BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14250 21. Wahlperiode 11.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 05.09.18 und Antwort des Senats Betr.: 100 Tage Dieselfahrverbote Am 31.05.2018 traten in Hamburg in der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße als „Durchfahrtsbeschränkungen“ bezeichnete Fahrverbote in Kraft. Ziel dieser Fahrverbote ist angeblich die Reduzierung der Luftverschmutzung der entsprechenden Straßenabschnitte durch Stickoxide. Nach nunmehr über 100 Tagen, die diese Verbote in Kraft sind, ist es angebracht , ihre Effizienz, Kosten und Nutzen einmal gegenüberzustellen und zu bewerten. Wie in vorangegangenen Anfragen wie Drs. 21/13159 bereits formuliert wurde, gibt es erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der umgesetzten Maßnahme. Die Verhältnismäßigkeit wird jedoch in dem hier einschlägigen Urteil des BVerwG vom 27. Februar 2018 (Az. 7 C 26.16) eindeutig gefordert. Es muss im Hinblick auf die Bedürfnisse der Hamburger Anwohner und Steuerzahler verhindert werden, dass durch unverhältnismäßige Maßnahmen mehr Staus und Umweltbelastungen entstehen und dafür noch Gelder verschwendet werden, die effizienter und sinnvoller eingesetzt werden könnten. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: 1. Wie stark sind die Luftverschmutzungswerte der hier relevanten Messpunkte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen? Die Beurteilung der Luftqualität in Hamburg erfolgt anhand der Gegenüberstellung der Luftqualitätsmesswerte der amtlich installierten Luftmessstationen mit den entsprechenden Immissionsgrenzwerten der 39. Bundes-Immissionsschutzverordnung (39. BImSchV). Demnach wird der NO2-Jahresmittelgrenzwert an den verkehrsnahen Luftmessstationen überschritten. Die Messwerte der stationären Luftmessstellen Max-Brauer-Allee II und Stresemannstraße werden unter http://luft.hamburg.de veröffentlicht. 2017 betrug der NO2-Jahresmittelwert an der verkehrsnahen Luftmessstation Stresemannstraße 48 µg/m³ (Messhöhe 1,5 m) beziehungsweise 45 µg/m³ (Messhöhe 4 m) und an der Max-Brauer-Allee 46 µg/m³ (Messhöhe 1,5 m) beziehungsweise 42 µg/m³ (Messhöhe 4 m). Der NO2-Jahresmittelwert für das aktuelle Kalenderjahr wird nach Abschluss der Messung und entsprechender Qualitätssicherung Anfang 2019 vorliegen . 2. Wie viele Bürgerbeschwerden, Klagen oder vergleichbare Eingaben hat es in Bezug auf die umgesetzten Fahrverbote bisher gegeben? Eine statistische Auswertung der Bürgeranfragen bei der Behörde für Umwelt und Energie für das Jahr 2018 erfolgt Anfang 2019. Drucksache 21/14250 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bei der Polizei sind im Sinne der Fragestellung bisher registriert: eine Klage, die sich auf Durchfahrtsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge in der Max-Brauer-Allee bezieht, ein Widerspruchsverfahren, das sich auf Durchfahrtsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge in der Stresemannstraße bezieht, eine Beschwerde über den gewählten Standort eines konkreten Verkehrszeichens. Darüber hinaus liegen der Polizei Beschwerden im Sinne der Fragestellung derzeit nicht vor. Im Bezirksamt Altona sind im laufenden Jahr zwei Eingaben/Beschwerden über das Dieselfahrverbot eingegangen. Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation führt keine Statistik über Bürgerbeschwerden , Klagen oder vergleichbare Eingaben bezüglich der Durchfahrtsbeschränkungen . 3. Wie hoch sind die bisherigen Kosten für Aufbau und Instandhaltung der Hinweisbeschilderung, Informationsveröffentlichungen und „Werbemaßnahmen “ für die umgesetzten Fahrverbote? Für einen Infoflyer (Auflage 20.000 Stück) zur Dieseldurchfahrtsbeschränkung und ein Verkehrsschildmuster wurden insgesamt (inklusive Mediengestaltung, Material, Druck, Anlieferung und Vertrieb) 3.372,00 Euro aufgewendet. Alle weiteren Maßnahmen zur Information der Presse und Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Einführung der Dieseldurchfahrtsbeschränkungen wurden von den zuständigen Behörden im Rahmen der regelhaften Aufgabenwahrnehmung umgesetzt . Die bisherigen Kosten für den Aufbau der Beschilderung für die Durchfahrtsbeschränkungen (Verbotsschilder und Umleitungsbeschilderung auf den Alternativrouten) betragen 402.720,00 Euro. 4. Wie hoch sind die bisherigen Kosten für Polizeieinsetze zur Kontrolle und Durchsetzung der Fahrverbote? Bitte anhand der aufgewendeten Mannstunden und Einsatzmittel schätzen. Kosten für Einsätze der Polizei Hamburg werden nicht für jeden Einsatz gesondert erhoben. Sie sind jedoch generell von den im Haushalt der Polizei zur Verfügung stehenden Mitteln gedeckt. 5. Wie hat sich die Unfallstatistik in den relevanten Straßenabschnitten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entwickelt? Kam es zu mehr Unfällen vor den gesperrten Abschnitten oder den Ausweichrouten? Die nachfolgenden Verkehrsunfalldaten sind am 6. September 2018 durch Abfragen in der Unfalldatenbank Elektronische Unfalltypensteckkarte (EUSka) ermittelt worden. Für das Jahr 2018 liegen vorläufige Verkehrsunfalldaten bis einschließlich Juni vor. Die für die relevanten Straßenabschnitte und den ausgewiesenen Ausweichstrecken registrierten Verkehrsunfallzahlen der Monate Juni 2017 und 2018 sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Anzahl Unfälle Juni 2017 Juni 2018 Abschnitt Max-Brauer-Allee 2 4 Ausweichstrecken Max-Brauer-Allee 16 19 Abschnitt Stresemannstraße 26 22 Ausweichstrecken Stresemannstraße 169 145 Darüber hinaus ist eine weitere Beantwortung der Fragestellung aufgrund einer fehlenden Definition der auszuwertenden Abschnitte nicht möglich. 6. Wie hoch ist der Anteil der Fahrzeughalter, die das Fahrverbot missachten ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14250 3 Statistische Daten im Sinne der Fragestellung werden von der Polizei nicht erhoben. 7. Wie hoch sind die Einnahmen durch verhängte Bußgelder? Die Statistik der zuständigen Behörde lässt bis zum 31. Juli 2018 keine Differenzierung im Sinne der Fragestellung zur Auswertung zu. Bis 31. Juli 2018 wurden bei festgestellten Verstößen gegen das Dieselfahrverbot verschiedene in Betracht kommende Tatbestände genutzt. Es handelt sich bei den Tatbestandsnummern unter anderem um Anzeigen wegen Verstößen gegen die Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) beziehungsweise Zeichen 253 (Verbot für Kraftfahrzeuge über 3,5t). Die Angabe eines entsprechenden Zusatzzeichens (Diesel bis Euro 5/V) wurde bei dem entsprechenden Tatvorwurf nicht verlangt. Eine Auswertung bis zu dem genannten Stichtag müsste nach Tatort erfolgen und würde daher die nachträgliche und händische Auswertung sämtlicher Verfahren mit den entsprechenden Tatbeständen erfordern. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Nachdem zum 01. August 2018 besondere sogenannte Auffangtatbestände zur alleinigen Nutzung bei festgestellten Verstößen gegen die eingerichteten Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge eingeführt wurden, ist ab Tattag 01. August 2018 eine entsprechende statistische Differenzierung möglich (siehe folgende Übersicht). Für die ab 01. August 2018 angezeigten Tatbestände sind bisher kaum Einnahmen zu verzeichnen. Dies ist dem Umstand des noch recht kurzen Zeitraums seit Tattag (maximal fünf Wochen) geschuldet. Zur Verdeutlichung der möglichen Einnahmen sind in der Übersicht die Regelsätze der Tatbestände aufgeführt. Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge bis Euro 5/V (ab Tattag 01. August 2018) Tatbestandsnummer Tatbestandstext Anzahl Fälle Regelbetrag bisherige Einnahmen 910000 Sie benutzten mit einem Kraftfahrzeug den Verkehrsbereich , obwohl dieser für Dieselfahrzeuge bis einschl . Euro V durch Zeichen 251 mit Zusatzzeichen gesperrt war. 28 20,00 € 40,00 € 910100 Sie benutzten mit einem Kraftfahrzeug bis 3,5 t zul. Gesamtmasse mit Anhänger oder einem Kraftomnibus den Verkehrsbereich, obwohl dieser für Dieselfahrzeuge bis einschl. Euro V durch Zeichen <251/253> mit Zusatzzeichen gesperrt war. 5 25,00 € 910200 Sie benutzten mit einem Kraftfahrzeug über 3,5 t zul. Gesamtmasse (ausgenommen PKW und KOM) den Verkehrsbereich, obwohl dieser für Dieselfahrzeuge bis einschl. Euro V durch Zeichen <251/253> mit Zusatzzeichen gesperrt war. 3 75,00 € Gesamt 36 40,00 € 8. Wie hat sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Stausituation auf den ausgewiesenen Ausweichstrecken entwickelt? Drucksache 21/14250 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Stausituationen können durch Baustellen, Unfälle und sonstige temporäre Störungen entstehen. In den zuständigen Behörden gibt es derzeit keine Erkenntnisse über Staubildungen, die sich auf die Dieseldurchfahrtsbeschränkungen zurückführen ließen . Im Übrigen werden Stausituationen statistisch und messtechnisch nicht erfasst. 9. Fahren in den gesperrten Abschnitten noch ÖPNV-Kfz, die die vorgeschriebenen Abgasklassen nicht erfüllen? Nein. 10. Welches Fazit für den weiteren Betrieb dieser oder ähnlicher Fahrverbotsstrecken zieht der Senat aus den bisherigen Erkenntnissen? Die Maßnahmen dienen der schnellstmöglichen Einhaltung des NO2-Jahresmittelwertes an den betreffenden Straßenabschnitten. Aussagen zur Wirksamkeit können somit erst nach Berechnung des relevanten Jahresmittelwertes getroffen werden.