BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14389 21. Wahlperiode 25.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 17.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebungen nach Afghanistan (XV) Trotz der katastrophalen Sicherheitslage wurden am 11.09.2018 vom Flughafen München Geflüchtete mit einer Chartermaschine nach Afghanistan abgeschoben. Nach Presseinformationen sollen bei der Abschiebung 17 Personen abgeschoben worden seien. Noch vor dem Start des Abschiebefliegers starben bei einem Anschlag in der Provinz Nangarhar knapp 70 Personen und weitere 165 Personen wurden verletzt. Auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) beschreibt in seinem aktualisierten Bericht von Anfang September die erhebliche Gefährdungslage in Afghanistan. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Personen hatte die zuständige Behörde für die Sammelabschiebung vorgesehen? Für die Maßnahme am 11. September 2018 war eine Person vorgesehen. 2. In wie vielen Fällen wurde die Abschiebung verhindert a. aufgrund einer Eingabe, b. aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung, c. aus anderen Gründen (bitte darlegen)? In keinem Fall. 3. Nach welchen Kriterien hat die Ausländerbehörde die Personen ausgewählt , die abgeschoben werden sollten beziehungsweise abgeschoben wurden? Bitte detailliert darstellen. Siehe Drs. 21/10786. 4. Bitte machen Sie zu den abgeschobenen Personen die folgenden Angaben , aufgeschlüsselt nach Personen: a. Geschlecht Die abgeschobene Person war männlich. b. Alter Die Person war 22 Jahre alt. c. Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Abschiebung Die Person hielt sich seit Oktober 2015 in Deutschland auf. Drucksache 21/14389 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 d. Zeiträume, für die der Personen ein Aufenthaltstitel erteilt war und einschlägige Vorschrift des Aufenthaltsgesetz Die Person war nie im Besitz eines Aufenthaltstitels. e. Datum eines etwaigen Asylantrages und Daten etwaiger Folgeanträge Die Person hat am 25. Februar 2016 einen Asylantrag gestellt. Am 7. September 2018 wurde ein Asylfolgeantrag gestellt. f. War im Zeitpunkt der Abschiebung über einen Folgeantrag noch nicht bestandskräftig entschieden? Nein. g. Rechtskräftige Verurteilungen der jeweiligen Person zu Straftaten (mit Angabe der einschlägigen Strafvorschrift, der Art der Strafe, des Tatzeitpunktes und des Strafmaßes) Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes sieht der Senat davon ab, etwaige Ermittlungsverfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind beziehungsweise zu einem Abschluss geführt haben, der entweder nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen oder nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes nicht mehr zu berücksichtigen ist. Die Auskünfte des Bundeszentralregisters vom 25.06.2018 enthalten keine mitteilungsfähige Eintragungen, gleiches gilt für die im Vorgangserfassungs- und Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft gespeicherten Daten. h. Wurde die Person aus der Strafhaft heraus abgeschoben? Nein. i. Wurde zur Sicherung der Abschiebung Sicherungshaft/Abschiebungshaft beziehungsweise Ausreisegewahrsam angeordnet? Ja. Für die Person wurde Abschiebungshaft gemäß § 62 Absatz 3 AufenthG richterlich angeordnet. j. Wurde ein etwaiger Antrag auf richterliche Anordnung von Sicherungshaft beziehungsweise Ausreisegewahrsam vor Festnahme der Person gestellt? Nein. k. Waren der Ausländerbehörde im Zeitpunkt der Abschiebung aktuelle Erkrankungen bekannt? Bitte auch Erkrankungen angeben, die nicht zu einer Flugreiseuntauglichkeit geführt haben. Bitte auch angeben, ob eine ärztliche Begutachtung erfolgt ist und, wenn ja, mit welchem Ergebnis. Es waren keine Erkrankungen bekannt, die zu einer Flugreiseuntauglichkeit geführt hätten. Es lagen Erkenntnisse zum Drogenmissbrauch vor. Eine ärztliche Begutachtung erfolgte am 14. August 2018. l. Gehört die Person einer ethnischen oder religiösen Minderheit an, die in Afghanistan bedroht, geächtet, diskriminiert beziehungsweise verfolgt wird? Bitte detailliert darstellen nach religiösen und ethnischen Minderheiten beziehungsweise Minderheiten sexuellen Orientierung . Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. m. Wie viele der tatsächlich abgeschobenen beziehungsweise zur Abschiebung vorgesehenen, aber nicht abgeschobenen Personen sind Mitglieder einer Familie, die aus mehreren Schutzsuchenden besteht? Keine. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14389 3 5. Bitte machen Sie zu dem Personenkreis der für den Flug ursprünglich vorgesehenen, aber dann nicht abgeschobenen Personen die Angaben wie in 4. a. bis m., aufgeschlüsselt nach Personen. Sofern aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Angaben gemacht werden können, bitte anonymisiert oder in Personenzahlen darstellen. Entfällt. 6. Wie viele Afghaninnen und Afghanen sind seit August 2018 jeweils freiwillig nach Afghanistan ausgereist? Wie viele davon sind Kinder? Im August 2018 sind zwei volljährige Personen freiwillig nach Afghanistan ausgereist. Für den Monat September liegen noch keine Daten vor. 7. Wie viele Plätze werden Hamburg bei der nächsten Sammelabschiebung „zur Verfügung gestellt“ beziehungsweise will der Senat in Anspruch nehmen? a. Für wann ist dieser terminiert? Die Koordination und Steuerung der Sammelabschiebung erfolgt durch die Bundespolizei des jeweiligen Abflughafens. Die Planungen sind diesbezüglich noch nicht abgeschlossen . 8. Wie viele Straftäterinnen und Straftäter mit afghanischer Staatsangehörigkeit befinden sich derzeit in hamburgischen Haftanstalten? Es befinden sich 43 afghanische Insassen in Strafhaft und 33 afghanische Insassen in Untersuchungshaft (Stand: 18.09.2018). a. Wie hoch ist die jeweilige Reststrafe? Strafgefangene lfd. Nr. Reststrafe 1 3 M 25 T 2 19 T 3 1 J 8 M 10 T 4 11 M 25 T 5 1 J 2 M 7 T 6 1 M 15 T 7 4 M 13 T 8 6 M 13 T 9 1 M 11 T 10 1 J 5 M 5 T 11 4 M 26 T 12 4 M 26 T 13 1 J 4 M 30 T 14 1 J 6 M 27 T 15 1 M 11 T 16 3 M 10 T 17 1 J 9 M 24 T 18 2 J 9 M 5 T 19 3 M 13 T 20 LL 21 LL 22 LL 23 LL 24 1 J 10 M 1 T 25 8 J 4 M 13 T 26 4 J 3 M 24 T 27 2 J 1 M 14 T 28 6 J 5 M 19 T 29 1 J 7 M 21 T 30 2 J 9 M 11 T Drucksache 21/14389 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Strafgefangene lfd. Nr. Reststrafe 31 7 J 5 M 24 T 32 5 J 6 M 2 T 33 4 J 9 M 3 T 34 14 T 35 2 J 11 M 6 T 36 3 J 5 M 26 T 37 4 J 3 M 4 T 38 1 J 7 M 28 t 39 6 J 5 M 23 T 40 7 M 15 T 41 2 J 6 M 9 T 42 5 M 25 T 43 18 T b. Sollen beziehungsweise ab wann können sie abgeschoben werden? Siehe Drs. 21/10786. 9. Wie beurteilt der Senat vor dem Hintergrund des aktualisierten Berichts des UNHCR zur Situation in Afghanistan die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan und aus welchen Gründen schiebt der Senat trotzdem weiterhin Menschen nach Afghanistan ab? Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes obliegen auswärtige Angelegenheiten dem Bund (Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 GG). In der Antwort der Bundesregierung vom 12. September 2018 – BT.-Drs. 19/4276 (http://dipbt.bundestag.de/doc/ btd/19/042/1904276.pdf) – wird die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan unter anderem wie folgt beurteilt: „Die Sicherheitslage in Afghanistan unterscheidet sich regional und unterliegt temporären Schwankungen. Die Sicherheitslage wird derzeit in den meisten urbanen Zentren als ausreichend kontrollierbar beurteilt. Insgesamt leben dort schätzungsweise zwei Drittel der Gesamtbevölkerung.“ Die Beurteilung, ob die aktuelle Sicherheitslage im Zielstaat der Abschiebung einen Schutzbedarf auslöst, der einer Abschiebung entgegensteht, ist im Übrigen im Einzelfall im Rahmen des Asylverfahrens vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu prüfen und zu entscheiden (siehe §§ 5, 24 Asylgesetz (AsylG)). An die Entscheidung des BAMF – im Falle eines Rechtsschutzverfahrens des Verwaltungsgerichts – ist die Ausländerbehörde bundesgesetzlich gebunden (siehe §§ 6, 42 AsylG). Bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen nach § 58 Aufenthaltsgesetz erfüllt die zuständige Ausländerbehörde mit der Abschiebung einen zwingenden bundesgesetzlichen Auftrag. Vor diesem Hintergrund beurteilt die zuständige Behörde die derzeit in Hamburg praktizierte Konzentration auf die Abschiebung von Straftätern und sonstigen die Sicherheit gefährdenden Personen nach Afghanistan für verantwortbar und geboten.