BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14289 21. Wahlperiode 18.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 10.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Importe von Erdgas nach Hamburg: Stand der Dinge und zukünftige Planung Ob zur Entlastung der Hamburger Hafenluft von Feinstaub und Stickoxiden durch Landstromerzeugung, als Ersatz der Steinkohle im Kraftwerk Tiefstack durch Umrüstung auf Erdgas, durch den von Vattenfall geplanten Bau eines Gaskraftwerks auf der Dradenau oder bei der Unterstützung der Errichtung eines LNG-Terminals in Brunsbüttel durch Hamburgs Senat – Erdgas ist, insbesondere in Form von LNG (liquefied natural gas), der neueste hochgelobte Hoffnungsträger als „Brückentechnologie“ auf dem Weg in eine klimaschonendere Wirtschaftsweise. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Datenlage zu Import und Nutzung von LNG in Hamburg ist eingeschränkt. Zur Beantwortung der Fragen 1. – 5. wurden die Energiebilanz und die Außenhandelsstatistik herangezogen. Beide Statistiken werden vom Statistischen Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (Statistikamt Nord) erstellt und liegen bis zum Jahr 2016 vor. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften von Gasnetz Hamburg (GNH) wie folgt: 1. Wie viel Erdgas (in Btu) ist in den Jahren 2015, 2016, 2017 und von Januar bis August 2018 nach Hamburg importiert worden? Bitte jahrweise aufschlüsseln.    Importe in Mrd. BTU 2015 52.200 2016 57.385 Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Aus welchen Ländern stammten die unter 1. genannten Importe, wie hoch war der Anteil an durch Fracking gewonnenem Erdgas und welche Zertifikate hatte das Erdgas jeweils? Bitte jahrweise nach Ländern und Gewinnungsmethode aufschlüsseln. Die Zuordnung zwischen Netzendkunden und frei gewählten Lieferanten erfolgt im liberalisierten Gasmarkt rein bilanziell. Eine physikalische Zuordnung der Einspeisepunkte zu den Ausspeisepunkten sieht das 2006 eingeführte Gasmarktmodell nicht vor. Ebenso wenig gibt es ein Zertifizierungssystem für Erdgas. Nach Auskunft von GNH lässt sich aus den Gasqualitäten und den veröffentlichten Gasflussdaten vermuten, dass die Erdgasmengen in Hamburg zu mindestens 99 Prozent aus Russland via NEL (Ostseepipeline) stammen. Drucksache 21/14289 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Auf welchen Wegen (Pipeline, Schiff, Kesselwaggon, Lkw et cetera) wurde jeweils wie viel des unter 1. genannten Erdgases (in Btu) importiert ? Bitte nach Jahren, Transportweg und Aggregatzustand aufschlüsseln und bei LNG den jeweiligen Herkunftsterminal im Ursprungsland angeben. Laut Außenhandelsstatistik wurde in den Jahren 2015 und 2016 Erdgas nur leitungsgebundenen und gasförmig nach Hamburg transportiert. 4. Welchen Zwecken dienten die unter 1. genannten Erdgasimporte im Zeitraum seit einschließlich 2015? Bitte jahrweise aufschlüsseln und die jeweiligen Verwendungszwecke mit prozentualem Anteil an der importierten Jahresgesamtmenge angeben. 5. Welches waren im Zeitraum seit einschließlich 2015 in Hamburg die fünf größten Abnehmer von importiertem Erdgas und wofür wurde das Erdgas jeweils verwendet? Bitte jahrweise aufschlüsseln und dabei den prozentualen Anteil der importierten Jahresgesamtmenge angeben. Daten zu einzelnen Verbrauchern unterliegen dem Datenschutz. Die Energiebilanz unterscheidet nach folgenden Anwendungsbereichen. Verwendung in Mrd. BTU 2015 2016 Energieerzeugung 14.489 26% 14.625 26% -Strom, Wärme 8.379 15% 9.847 18% -Mineralölindustrie 6.110 11% 4.778 9% Industrie 10.445 19% 11.179 20% -Lebensmittelindustrie 4.069 7% 4.424 8% -Metallindustrie 3.850 7% 4.007 7% Verkehr 118 0% 99 0% Haushalte 13.220 24% 14.861 27% Gewerbe, Handel, Dienstleistung 17.333 31% 13.596 24% Gesamt: 78.013 140% 77.416 139% Die Differenz zur Antwort zu 1 und die Abweichungen zur Jahresmenge erklären sich aus der Veränderung von Lagerbeständen und dem in der Energiebilanz nicht aufgeschlüsselten Nichtenergetischen Verbrauch. Große Verbraucher von Erdgas befinden sich insbesondere in den Bereichen Energieerzeugung, der Metall- und Lebensmittelindustrie . 6. Wie schätzt der Senat die Entwicklung der Erdgasimporte nach Hamburg bis 2030 ein und welchen Anteil wird daran voraussichtlich LNG ausmachen? Bitte begründen. Dem Senat liegt keine qualifizierte Einschätzung zum Importbedarf von Erdgas bis 2030 vor. Auf den Erdgasverbrauch in Hamburg wirken verschiedene Faktoren ein, wie zum Beispiel Wachstumseffekte, wirtschaftliche Struktureffekte oder Veränderung der Energieeffizienz. Es ist wahrscheinlich, dass die in der Einleitung der Fragestellung ausgeführte Umstellung der Nutzung von Erdölprodukten und Kohle auf Erdgas die Verbrauchsentwicklung dominieren wird, sodass mit einer Zunahme der Erdgasimporte zu rechnen wäre. 7. Welche Implikationen für Hamburg sieht der Senat in Jean-Claude Junckers Zusage an den US-amerikanischen Präsidenten Trump, mehr Erdgas, insbesondere LNG aus den USA in die EU zu importieren, und welche Rolle könnte der geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel dabei spielen? Die Auswirkungen der genannten Zusage auf die Hamburger Erdgasimporte sind gegenwärtig noch nicht abzusehen. 8. Welche ordnungspolitischen Maßnahmen plant der Senat, um den zukünftigen Import von Erdgas beziehungsweise LNG nicht ausschließlich dem Markt zu überlassen, sondern den gebotenen Übergang in eine postfossile Wirtschaftsweise zügig voranzutreiben? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14289 3 Ordnungsrechtliche Eingriffe in den Erdgasmarkt wären durch den Hamburger Senat nicht zu realisieren. 9. Welchen Stellenwert hat die Unterstützung der Power-to-Gas-Forschung durch die Freie und Hansestadt Hamburg, welche Erfolge dieser Forschung sind bisher zu verzeichnen und welche Zukunftsaussicht gibt es für sie aus Sicht des Senats? Die Förderung der Energieforschung erfolgt durch die Grundfinanzierung der Hochschulen und durch die Förderung des Energieforschungsverbundes Hamburg. In Hamburg werden verschiedene Projekte rund um das Thema „Power-to-Gas“ geplant und umgesetzt. Schwerpunkt bilden Projekte mit Erzeugung von Wasserstoff für industrielle Prozesse. Die zuständige Behörde unterstützt diese Vorhaben, wie zum Beispiel die H&R GmbH & Co. KGaA mit der weltgrößten regelflexiblen Elektrolyse -Wasserstoff-Anlage. Vermehrt werden Projektideen entwickelt, die entlang der Sektorkopplung und Flexibilisierung aufgestellt sind. Wasserstoff überführt dabei erneuerbare Energien aus dem Stromsektor in andere Bereiche, die nicht oder schwerlich auf regenerative Energien umgestellt werden können (Lkw- und Flugverkehr , Raffinerien, Chemieindustrie); ein für Hamburg zentrales Thema. Die Beimischung von Wasserstoff in das bestehende Gasnetz ist zudem ein weiterer, möglicher Schritt zur klimafreundlichen Ausgestaltung der Energieversorgung von Hamburg. Die Behörde für Umwelt und Energie setzt sich aktiv beim Bund für diese Projekte sowie Änderungen der energiepolitischen Rahmenbedingungen für den vermehrten Einsatz von „Power-to-Gas-Anlagen“ ein.