BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1443 21. Wahlperiode 08.09.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 01.09.15 und Antwort des Senats Betr.: Die Aufarbeitung der kolonialen Geschichte der Welterbestätte „Speicherstadt und Kontorhausviertel“ Das Welterbekomitee der UNESCO hat am 5. Juli 2015 auf seiner 39. Sitzung in Bonn dem Hamburger Antrag auf Aufnahme von „Speicherstadt und Kontorhausviertel“ in die UNESCO-Welterbeliste zugestimmt. In der Begründung des außergewöhnlichen universellen Wertes der Speicherstadt und des Kontorhausviertels schreibt die Stadt Hamburg für ihre Bewerbung unter dem Stichwort „Kriterien“: „Die hohe kulturgeschichtliche Bedeutung der Speicherstadt und des Kontorhausviertels, insbesondere der Kernzone, bestehend aus Chilehaus, Meßberghof, Sprinkenhof und Mohlenhof , liegt darin begründet, dass sie den städtebaulichen, architektonischen, technischen und funktionalen Wandel dokumentieren, der aus der starken Expansion des Welthandels in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts resultierte . (...)“ „Die beiden eng benachbarten monofunktionalen, sich in funktionaler Hinsicht ergänzenden Quartiere stellen zwei hervorragende Beispiele von Gebäude- und Ensembletypen dar, die die Folgen des expandierenden Welthandels im ausgehenden 19., respektive im beginnenden 20. Jahrhundert versinnbildlichen.“ Im Jahr 2006 hat die Deutsche UNESCO-Kommission ein Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention herausgegeben. Darin werden auch die Bedeutung des Bildungsauftrags und die Bezugnahme auf die gesamte Geschichte der Welterbestätte formuliert. Auf Seite 11 heißt es beispielsweise : „Welterbe-Bildung fördert das Bewusstsein für Identität, den gegenseitigen Respekt, den Dialog, das Gefühl der Solidarität und den positiven Austausch zwischen den Kulturen. An Welterbestätten können Kinder und Jugendliche den interkulturellen Zugang zu ihrer regionalen oder nationalen Geschichte, zur gemeinsamen europäischen Geschichte und zur Geschichte der Erde erleben, kreativ gestalten und erlernen.“ Mit der „Expansion des Welthandels in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts “ ging auch eine koloniale Expansion Hamburgs einher. Historische Spuren und Zeichen des Kolonialhandels im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts finden sich sowohl in der Speicherstadt als auch im Kontorhausviertel . Zudem weisen die Geschichte und räumliche Strukturen des Hafengebiets, in dem die Speicherstadt errichtet wurde, auf den früheren transatlantischen Handel hin, von dem Hamburger Handelsherren profitiert haben, und der auch mit dem Handel versklavter Menschen einherging. Dies Drucksache 21/1443 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 unterstreicht auch der Arbeitskreis Hamburg Postkolonial, der historische Rundgänge in diesem Stadtgebiet anbietet. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach einer angemessenen Vermittlung dieses historischen Kontextes der Weltkulturerbestätte im Rahmen des gesamtstädtischen postkolonialen Erinnerungskonzeptes. Ich frage den Senat: 1. Welche Ansätze zur Vermittlung der kolonialen Geschichte der Weltkulturerbestätte „Speicherstadt und Kontorhausviertel“ plant der Senat? 2. Auf welchem Wege plant der Senat die kolonialen Spuren der Weltkulturerbestätte „Speicherstadt und Kontorhausviertel“ auch in das Erinnerungskonzept „Aufarbeitung des kolonialen Erbes“ einfließen zu lassen? 3. Auf welchem Wege plant der Senat Kindern und Jugendlichen Zugang nicht nur zur „regionalen oder nationalen“ Geschichte der Welterbestätte „Speicherstadt und Kontorhausviertel“ zu ermöglichen, sondern vor allem – jenseits von eurozentristischen Betrachtungsweisen – den interkulturellen und solidarischen Zugang „zur gemeinsamen europäischen Geschichte und zur Geschichte der Erde“ erlebbar zu machen? Inwieweit wird dabei nach heutigen postkolonialen Kriterien Hamburgs koloniale Vergangenheit thematisiert und vermittelt? 4. Plant der Senat, weitere gesellschaftliche Akteure/-innen an der „Aufarbeitung des kolonialen Erbes“ im Rahmen des Weltkulturerbes „Speicherstadt und Kontorhausviertel“ zu beteiligen, so beispielweise die Partnerstadt Dar es Salaam, die Hamburger Communities von schwarzen Menschen und People of Color sowie die mit ihnen solidarisierenden NGOs? Wenn ja, auf welchem Wege? Wenn nein, warum nicht? Mit der Entwicklung von Konzepten für die Vermittlung der Welterbestätte und ihrer vielfältigen Aspekte für verschiedene Adressatenkreise kann erst jetzt, mit der Anerkennung der Kriterien für die Eintragung in die Welterbeliste, begonnen werden. Solche Konzepte zu initiieren und ihre Umsetzung zu begleiten, wird zu den Aufgaben einer Welterbe-Koordinatorin beziehungsweise eines Welterbe-Koordinators gehören, die beziehungsweise der noch bestellt wird. Die Speicherstadt und das Kontorhausviertel werden von der Forschungsstelle „Hamburgs (post-) koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung“ im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Welthandel, der zum Teil Handel mit Kolonien und Kolonialmächten war, berücksichtigt. Sie sind wichtige (post-)koloniale Erinnerungsorte . Die Forschungsstelle steht dazu im Austausch mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen sowie Fachleuten aus dem In- und Ausland. 5. Plant der Senat im Zuge des diesjährigen „Tages des offenen Denkmals“ das Thema Kolonialismus beziehungsweise koloniale Spuren in der Speicherstadt und im Kontorhausviertel in das Veranstaltungsprogramm zu integrieren? Wenn ja, auf welchem Wege? Wenn nein, warum nicht? Nein. Das bundesweite Thema des diesjährigen Tags des offenen Denkmals lautet „Handwerk, Technik, Industrie“, dabei stehen andere Aspekte im Vordergrund. Beim Tag des offenen Denkmals 2013 fanden angesichts des Themas „Unbequeme Denkmale “ mehrere Veranstaltungen zu kolonialgeschichtlichen Bezügen der LettowVorbeck -Kaserne in Jenfeld und Personendenkmalen an der Sternwarte in Bergedorf statt. Im Zuge der Auftaktveranstaltung fand zudem ein Vortrag zu kolonialen Spuren mit Verweis auf die Ausstellung „freedom roads!“ im Kunsthaus statt.