >5 0 0 Süderelbe Grundschule >5 >5 33 Stadtteilschule >5 >5 41 Gymnasium 0 0 0 Sonderschule / ReBBZ >5 0 0 Wandsbek Nord Grundschule 16 8 26 Stadtteilschule 13 >5 25 Gymnasium >5 0 0 Sonderschule / ReBBZ >5 0 0 Wandsbek Süd Grundschule 24 >5 36,5 Stadtteilschule 13 >5 29,8 Gymnasium >5 0 0 Sonderschule / ReBBZ >5 0 0 Wilhelmsburg Grundschule >5 >5 33 Stadtteilschule 6 >5 43 Gymnasium >5 >5 43 Sonderschule / ReBBZ >5 >5 33 Winterhude Grundschule 12 >5 37,5 Stadtteilschule 24 >5 34,4 Gymnasium 0 0 0 Sonderschule / ReBBZ >5 0 0 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14248 5 Quelle: Interne Daten der zuständigen Behörde, Stand September 2018 * Dieser Mittelwert wird aus der Differenz des Stundenvolumens zum Bewilligungsbeginn und zum Bewilligungssende des Einzelfalls gebildet.