BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14268 21. Wahlperiode 14.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dennis Thering und Carsten Ovens (CDU) vom 06.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Freie Fahrt für falsche Fahrgäste? (II) Entwicklung des Bettelns in Bussen und Bahnen in Hamburg 2017/2018 Betteln an sich ist weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit. Erst mit der Vortäuschung falscher Tatsachen kann gegebenenfalls ein Bettelbetrug oder bei aufdringlichem Betteln eine Ordnungswidrigkeit vorliegen. Die Gründe für ein polizeiliches Einschreiten sind laut Drs. 20/7723 grundsätzlich nur dann gegeben, „wenn eigene Feststellungen oder Hinweise Dritter den Verdacht auf die Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begründen oder die genannten Feststellungen eine Abwehr von Gefahren erfordern“. Mit Drs. 21/10449 hatten wir daher die Entwicklung des Phänomens des Bettelns seit 2011 in Bussen und Bahnen beziehungsweise an Bahnhöfen und Haltestellen in Hamburg erfragen wollen. Die Antworten des Senats förderten allerdings zu Tage, dass die zuständigen Behörden, die auf Hamburger Gebiet tätigen Verkehrsunternehmen sowie der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) hierbei vor allem aufgrund einer fehlenden, gezielten statistischen Datenerhebung komplett im Dunkeln tappen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH), der AKN Eisenbahn GmbH (AKN), der Hochbahn AG (HOCHBAHN), der Deutschen Bahn AG (DB) und der Hamburger Verkehrsbund GmbH (HVV) wie folgt: 1. Laut Drs. 21/10449 wird statistisch in Hamburg nicht erfasst, wie viele Polizeieinsätze an Bahnhöfen, Haltestellen und so weiter erfolgen, wenn im Zusammenhang mit Betteln eigene Feststellungen der Polizei oder Hinweise Dritter den Verdacht auf die Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begründen oder die genannten Feststellungen eine Abwehr von Gefahren erfordern. Allerdings werde im Hamburger Einsatzleitsystem (HELS) der Einsatzanlass „Belästigung“, zu dem auch „Bettelei“ zähle, erfasst. Wie viele Polizeieinsätze an a) Zentralen Omnibusbahnhöfen (ZOB), b) S-Bahnhöfen, c) U-Bahnhöfen, d) Regional- und Fernbahnhöfen in Hamburg erfolgten 2017 und 2018 unter dem Einsatzanlass „Belästigung “? Bitte jahresweise aufschlüsseln. 2. Wie viele Polizeieinsätze in Drucksache 21/14268 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a) Bussen der HOCHBAHN und/oder der VHH, b) S-Bahnen, c) U-Bahnen, d) Regional- und Fernbahnen in Hamburg erfolgten 2017 und 2018 unter dem Einsatzanlass „Belästigung “? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Polizeieinsätze werden im Hamburger Einsatzleitsystem (HELS) der Polizeieinsatzzentrale (PEZ) dokumentiert. Es handelt sich jedoch nicht um ein System, das für statistische Auswertungen generiert wurde. Bei den im HELS erfassten Einsätzen handelt es sich um Daten, die entweder über die zentrale Notrufnummer oder über das örtlich zuständige Polizeikommissariat (PK) an die PEZ gemeldet wurden. Etwaige andere Anlässe, wie zum Beispiel Schwerpunkteinsätze oder PK-eigene Einsätze werden nicht erhoben. Jeder Einsatz wird mit einem Stichwort (Rubrum) versehen, der die Angaben des Meldenden zusammenfasst . Im Verlauf der Abklärung des Sachverhalts kann sich ein anderes Bild ergeben, sodass ein Rückschluss vom Einsatzrubrum auf das tatsächliche Geschehen, wie zum Beispiel auf begangene Straftaten beziehungsweise eine daraus resultierende Anzeigenfertigung, nicht gezogen werden kann. Einsätze im Zusammenhang mit Betteln können im HELS sowohl unter den Einsatzstichworten „Belästigung“ als auch als „Personenüberprüfung“, „verdächtige Person“, „Hausfriedensbruch“, „Streit“ oder anderen Anlassarten erfasst werden. Eine Zuordnung der Einsatzstichworte hängt vom jeweils geschilderten Sachverhalt ab. Unter dem Einsatzstichwort „Belästigung“ werden neben Betteln auch Geruchsbelästigungen durch Rauch und Grillen, allgemeine Belästigungen durch andere Menschen, „Sturmklingeln“ und Ähnliches erfasst. Adressobjekte, wie beispielsweise Bahnhöfe, sind im HELS sowohl als Objekt als auch mit postalischen Anschriften (Straße und Hausnummer) verknüpft eingepflegt. Aktuell sind in HELS insgesamt 152 Objekte „Bahnhof“ registriert (17 Zentrale Omnibusbahnhöfe (ZOB), 82 U-Bahnhöfe und 53 S-Bahnhöfe/Fernbahnhöfe). Adressobjekte und postalische Anschriften dienen dazu, die eingesetzten Kräfte so dicht wie möglich an den Einsatzort heranzuführen. Dabei können die Einsätze sowohl im Objekt als auch davor, daneben oder gegenüber stattfinden. Eine Differenzierung im Sinne der Fragestellung ist nicht möglich. Unter dem Einsatzstichwort „Belästigung“ sind im erfragten Zeitraum für das Jahr 2017 insgesamt 5.238 und für das Jahr 2018 bis zum Stichtag 6. September 2018 3.695 Einsätze registriert. Die Ermittlung der Ergebnisse der Einsatzanlässe ist im Gegensatz zu den im Hamburger Einsatzleitsystem der Polizeieinsatzzentrale hinterlegten Rubren nicht auswertbar . Für die Beantwortung der Fragestellungen müssten sämtliche 8.933 Einsätze „Belästigung“ in HELS einzeln aufgerufen und manuell nach ihrer Relevanz im Sinne der Fragestellungen überprüft und anschließend die jeweiligen Berichtslagen der zuständigen Polizeidienststellen entsprechend ausgewertet werden. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Inwiefern plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die statistische Erfassung von Polizeieinsätzen an Bahnhöfen, Haltestellen und so weiter, wenn diese im Zusammenhang mit Betteln durch eigene Feststellungen der Polizei oder Hinweise Dritter den Verdacht auf die Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begründen oder die genannten Feststellungen eine Abwehr von Gefahren erfordern? Die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung wird durch eine Vielzahl unterschiedlichster Anliegen geprägt. Eine statistische Erfassung der Vielzahl von Einsatzanlässen, zu denen auch die unterschiedlichsten Anlässe für Strafanzeigen beziehungsweise Ordnungswidrigkeitsanzeigen im Bereich von Bahnhöfen/Haltestellen und so weiter gehören , ist mit einem vertretbaren Aufwand nicht möglich. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14268 3 4. Obwohl in Drs. 21/10449 bei den Fragen 1. und 2. ausdrücklich um eine Aufschlüsselung nach Jahren gebeten wurde, legte der Senat lediglich eine Zahl für den Gesamtzeitraum 1. Januar 2014 bis 19. September 2017 vor. Weil das Jahr 2017 mit den Fragen 1. und 2. dieser Anfrage abgedeckt wird: Wie viele der in Drs. 21/10449 bei der Antwort auf die Fragen 1. und 2. angeführten circa 19.800 Einsätze unter dem Einsatzanlass „Belästigung“ erfolgten im zwischen 2014 bis einschließlich 2016 und wie verteilen sich diese genau auf die Jahre 2014, 2015 und 2016? Jahr 2014 2015 2016 Einsätze „Belästigung“ 5.264 5.179 5.453 5. Wie viele Haus-/Platzverweise wurden an a) Zentralen Omnibusbahnhöfen (ZOB), b) S-Bahnhöfen, c) U-Bahnhöfen, d) Regional- und Fernbahnhöfen in Hamburg seit 2011 erteilt? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Die statistischen Daten im Sinne der Fragestellungen werden von der Polizei nicht erhoben. Für die Beantwortung wäre eine manuelle Durchsicht gemäß geltender Aktenaufbewahrungsfristen für die zurückliegenden maximal fünf Jahre vorliegenden Vorgänge bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung mehrerer Hunderttausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen liegt eine Zuständigkeit für Maßnahmen im Sinne der Fragestellung in S- und Fernbahnhöfen auch bei der Bundespolizei. 6. Laut Drs. 21/10449 wird der Schwerpunkt „Betteln“ von der Hochbahn- Wache bei der Erteilung von Hausverboten und Platzverweisen nicht erfasst. Welche Schwerpunkte werden von der Hochbahn-Wache dann bei der Erteilung von Hausverboten und Platzverweisen erfasst? Bei Hausverboten bezieht sich die Hochbahn-Wache auf § 123 des Strafgesetzbuches (StGB). Das Hausverbot wird erteilt, wenn eine Person drei Mal gegen die in § 123 StGB genannten Tatbestandsmerkmale des Hausfriedensbruchs verstoßen hat. Mit dem Erteilen des Hausverbotes wird ein Strafantrag gestellt. Im Übrigen siehe Drs. 21/10449 und Drs. 21/1658. 7. Wie viele Fahrgastbeschwerden der Kategorie „Belästigung“ sind 2017 und 2018 a) beim HVV, Bei dem HVV wurden zum Beschwerdepunkt „Belästigung“ im Jahr 2017 zwölf Fälle und im Jahr 2018 bisher zehn Fälle (Stand: 10.09.2018) erfasst. Diese beziehen sich allerdings nicht auf das Stichwort „Betteln“, sondern auch auf andere Stichworte, wie zum Beispiel Alkohol- und Rauchverbot, Handynutzung. b) bei den in Hamburg tätigen Verkehrsunternehmen, Bei der VHH sind in dem genannten Zeitraum keine Beschwerden der Kategorie „Belästigung“ eingegangen. Die HOCHBAHN verzeichnete zur Kategorie „Belästigung “ im Jahr 2017 insgesamt 270 und im Jahr 2018 (Stand 10.09.2018) insgesamt 218 Beschwerden. Die S-Bahn Hamburg erfasste im Jahr 2017 244 Beschwerden, während im Jahr 2018 (Stand 30.06.2018) 135 Beschwerden eingegangen sind. Bei der AKN gibt es hierüber keine gesonderte Aufzeichnung. c) bei den zuständigen Behörden eingegangen? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Hierzu wird keine Statistik geführt. Drucksache 21/14268 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 8. Laut Drs. 21/10449 erfassen weder der HVV noch die in Hamburg tätigen Verkehrsunternehmen den Beschwerdegrund „Bettelei“ separat. Inwiefern planen der HVV und/oder die in Hamburg tätigen Verkehrsunternehmen , den Beschwerdegrund „Bettelei“ separat zu erfassen? Es bestehen hierzu keine Planungen. Die in der Drs. 21/10449 genannten Zahlen der HOCHBAHN beziehen sich im Sinne der dortigen Fragestellung auf den Beschwerdepunkt „Belästigung durch Bettler im Fahrzeug“. 9. Laut Drs. 21/10449 liegen dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden keinerlei Untersuchungen beziehungsweise Studien vor, die sich mit der Entwicklung des Phänomens des Bettelns seit dem Jahr 2011 (oder später) in den Stationen und Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Hamburg befassen. Inwiefern planen der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden, eine entsprechende Untersuchung beziehungsweise Studie selbst zu beauftragen? 10. Laut Drs. 21/10449 liegen den auf Hamburger Gebiet tätigen Verkehrsunternehmen und dem HVV keinerlei Untersuchungen beziehungsweise Studien vor, die sich mit der Entwicklung des Phänomens des Bettelns seit dem Jahr 2011 (oder später) in den Stationen und Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Hamburg befassen. Inwiefern planen die auf Hamburger Gebiet tätigen Verkehrsunternehmen und/oder der HVV, eine entsprechende Untersuchung beziehungsweise Studie selbst zu beauftragen? Derartige Planungen bestehen nicht