BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14265 21. Wahlperiode 14.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Deniz Celik und Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 06.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Medizinische Versorgung in der Erstaufnahmeeinrichtung Horst? In der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Horst in Mecklenburg- Vorpommern werden zum Teil auch Asylsuchende aus Hamburg untergebracht . Eine unzureichende medizinische Versorgung wurden wiederholt in den Medien thematisiert, zuletzt mit einem Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen einen Arzt, der eine Frau bei der Blutabnahme so stark verletzte, dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste (https://www.svz.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/gefluechtete-inhorst -bei-blutprobe-verletzt-id19294851.html). Es stellt sich die Frage, wie gut die medizinische Versorgung der in Horst untergebrachten Menschen gewährleistet ist. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Angaben des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Landesamt für innere Verwaltung, Amt für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten. Die Unterbringung von Asylbewerbern in der Erstaufnahmeeinrichtung (EA) in Nostorf/Horst erfolgt nach der zugrunde liegenden Verwaltungsvereinbarung der Länder Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern über die Mitnutzung der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber und Asylbewerberinnen vom 8. November 2012 nach den dortigen Standards mit bis zu 200 Personen. Die Betreuung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in der EA des Landes Mecklenburg- Vorpommern wird nach europaweiten Ausschreibungen seit Eröffnung der EA von der MW Malteser Werke gemeinnützige GmbH (Malteser) erbracht. Im geltenden Betreibervertrag sind gemäß der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 vielfältige Vorgaben zur Betreuung besonders schutzbedürftiger Personen enthalten. Zum 30. September 2019 ist aufgrund der aktuellen Zugangszahlen und der Bedarfssituation der Vertrag mit dem Land Mecklenburg- Vorpommern gekündigt worden. Die Belegung durch Hamburg wird sukzessive zurückgefahren. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Menschen sind zurzeit (Stichtag 1.8.2018) in der Erstaufnahmeeinrichtung in Horst untergebracht? Bitte aufschlüsseln nach Geschlecht, Erwachsene oder Kinder, Herkunftsland und Erstsprache und bitte angeben, wie viele aus der Zuständigkeit von Hamburg nach Horst verteilt wurden. Nach einer Auswertung zum 01. August 2018 lebten in der Erstaufnahmeeinrichtung (EA) Nostorf/Horst 130 Bewohnerinnen und Bewohner aus der Zuständigkeit der Ausländerbehörde Hamburg. Drucksache 21/14265 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Übersicht nach Geschlecht, Erwachsenen und Kindern: Geschlecht Erwachsene Kinder männlich 63 20 weiblich 25 22 gesamt 88 42 Übersicht nach Herkunftsland: Herkunftsland Anzahl Bewohner und Bewohnerinnen Kosovo, Republik 6 Türkei 61 Afghanistan 34 Irak 15 Staatsangehörigkeit ungeklärt 4 Sonstige 10 gesamt 130 Merkmale zur Sprache werden nicht standardmäßig erfasst. Folgende Daten sind vorhanden: Sprache  Anzahl Bewohner und Bewohnerinnen Ohne Angabe 33 Arabisch 5 Kurdisch 21 Albanisch 6 Serbisch 5 Türkisch 49 Sonstige 11 gesamt 130 2. Sind in Horst sogenannte Überresidente untergebracht? Falls ja, wie viele Menschen sind das und wie viele kommen aus der Zuständigkeit Hamburgs? Nein. Medizinische Versorgung in der Einrichtung 3. Haben die Bewohner/-innen aus Hamburg von Beginn an eine Gesundheitskarte der AOK Bremen oder wie lange dauert es gegebenenfalls, bis eine solche Chipkarte ausgestellt wird? Die Anmeldung bei der AOK Bremen/Bremerhaven erfolgt im Rahmen der ersten Leistungsgewährung . Der Antragsteller erhält für Arztbesuche eine Bestätigung über die Anmeldung zur Vorlage beim Arzt. Sobald die Gesundheitskarte vorliegt, wird sie an den Antragsteller ausgegeben. Dies dauert derzeit wie für alle Versicherten, die eine Krankenkassenkarte neu beantragen, sechs bis acht Wochen. 4. Ermöglicht die Chipkarte die freie Arztwahl außerhalb der Einrichtung? Falls ja, wie ist der Transport in die Praxen ermöglicht? Es besteht freie Arztwahl. Ärzte können mit dem öffentlichen Nahverkehr erreicht werden . 5. Welchen Zugang gibt es innerhalb der Einrichtung zu ärztlichen Sprechstunden ? Welchen Stundenumfang haben die Sprechstunden? An wie vielen Tagen in der Woche? Mit jeweils welcher ärztlichen Fachrichtung und wie vielen Personen? Aus welchen medizinischen Einrichtungen kommt das medizinische Personal, nach welchen Anforderungen wird das Personal ausgewählt und welche Sprachen sprechen sie zusätzlich zu Deutsch? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14265 3 Ein Arzt ist seit Mai 2018 nicht mehr in der Sprechstunde vertreten. Ein Nachbesetzungsverfahren der ärztlichen Vertretung durch das Land Mecklenburg-Vorpommern läuft derzeit. Aktuell werden folgende Sprechzeiten vom nicht ärztlichen Dienst angeboten : Montag bis Donnerstag: 8 bis 9:30 Uhr und von 13 bis 14.30 Uhr Freitag : 8 bis 09.30 Uhr Das nicht ärztliche Personal ist bei der KMG Klinik Boizenburg angestellt. Eine Fremdsprachenkompetenz besteht für die Sprachen Englisch und Russisch. Darüber hinaus werden sie bei Bedarf durch Sprachmittler oder Dolmetscher unterstützt. 6. Können die Bewohner/-innen selbst entscheiden, ob sie einen Arzt/eine Ärztin in der Einrichtung konsultieren oder gibt es eine Vorauswahl/ ein „Gatekeeping“ durch nicht ärztliches Personal? Falls ja, bitte Zugangsprozedere beschreiben und Methode erläutern, nach der der Zugang geregelt wird. Die Bewohnerinnen und Bewohner können ihren Arzt frei wählen. Wenn Unterstützung beim Finden eines geeigneten Arztes benötigt wird, wenn der Wunsch besteht, dass Termine vereinbart werden sollen oder wenn Transportfragen zu klären sind, wird der Medizinische Dienst gern konsultiert. 7. Welches nicht ärztliche medizinische Personal (zum Beispiel Medizinische Fachangestellte, Pflegekräfte und andere) wird in Horst eingesetzt? Bitte aufschlüsseln nach Köpfen, Stundenanzahl pro Woche und Qualifikation . Bei dem Medizinischen Dienst Nostorf-Horst sind derzeit zwei ausgebildete Krankenschwestern und eine Arzthelferin mit insgesamt 100 Wochenstunden beschäftigt. 8. Welche medizinische Grund- oder Notversorgung wird außerhalb der Sprechzeiten in der Unterbringung vorgehalten? Welche Qualifikationen hat das eingesetzte Personal und zu welchen Zeiten wird es eingesetzt? Außerhalb der Sprechzeiten ist gewährleistet, dass bei Bedarf der Bereitschaftsdienst der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder der Rettungsdienst zum Einsatz kommen. Durch die eingesetzten Betreuerinnen und Betreuer, die rund um die Uhr im Dienst sind, ist die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner durchgehend sichergestellt. 9. Können die Bewohner/-innen außerhalb der Sprechzeiten den Notdienst der kassenärztlichen Vereinigung in Anspruch nehmen? Können sie dort direkt anrufen oder wird der Notdienst von der Erstunterbringung kontaktiert ? Die Bewohnerinnen und Bewohner könnten den Bereitschaftsdienst der GKV eigenständig kontaktieren, was wegen der Sprachbarriere allerdings kaum geschieht. Üblich ist die Bestellung über die Betreuerinnen und Betreuer. 10. Werden in der Erstunterbringung Horst auch schwangere Frauen untergebracht ? Falls ja, a. wie viele Schwangere sind zurzeit in Horst und bei wie vielen von ihnen sind Komplikationen aufgetreten (Stichtag 1.8.2018) und welche medizinische Versorgung steht ihnen zur Verfügung? b. wie viele Schwangere waren im Jahr 2017 in Horst untergebracht und bei wie vielen von Ihnen sind Komplikationen aufgetreten? c. wie wird die medizinische Versorgung der Neugeborenen und Kinder sichergestellt? In der EA Nostorf/Horst werden auch schwangere Frauen untergebracht; siehe hierzu auch Drs. 21/12163. Das Merkmal „Schwangerschaft“ wird aus datenschutzrechtli- Drucksache 21/14265 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 chen Gründen durch die zuständige Behörde in Hamburg nicht erfasst. Eine Beantwortung der Fragestellung könnte nur aufgrund der händischen Einzelauswertung der Akten erfolgen, die in der für eine Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Die Zahl wird im Land Mecklenburg-Vorpommern ebenso nicht statistisch erfasst. Auch wird eine Statistik zur Anzahl oder gegebenenfalls aufgetretenen Komplikationen nicht vorgehalten. Der Medizinische Dienst sichert die Wahrnehmung aller Pflichttermine und stellt auch die Inanspruchnahme der empfohlenen Termine bei der Vorsorge und nach der Geburt sicher. Dazu zählen zum Beispiel die Pflichttermine und Impfungen beim Kinderarzt , die Hüftsonographie des Neugeborenen beim Orthopäden oder im Rahmen der Nachsorge die Blutuntersuchungen der Mütter beim Frauenarzt. 11. Wie häufig ist es in der Einrichtung in 2017 zu medizinischen Notfällen gekommen und durch wen wurden diese Notfälle medizinisch versorgt? Das Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg – Vorpommern teilte mit, dass Statistiken über die Zahl von Notfällen nicht geführt werden. Notfälle werden über die zuständige Leitstelle gemeldet und durch die Rettungsdienste der Landkreise Ludwigslust -Parchim und Herzogtum Lauenburg sichergestellt. 12. Wie häufig ist es in der Einrichtung in 2017 zum Ausbruch meldepflichtige Infektionskrankheiten gekommen und welche Maßnahmen wurden getroffen? Im Jahr 2017 traten zweimal meldepflichtige Erkrankungen (Varizellen und Röteln) auf. Die notwendigen Maßnahmen werden vom zuständigen Gesundheitsamt verfügt und umfänglich umgesetzt. So kommt es bei auftretenden Varizellen beispielsweise neben der Durchsetzung von Quarantänemaßnahmen für betroffene und gefährdete Personen auch zur Vornahme von Impfungen zur Immunisierung sowie zu Blutuntersuchungen , um vorhandene Immunitäten festzustellen. Erkrankte Personen werden entsprechend behandelt. 13. Wie wird eine Versorgung gewährleistet mit fachärztlichen Richtungen, die keine Sprechstunden in der Einrichtung haben oder wenn eine fachärztliche Weiterbehandlung notwendig ist? Werden die Bewohner/-innen an fachärztliche Praxen oder Krankenhäuser überwiesen oder können sie selbstständig diese Praxen aufsuchen? Liegt eine Indikation für einen Facharztbesuch oder eine stationäre Krankenbehandlung vor, wird diese in der Regel unmittelbar organisiert, insbesondere werden die Fachärzte des nahegelegenen Krankenhauses Boizenburg aufgesucht. Will ein niedergelassener Arzt eine Patientin oder einen Patienten zum Facharzt oder in ein Krankenhaus überweisen, veranlasst er dies eigenständig. Im Regelfall wird jedoch der Medizinische Dienst und gegebenenfalls auch der jeweilige Kostenträger konsultiert , der dann die notwendigen Maßnahmen veranlasst. 14. Wie wird die Versorgung gewährleistet mit nicht ärztlichen Behandlungen (zum Beispiel Physiotherapie oder Logopädie)? Derartige Leistungen sind nur bei bestimmten Indikationen vorgesehen und bedürfen auch aus leistungsrechtlicher Sicht einer Einzelfallprüfung durch die zuständige Behörde. Sind solche Behandlungen im Sinne der §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz unabweisbar, werden entsprechende Termine vereinbart. 15. Viele der Untergebrachten verfügen erst über geringe oder mäßige Deutschkenntnisse. Wie wird die sprachliche Kommunikation gewährleistet (zum Beispiel Einsatz von Dolmetschern/-innen, Einsatz von telefonischen Dolmetschdiensten, entsprechende Sprachkenntnisse des Personals, weitere Möglichkeiten)? In aller Regel bringen Bewohnerinnen oder Bewohner, die sich nicht in Deutsch oder Englisch verständigen können, sprachkundige Angehörige oder Freunde mit in die Sprechstunden. Regelmäßig wird auch der Betreiber der Einrichtung gebeten, sprachkundige Betreuerinnen und Betreuer zur Verfügung zu stellen. Ergänzend werden in besonders gelagerten Fällen auch professionelle Dolmetscher eingesetzt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14265 5 16. Wie wird der Transport sichergestellt, sodass die Bewohner/-innen die Praxen auch erreichen können (Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr , Fahrdienste oder ähnliche)? Müssen Fahrkarten gesondert beantragt werden oder werden Fahrtkosten zum Arzt automatisch übernommen ? Die Bewohnerinnen und Bewohner erhalten eine Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), wenn sie einen Termin bei einem Arzt nachweisen können. Bei der Terminvereinbarung ist das Sozialmanagement des Malteser Hilfsdienstes ebenso behilflich wie bei der Wegbeschreibung. Bei wichtigen Terminen, die mit dem ÖPNV nur schwer wahrzunehmen sind und bei denen das pünktliche Erscheinen zum Termin sehr wichtig ist (zum Beispiel MRT-Termine oder Facharzttermin mit Dolmetscher), wird im Einzelfall auch ein Taxi bewilligt. Gleiches gilt für Patienten mit eingeschränkter Mobilität oder Orientierung. 17. Wie wird bei chronisch erkrankten Menschen (zum Beispiel bei Diabetes ), die auf eine spezielle Diät angewiesen sind, sichergestellt, dass sie sich entsprechend den ärztlichen Empfehlungen ernähren können? Nehmen diese Menschen an der Gemeinschaftsverpflegung teil oder bekommen sie eine Diät-Verpflegung oder welche anderen Maßnahmen werden ergriffen? Das in der Einrichtung tätige Versorgungsunternehmen ist vertraglich verpflichtet, ärztlich verordnete Ernährungsvorgaben umzusetzen. Das schließt die Bereitstellung von speziellen Diäten ein. 18. Wie ist der Zugang der in Horst untergebrachten Menschen zu ihren eigenen Patientenunterlagen geregelt? Bekommen die Patienten/-innen Untersuchungsergebnisse, Arztbriefe et cetera ausgehändigt? Bitte erläutern für die Patientenunterlagen, die sich beim medizinischen Dienst der Unterbringung befinden und für die Patientenunterlagen, die sich bei ambulanten Praxen und stationären Kliniken befinden. Wünscht ein Patient die Aushändigung seiner Patientenunterlagen, werden diese vom Medizinischen Dienst kopiert. Die Originale werden gegen Unterschrift ausgehändigt.