BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14267 21. Wahlperiode 14.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 06.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Südvariante ohne Auskoppelung von Fernwärme aus dem Kohle- Heizkraftwerk Moorburg Bei der 15. Sitzung des Energienetzbeirats am 30. August 2018 erläuterte ein Vertreter der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) kurz ein neues Konzept für den Ersatz des Steinkohle-Heizkraftwerks Wedel. Als besonderes Merkmal unterscheidet sich dieses Konzept von den früher von der BUE geplanten Südvariante-Konzepten dadurch, dass die Ölwerke Schindler nicht mehr vom Heizkraftwerk Moorburg, sondern weiterhin von der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR) mit Wärme versorgt werden sollen. Die Planung der BUE für dieses neue Südvarianten-Konzept sieht, so wurde erläutert, keinerlei zusätzliche Auskoppelung von Wärme aus dem HKW Moorburg vor, die direkt oder indirekt in Verbindung mit dem Ersatz des HKW Wedel steht. Gleichzeitig soll nach Presseberichten Vattenfall angeboten haben, auf neue Auskoppelung von Wärme aus dem HKW Moorburg im Zusammenhang mit dem Ersatz des HKW Wedel zu verzichten. Wenn die Ölwerke weiterhin von der MVR mit Ferndampf versorgt werden, verringert sich die Einspeisung von Müllwärme in das große Fernwärmenetz Hamburgs im Rahmen der Ersatzlösung Wedel im Vergleich zu früheren Südvariante-Konzepten erheblich. Unter anderem aus diesem Grund soll eine große Gas-KWK-Anlage in Dradenau errichtet werden, die sowohl Strom zum Antrieb der in Dradenau geplanten Abwasser-Wärmepumpe als auch zur Einspeisung ins öffentliche Stromnetz liefern soll und die neben der MVR zur Nacherhitzung der Wärmebeiträge aus der Abwasser-Großwärmepumpe und aus industrieller Abwärme beitragen soll. Dieses neue Südvarianten-Konzept ist offenbar Teil der städtischen Fernwärmeplanung in dem bei LBD in Auftrag gegebenen Gutachten zur Ermittlung des Unternehmenswerts der VWH einschließlich der Unternehmenseinheit Wedel aus Käufersicht der Stadt Hamburg (Pressestelle der BUE am 20. August 2018). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Gespräche mit der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH (VWH) zur Ersatzlösung für das Heizkraftwerk (HKW) Wedel sind noch nicht abgeschlossen. Insofern stehen Details der technischen und organisatorischen Ausgestaltung noch nicht abschließend fest. Eine Einbindung des HKW Moorburg ist weder für die Fernwärmeversorgung noch für die Versorgung des Industriebetriebs Schindler vorgesehen. Das Anlagenkonzept beinhaltet nach gegenwärtigem Stand neben einer gegenüber dem ursprüng- Drucksache 21/14267 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lichen Südszenario reduzierten Wärmelieferung aus der MVR eine Gas-KWK-Anlage sowie die im Südszenario der BUE bereits enthaltenen Komponenten Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE), Wärmepumpen, industrielle Abwärme und Aquiferspeicher . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen, teilweise aufgrund von Auskünften der Vattenfall GmbH als Mehrheitsgesellschafterin der VWH, wie folgt: 1. Wie ist die Anlagenkonfiguration der neuen Südvariante? (Am besten in einer Darstellung mit Maximalleistungen wie in Folie 2 der Anlage 3 EWHH, die am 23.11.2017 dem Energienetzbeirat vorgelegt wurde.) 2. Welche jährlichen Fernwärmebeiträge werden von den einzelnen Erzeugungsanlagen ins Fernwärmenetz eingespeist beziehungsweise mit welchen jährlichen Einsatzzeiten wird gerechnet? Bitte wie in Folie 6 der Anlage 3 EWHH vom 23.11.2017. 3. Welche thermischen und welche elektrischen Leistungen soll die große KWK-Anlage aufweisen a) in einer Ausführung mit Gasturbinen, b) in einer Ausführung mit Gasmotoren? 4. Welches Unternehmen soll den Bau der großen KWK-Anlage übernehmen ? 5. Mit KWK-Förderung in welcher Höhe wird für den KWK-Strom gerechnet ? 6. Wird mit Effizienzmaßnahmen in der MVR gerechnet, die die jährliche Wärmeerzeugung erhöhen sollen? Wenn ja, mit welchen? 7. Welcher jährliche Fernwärmebeitrag soll aus der MVR a) ins städtische Fernwärmenetz und b) zu den Ölwerken Schindler geliefert werden? Siehe Vorbemerkung. 8. Liegt für diese Nutzung der MVR bereits eine Zustimmung des Mehrheitsgesellschafters Vattenfall vor? Die Nutzung der MVR ist in den Gesprächen ein Teil des Ersatzkonzeptes und setzt eine noch zu erzielende Einigung mit den Gesellschaftern der MVR voraus. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Ist die Voraussetzung für diese Nutzung der MVR, dass Hamburg Mehrheitsgesellschafterin der MVR wird? Nicht, wenn eine Einigung über ein gemeinsames Ersatzkonzept erreicht wird. 10. Welche zusätzlichen neuen Anlagen werden zur Spitzenlastabdeckung in der neuen Südvariante vorgesehen? Grundsätzlich reduziert sich der Bedarf an Spitzenlastkapazität durch die Einbindung der hier betrachteten Gas-KWK-Anlage. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 11. Ein saisonaler Wärmespeicher wie der bisher in Dradenau geplante Aquiferspeicher eignet sich nicht für kurzzeitige Zwischenspeicherung von Fernwärme. Wird ähnlich wie von den Kieler Stadtwerken ein großer Tages-Wärmespeicher für die Flexibilisierung des Einsatzes der neuen KWK-Anlage vorgesehen? Wenn ja, mit welcher Kapazität; wenn nein, warum nicht? Der Einsatz eines Kurzzeitspeichers im Rahmen der Gas-KWK-Lösung wird aktuell geprüft. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14267 3 12. Der ENB hat am 14.6.2018 der BUE empfohlen, den Einsatz von saisonalen Wärmespeichern wie Aquiferspeichern in enger Verbindung mit der Schaffung von Niedertemperatur-Sekundärnetzen zu planen. In einer von der Geschäftsstelle des ENB zum 30.8.2018 vorgelegten Übersicht wird festgestellt, dass die BUE die vom Beirat aufgezeigten Vorteile grundsätzlich ebenfalls sieht und den Ansatz von saisonalen Speichern und von Niedertemperaturnetzen daher bereits verfolgt. Bedeutet dies, dass von der BUE die Verlagerung des ersten geplanten Aquiferspeichers von Dradenau an einen geeigneteren Standort geprüft wird? Grundsätzlich wird der Ansatz von saisonalen Speichern und Niedertemperaturnetzen in Hamburg vor allem im Rahmen von Quartierskonzepten und Nahwärmelösungen verfolgt. Bezüglich des Aquiferspeichers Dradenau siehe Vorbemerkung. 13. Mit welchen Anteilen erneuerbarer Wärme wird bei den einzelnen Wärmelieferanlagen gerechnet? Welcher Anteil erneuerbarer Wärme ergibt sich für die gesamte neue Konfiguration dieser Südvariante? 14. Welche spezifischen CO2-Emissionsfaktoren werden für die einzelnen Wärmelieferanlagen angesetzt? Wie hoch ist der spezifische CO2- Emissionsfaktor für die gesamte neue Konfiguration dieser Südvariante? 15. Welcher Primärenergiefaktor ergibt sich nach dem Ersatz des HKW Wedel durch diese neue Konfiguration einer Südvariante für die geltende Berechnungsart für Primärenergiefaktoren? Siehe Vorbemerkung. 16. Nach Angaben des Vertreters der BUE beim ENB am 30.8.2018 werden 250 Millionen Euro für die neuen Erzeugungsanlagen südlich der Elbe bei der neuen Konfiguration veranschlagt. Ist der Bau der notwendigen Fernwärmetrassen hierin enthalten? Die Aussage ist als grobe Schätzung zu verstehen und bezog sich auf das neue Anlagenkonzept . Die notwendigen Fernwärmetrassen (einschließlich der Elbquerung) sind in der Schätzung nicht enthalten. Zu den Kosten der Wärmetrasse siehe Drs. 21/13952. 17. Nach den Informationen des Vertreters der BUE im ENB am 30.8.2018 soll Planung und Genehmigung der Anlagen der neuen Südvariante bis Ende des Jahres 2019 abgeschlossen werden. Um welche einzelnen Schritte handelt es sich dabei? Um die schnellstmögliche Abschaltung des HKW Wedel zu gewährleisten, müssen die erforderlichen Planungs- und Genehmigungsschritte (Grundlagenermittlung, Vorplanung , Entwurfsplanung, Erstellung der Antragsunterlagen) zügig eingeleitet werden. Der enge Zeitplan bedingt teilweise einen parallelen Bearbeitungsprozess. 18. Setzt diese neue Konfiguration der Südvariante voraus, dass das große Hamburger Fernwärmesystem zum 1.1.2019 zurückgekauft wird? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 19. Welche einschränkenden Bedingungen gelten gegebenenfalls für das Angebot von Vattenfall, auf Auskoppelung von Wärme aus dem HKW Moorburg zu verzichten? Das Einverständnis von Vattenfall, auf eine Einbindung des Kraftwerks Moorburg zu verzichten, hat zu den jetzt laufenden gemeinsamen Planungen geführt. Ein endgültiges Verhandlungsergebnis hierzu liegt noch nicht vor.