BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14367 21. Wahlperiode 21.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver und Philipp Heißner (CDU) vom 13.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Weiß der Senat um die wachsende Bedeutung der politischen Bildung? Seit Jahren erhalten Parteien an den äußeren politischen Rändern Zulauf. Politikern, aber auch der Presse als vierte Gewalt im Staat wird immer häufiger misstraut. Wer sich tiefer mit diesem Misstrauen und Unmut befasst, stellt zumeist fest, dass vielen Verunsicherten Basiswissen fehlt und sie daher leichte Beute sind für jene, die Unfrieden stiften wollen. Zwar gibt es zahlreiche Präventionsmaßnahmen gegen Rechtsextremisten, Linksextremisten, Salafisten und andere Extremisten sowie Populisten, doch fehlt es oft am Verständnis für politische Sachverhalte, an demokratischem Bewusstsein und der Bereitschaft zur politischen Mitarbeit. All dies zu fördern liegt daher im Interesse des Staates. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Zur politischen Bildung in Hamburg tragen verschiedene Institute unter dem Dach der für Bildung zuständigen Behörde sowie diverse Träger politischer Bildung bei. Die jeweiligen Maßnahmen besitzen unterschiedliche inhaltliche Zielrichtungen, finden für unterschiedliche Zielgruppen und an unterschiedlichen Lernorten mit einer Vielfalt von Themen und Methoden statt. Kernbereiche sind neben der außerschulischen politischen Bildung für alle Bevölkerungsgruppen im Hinblick auf Alter, Geschlecht, kultureller Hintergrund sowie Bildungshintergrund und jedweder Religion die schulische Demokratiebildung und die politischen Bildung in der allgemeinen Weiterbildung. Die für Bildung zuständige Behörde trägt der wachsenden Bedeutung politischer Bildung Rechnung und hat eine Offensive für Jugendliche gestartet. Die Landeszentrale für politische Bildung (LZ) wird in neuen und in weitentwickelten Angeboten für Jugendliche Grundlagen der demokratischen Gesellschaft, ihrer Institutionen und politische Willensbildungsprozesse aktiv und jugendaffin vermitteln. Aufgrund der Schwerpunktverlagerung wurde die Verteilung der Sachmittel in Höhe von jährlich 300.000 Euro zugunsten der politischen Bildung Jugendlicher und junger Erwachsener erheblich umgeschichtet, sodass künftig rund die Hälfte aller Aktivitäten und Sachmittel der politischen Jugendbildung dient. Es werden unter anderem Workshops für Jugendliche der Klassen 8 bis 13 unter dem Motto „Ich will mitmischen! Jung und politisch in Hamburg“ und ab 2019 Diskussionsforen für Jugendliche angeboten. Gleichzeitig entwickelt die LZ jugendaffine Materialien für die politische Bildung und Demokratiebildung. Zu den einzelnen Maßnahmen siehe die Pressemitteilung der für Bildung zuständigen Behörde am 18. September 2018: (https://www.hamburg.de/bsb/ pressemitteilungen/11631962/2018-09-18-bsb-politische-jugendbildung/). Flankiert werden die neuen Aktivitäten durch Angebote der Träger der politischen Bildung in Hamburg, beispielsweise den Stiftungen der politischen Parteien, der Gewerkschaften und der Kirchen. Drucksache 21/14367 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Auch das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) unterstützt die Offensive mit eigenen Fortbildungsveranstaltungen für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler. So werden vom LI Schüler-Workshops im Themenfeld Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit angeboten, die durch Partizipation und Selbstwirksamkeitserfahrungen das demokratische Selbstverständnis stärken sollen. Die Schulen können Workshops für unterschiedliche Schwerpunkte anfragen, so zum Beispiel politische Bildung und Demokratiepädagogik (Fragen von Zivilcourage, Ausgrenzungen und Rassismus), medienpädagogische Ansätze (zum Beispiel Hateblocker , Hate Speech und Online-Propaganda), Religion (Islam im Gespräch, Glauben und ich). Dabei geht es stets um Fragen wie „Wie wollen wir zusammen leben?“, „Wie wollen wir unsere Gesellschaft gestalten?“. Auch zu den Kernanliegen von Schule und Unterricht gehören die Vermittlung eines grundlegenden Verständnisses für politische Sachverhalte sowie die Förderung demokratischen Bewusstseins und der Bereitschaft zur Aktivität in politischen Angelegenheiten . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In der Produktgruppe 238.01 Steuerung und Service der Behörde für Schule und Berufsbildung findet sich das Produkt „Maßnahmen der politischen Bildung“. a) Welche Maßnahmen werden hierüber finanziert? Die geförderten Maßnahmen gemäß Förderrichtlinie für die politische Bildung (https://www.hamburg.de/zuwendungen/72642/foerderrichtlinie/) sind in den Jahresberichten der Landeszentrale für politische Bildung ablesbar: https://www.hamburg.de/ politische-bildung/jahresberichte/. Zur Förderung anerkannter und nicht-anerkannter Träger siehe: http://www.hamburg.de/zuwendungen/71272/zuwendungen/. b) Welche Träger erhalten jeweils Mittel in welcher Höhe in den Jahren 2019 und 2020 aus dieser Position? Neben den anerkannten Trägern (ABC Bildungs- und Tagungszentrum e.V., Arbeit und Leben Hamburg e.V., Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Haus Rissen Hamburg, Internationales Institut für Politik und Wirtschaft, Julius-Leber-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt, Konrad-Adenauer- Stiftung e.V., Die Neue Gesellschaft e.V., Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg, Staatspolitische Gesellschaft, Umdenken Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg e.V., ver.di Bildungswerk Hamburg e.V., Verein für politische Bildung e.V. und Volkshochschulverein Hamburg-Ost e.V.) wird eine nicht im Voraus feststehende Gruppe nicht anerkannter Träger für einzelne Maßnahmen gefördert. Die Höhe der Einzelförderung ist im Vorwege für die anerkannten und die nichtanerkannten Träger nicht absehbar. In der Vergangenheit entsprach das Verhältnis des Mitteleinsatzes 90 Prozent (anerkannte Träger) und 10 Prozent (nicht anerkannte Träger). Siehe dazu auch Jahresberichte der LZ. Hierfür sind im Haushaltsplan- Entwurf 2019/2020 als Kosten für Träger 1.059.000 Euro veranschlagt. 2. Aus welchen anderen Produktgruppen werden jeweils weitere Maßnahmen zur politischen Bildung gefördert? Welche Träger erhalten hieraus Mittel in jeweils welcher Höhe für die Jahre 2019 und 2020? In der Produktgruppe 245.01, Außerschulische Berufs- und Weiterbildung, wird auch die Arbeit des Landesbetriebs Hamburger Volkshochschule (VHS) gefördert. Im Rahmen des Kursangebots der VHS mit jährlich insgesamt mehr als 8.000 Kursen und Veranstaltungen finden auch circa 300 Kurse und Veranstaltungen der politischen Bildung statt, die zum Teil aus diesem Zuschuss finanziert werden. Träger politischer Bildung werden durch die VHS nicht gefördert. Die Senatskanzlei (SK) fördert aus der Produktgruppe 203.01, Senatsangelegenheiten , Maßnahmen zur politischen Bildung, Einzelplan 1.1., Träger gemäß der nachfolgenden Übersicht: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14367 3 Jahr Träger Zuwendung in Euro 2019 Behörde für Kultur und Medien (Stiftung Historische Museen Hamburg) 5.000 EUROPA-UNION Landesverband Hamburg e.V. 95.000 2020 EUROPA-UNION Landesverband Hamburg e.V. 95.000 Die SK hat in den vergangenen Jahren im Rahmen des Besuchsprogrammes des Senats für verfolgte ehemalige Bürgerinnen und Bürger Zeitzeugeninterviews von Hamburger Schülerinnen und Schülern mit Zeitzeugen und/oder ihren Angehörigen durchgeführt. Dies ist auch für die Jahre 2019 und 2020 geplant. Der ausdrückliche Auftrag zum Einbinden Jugendlicher in das Besuchsprogramm des Senats geht auf die Drs. 19/3650 zurück. Die SK unterstützt anlässlich des Gedenkjahres „Hamburg1918.1919 – Aufbruch in die Demokratie“ die Behörde für Kultur und Medien mit einer Zahlung von 90.000 Euro verteilt über den Zeitraum 2017 bis 2019 für eine Zuwendung an die Stiftung Historische Museen Hamburg für die Erstellung, Gestaltung und Pflege einer Website. Die Europa-Union Landesverband Hamburg e.V. und der von dieser getragene europe direct Info-Point Europa (IPE) betreiben mit Mitteln der SK politische Bildung in Hamburg. Die SK ist weiterhin im Rahmen der europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit in Schulen aktiv. Beispiele hierfür sind der EU-Projekttag an Hamburger Schulen in Kooperation mit der für Bildung zuständigen Behörde und das jährliche Europapolitische Schulevent während der Europawoche. Im Rahmen der Extremismusprävention erhalten Träger aus der Produktgruppe 255.03 (Integration, Opferschutz, Zivilgesellschaft) Landesmittel der BASFI sowie Mittel aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Einige der geförderten Maßnahmen beinhalten auch Anteile der politischen Bildung. Im Einzelnen sind dies Angebote folgender Träger: Arbeit und Leben (Mobiles Beratungsteam – MBT mit themenbezogenen Bildungsbausteinen für die pädagogische Arbeit sowie Monitoring-Berichte Rechtsextremismus aktuell, siehe https://hamburg.arbeitundleben.de/pb/mbt/downloads). Johann Daniel Lawaetz-Stiftung (Öffentliche jährliche Veranstaltungsreihe des Beratungsnetzwerks gegen Rechtsextremismus) Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation e.V. IKM (Projekt Mosaiq Hamburg, siehe http://www.ikm-hamburg.de/projekte/mosaiq-hamburg) Die im Rahmen der vorgenannten Vorhaben auf den Bereich politische Bildung entfallenden Mittelanteile werden nicht gesondert erfasst. Politische Bildung findet auch im Rahmen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit wie der Jugendverbandsarbeit als integraler Bestandteil statt. Diese werden aus den Produktgruppen 254.02 Kinder- und Jugendarbeit und 254.09 Bezirkliche Zuweisung Jugend und Familie (siehe Einzelplan 4.0 Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration) und Personalkosten in den Produktgruppen 207.03, 211.03, 215.03, 219.03, 223.03, 227.03 und 231.03 Jugend- und Familienhilfe (JA) (siehe Einzelplan 1.2 bis 1.8 Bezirke) finanziert. Es lässt sich nicht darstellen, wie viele Mittel hieraus für politische Bildung aufgewandt werden. Im Übrigen siehe Drs. 21/8807. Zum Beitrag der Einrichtungen der Stadtteilkultur und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zur politischen Bildung siehe Drs. 21/8807, die Förderung der Einrichtungen erfolgt von der für Kultur und Medien zuständigen Behörde aus den Produktgruppen 251.06, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, sowie – über die bezirkliche Rahmenzuweisung – aus der Produktgruppe 251.12, Bezirkliche Zuweisung. Die Ermittlung eines Kostenanteils, der ausschließlich der politischen Bildung zuzurechnen wäre, erfolgt in den Einrichtungen nicht. Drucksache 21/14367 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Das Bezirksamt Altona hat in der Vergangenheit aus der Produktgruppe 21102, Sozialraummanagement , Einzelplan 1.3, Träger gefördert. Für 2019 sind aus der Produktgruppe 20903, Zentraler Ansatz Bezirksversammlung, Mittel in Höhe von 5.000 Euro für den Eigenanteil des Bezirksamtes Altona als Komplementärmittel zum Bundesprogramm „Demokratie leben“ vorgenmerkt. Daneben finden im Zuständigkeitsbereichs des Bezirksamts Altona in vielen stadtteilkulturellen/geschichtlichen Einrichtungen/ Projekten sowie Integrationsprojekten als auch in Einrichtungen der Offenen Kinderund Jugendarbeit und der Familienförderung (und hier insbesondere aufgrund des definierten Arbeitsauftrages) politische Bildung und Demokratiebildung statt. Viele Projekte beschäftigen sich im Hintergrund mit der Thematik oder schneiden sie an. Auswertbar hinsichtlich der Summen ist es allerdings nur bedingt, weil Institutionen, Einrichtungen und Projekte ganzheitlich gefördert werden (siehe auch Drs. 21/8807). Das Bezirksamt Hamburg-Mitte als Zuwendungsempfänger des Bundesprogrammes „Demokratie leben“ leitet die Mittel an die Koordinierungs- und Fachstelle des Instituts für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation e.V. weiter. Die zur Verfügung gestellten Mittel befanden sich für 2016 bis 2018 in der Produktgruppe 20702, Sozialraummanagement , Einzelplan 1.2. Für das Bezirksamt Harburg ist politische Bildung ein Auftrag der Offenen Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit. Zudem wird politische Bildung auch über das Ausüben von Beteiligung vermittelt, insbesondere durch das Mitwirken von zubenannten Bürgerinnen und Bürgern in Ausschüssen der Bezirksversammlungen, Mitgliedern der Seniorendelegiertenversammlungen und Seniorenbeiräten, Integrationsbeiräten sowie Quartiers- und Stadtteil- oder Sanierungsbeiräten et cetera. Diese Maßnahmen der politischen Wissensvermittlung und -übung sind keiner Produktgruppe zurechenbar. Darüber hinaus führt das Bezirksamt Harburg voraussichtlich bis Ende 2019 das Bundesprojekt „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit “ durch. Im Rahmen dieses Projektes werden zahlreiche Maßnahmen politischer Bildung durchgeführt. Die Antragstellung beim Bund für das Jahr 2019 läuft derzeit noch. Im Übrigen wird auf die Drs. 21/8807 verwiesen. 3. Um wie viel Prozent hat der Senat in den letzten Jahren die Mittel für politische Bildung seit dem Jahr 2015 erhöht? Bitte nach Jahren aufschlüsseln . 4. Um wie viel Prozent hat der Senat in den letzten Jahren die Mittel für die Träger seit dem Jahr 2015 erhöht? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Das Sachmittelbudget für politische Bildung ist in der Produktgruppe 238.01 bei der LZ veranschlagt und ergibt sich aus der nachstehenden Übersicht. Die Mittel für Träger werden als Kosten aus Transferleistungen abgebildet. Haushaltsjahr 2015 2016 20171) 2018 2019 2020 Haushaltsansatz in Tsd. Euro 1.373 1.453 1.537 1.537 1.548 1.548 davon Kosten aus Transferleistungen 979 1.059 1.059 1.059 1.059 1.059 1) Hier nicht aufgeführt sind einmalig für das Jahr 2017 aus dem Hamburger Integrationsfonds (Einzelplan 9.2) in den Einzelplan 3.1 übertragene Mittel in Höhe von 55.000 Euro (unter anderem Seminare für Geflüchtete, vergleiche Drs. 21/6983). 5. Inwiefern hat der Senat seit dem Jahr 2015 seine Aktivitäten im Bereich der politischen Bildung verändert? Wo hat er neue Schwerpunkte gesetzt, alte Schwerpunkte zurückgestellt und Mittel anders verteilt? Siehe Vorbemerkung. 6. Aus welchen Gründen wurde 2017 der Bereich politische Bildung aus dem Aufgabenbereich 245 Außerschulische Berufs- und Weiterbildung in den Aufgabenbereich 238 Steuerung und Service verlegt? 7. Zuvor waren das Jugendinformationszentrum (JI) und die Landeszentrale für Politische Bildung (LZ) eigenständige Ämter, nun sind sie dem Amt für Bildung untergeordnet. Warum und wie wird dadurch der politischen Bildung mehr Wertung beigemessen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14367 5 Das Jugendinformationszentrum (JIZ) und die LZ sind zu keinem Zeitpunkt eigenständige Ämter in der für Bildung zuständigen Behörde gewesen. Beide Bereiche waren bis zum 30. Juni 2015 in einer Abteilung des früheren Amtes für Weiterbildung zusammengefasst. Mit Wirkung zum 1. Juli 2015 wurden das JIZ und die LZ zur Stärkung ihrer Eigenverantwortlichkeit und Hervorhebung der jeweiligen Aufgabenschwerpunkte jeweils als eigenständige Dienststellen des Amtes für Bildung organisiert. Damit ergeben sich ein Bedeutungszuwachs als verselbständigte Einheit sowie ein Synergieeffekt im Hinblick auf die Kooperation mit den übrigen Instituten der für Bildung zuständigen Behörde, insbesondere dem LI. Mit dem Haushaltsplan 2017/2018 wurde die neue Struktur umgesetzt, indem beide Dienststellen als jeweils eigenständige Aufgabeneinheit der Produktgruppe 238.01 abgebildet wurden, der auch das Amt für Bildung zugeordnet ist.