BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14430 21. Wahlperiode 28.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 21.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Aufarbeitung von Missständen bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung Das effiziente Vorgehen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung ist ein maßgebliches Instrument zur Bekämpfung schwerster krimineller Tatbestände und zur präventiven Gefahrenabwehr. In der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU), die als zentraler Akteur die „Verhinderung, Aufdeckung und Unterstützung bei der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorfinanzierung“ (Artikel 32 Absatz 1 der EU-Richtlinie 2015/849) gewährleisten soll, bestehen nach vielfachen Berichten gravierende Missstände. Seitdem die FIU zum 26.06.2017 fachlich und strukturell neu ausgerichtet und zur Generalzolldirektion in das Zollkriminalamt überführt wurde, mehren sich Belege und Hinweise, dass die FIU Meldungen, die mit Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche in Zusammenhang stehen, nicht innerhalb der gesetzlichen Frist an die zuständigen (Strafverfolgungs-)Behörden der Länder weitergeleitet hat. Transaktionen von Geldern konnten somit von den zuständigen Stellen nicht mehr rechtzeitig vor einem Eingang in den Geldkreislauf angehalten beziehungsweise ausgesetzt werden. Während die Qualität der Bearbeitung vor der fristgerechten Weiterleitung wichtig ist, spielt diese bei sehr später Weiterleitung eine besondere Rolle, um vor Ort noch zeitnah Maßnahmen treffen zu können oder die Erkenntnisse wenigstens noch für die weitere kriminalistische Arbeit verwerten zu können. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele nicht fristgerecht weitergeleitete Geldwäscheverdachtsmeldungen gemäß §§ 43 Absatz 1, 46 Absatz 1 Nummer 2 des Geldwäschegesetzes (GWG) – sogenannte Fristfälle – sind dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden seit dem 26.06.2017 bekannt? Bitte um Angabe in tabellarischer Form, sortiert nach Datum und Höhe der Transaktion in Euro. Bitte um Berücksichtigung der Informationen der Behörde für Inneres und Sport, des Landeskriminalamtes, der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter mit dem BKA (AG Kripo) sowie gegebenenfalls weiterer Behörden und Stellen. a. Wie viele dieser Meldungen trafen seit dem 26.06.2017 in welchem Monat jeweils bei den zuständigen Stellen in Hamburg ein? b. Wie viele dieser Fälle standen in Zusammenhang beziehungsweise in Verdacht mit Geldwäsche? c. Wie viele dieser Fälle standen in Zusammenhang beziehungsweise in Verdacht mit Terrorfinanzierung? Drucksache 21/14430 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 d. Bei wie vielen dieser Fälle ist eine Zuordnung zu b. oder c. aufgrund der späten Zuleitung oder pauschalen Vorbearbeitung bei der FIU nicht oder nicht mehr möglich? 2. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen wurden unmittelbar vor Fristablauf von der FIU an die (Strafverfolgungs-)Behörden übermittelt, sodass nicht mehr die Möglichkeit einer fristgerechten Vornahme strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen bestand? 3. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen sind nach Kenntnis des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörden den (Strafverfolgungs -)Behörden seit dem 26.06.2017 mit dem Hinweis „Russian Laundromat “ weitergeleitet worden? Statistische Daten im Sinne der Fragestellungen werden von der Polizei nicht erhoben . Für die Beantwortung wäre eine manuelle Durchsicht sämtlicher im erfragten Zeitraum beim Fachkommissariat Finanzermittlungen/GFG im Landeskriminalamt (LKA 66) von der Financial Intelligence Unit (FIU) eingegangenen Geldwäscheverdachtsmeldungen (GWVM) erforderlich. Die Auswertung der bis zum Stichtag 24. September 2018 beim LKA 66 vorliegenden 1.205 Vorgänge ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . 4. Wie viele Strafverfahren wurden seit dem 26.06.2017 von den zuständigen (Strafverfolgungs-)Behörden eingeleitet, in denen die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen Informationen zugeliefert hat? Es wird im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft nicht erfasst, in welchen Verfahren die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) Informationen zugeliefert hat. Es wäre neben einer händischen Durchsicht sämtlicher Geldwäscheverfahren auch eine händische Durchsicht sämtlicher weiterer bei der Staatsanwaltschaft geführter Verfahren notwendig, da nicht alle Verfahren, in denen die FIU Informationen zugeliefert hat, wegen Geldwäsche geführt werden, sondern im Einzelfall bereits durch das LKA 66 eine abweichende Einschätzung und Feststellung anderer, führender Straftaten erfolgt als auch im späteren Verlauf durch die Staatsanwaltschaft. 5. Wie viele Maßnahmen zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr wurden aufgrund der Zulieferungen der FIU eingeleitet? Siehe Antwort zu 1. bis 3. 6. In wie vielen Fällen hat die zuständige Staatsanwaltschaft die FIU seit dem 26.06.2017 über die weitere strafprozessuale Entwicklung gemäß § 42 des Geldwäschegesetzes in Kenntnis gesetzt? Bitte sortiert nach Datum und Art der Übersendung (Anklageschrift, begründeter Einstellungsentscheidung und Urteil des Strafverfahrens) darstellen. Siehe Antwort zu 4. 7. Bewertet der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden die Qualität der von der FIU übersandten Analysen als in einem angemessenen Maße verwertbar? Nach Auffassung der Polizei haben die Analyseberichte der FIU derzeit noch nicht das erforderliche Qualitätsniveau. Hierzu haben die Polizeien der Länder und das Bundeskriminalamt (BKA) Mindeststandards für die Analyseberichte entwickelt und der FIU mitgeteilt. 8. Wie bewerten das LKA 66 und gegebenenfalls weitere für die Bearbeitung der Geldwäscheverdachtsmeldungen zuständige Stellen qualitativ die sogenannte Vorfilterfunktion der FIU? Der Grundgedanke einer zentralen Filterung und Steuerung der GWVM der Verpflichteten wird positiv bewertet. Die Qualität der Vorfilterfunktion wird entscheidend dadurch geprägt, ob innerhalb der FIU die nötige fachliche Kompetenz, die Erfahrung und ein ausreichender Zugang zu den erforderlichen Datensystemen vorhanden ist, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14430 3 um eine verantwortliche Beurteilung vornehmen zu können. Ob diese Funktion durch die FIU in der erforderlichen Qualität ausgeführt wird, kann durch das LKA 66 nicht abschließend beurteilt werden. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. 9. In wie vielen Fällen erfolgte die Weiterleitung der FIU ohne oder lediglich mit pauschalen inhaltlichen Bewertungen? In wie vielen Fällen erfolgte diese Weiterleitung erst nach Fristablauf? Siehe Antwort zu 1. bis 3. 10. Sind bei den zuständigen Stellen und insbesondere im LKA 66 die notwendigen Ressourcen vorhanden, um unregelmäßig eingehende Weiterleitungen aus der FIU zeitnah weiter zu bearbeiten? Wie gestaltet sich dies, wenn Weiterleitungen ohne oder mit lediglich pauschaler Bewertung solche zeitlich gehäuften Eingänge dominieren? Wie viele Rückstellungen von Geldwäscheverdachtsfällen mussten beim LKA 66 und gegebenenfalls bei weiteren für die Bearbeitung zuständigen Stellen in jeweils welchem Monat seit dem 22.06.2017 gebildet werden? Wie war in dem jeweiligen Monaten seit dem 26.06.2017 jeweils die Vorgangsbelastung der einzelnen Mitarbeiter im LKA 66 und erscheint dem Senat das LKA 66 personell quantitativ richtig aufgestellt, um die FIU-Vorgänge in Anbetracht der Taktung ihres Eintreffens und der Qualität der erfolgten „Vorfilterung“ zeitgerecht abzuarbeiten? Alle beim LKA 66 eingehenden GWVM werden zeitnah gesichtet und grundsätzlich unmittelbar der Sachbearbeitung zugeschrieben. Die Abarbeitung erfolgt in Abhängigkeit der Anzahl der durch die Mitarbeiter jeweils zu bearbeitenden Vorgänge sowie des Umfangs des im Einzelfall erforderlichen Ermittlungsaufwandes; dieser ist auch von der Qualität des Analyseberichtes der FIU abhängig. Fristfälle werden vorrangig bearbeitet, ebenso Vorgänge mit besonderer strafrechtlicher Relevanz. Die FIU hat dem LKA 66 im Juni 2018 eine große Anzahl von GWVM übermittelt, sodass nicht alle dieser Vorgänge einem Sachbearbeiter zugeschrieben werden konnten . Nach einer Sichtung wurden 39 als „nachrangig zu priorisieren“ bewertete Vorgänge zunächst zurückgestellt; von diesen sind bis zum Stichtag 25. September 2018 noch 29 Vorgänge nicht zugeschrieben worden. Eine Erhebung der Vorgangsbelastung im Sinne der Fragestellung für einzelne Mitarbeiter erfolgt beim LKA 66 nicht. Zur Entlastung der Mitarbeiter ist das LKA 66 mit fünf zusätzlichen Arbeitnehmerstellen für die Sachbearbeitung ausgestattet worden. Zwei Stellen wurden bereits besetzt, für zwei weitere Stellen sind die Auswahlverfahren abgeschlossen und die Besetzung der fünften Stelle ist in Vorbereitung. 11. Mit welchen Aktivitäten hat der Senat sich angesichts der abzeichnenden Defizite beim Bund konkret für eine Verbesserung der Zusammenarbeit der FIU mit den zuständigen Hamburger Behörden eingesetzt? Welche weiteren Aktivitäten wird der Senat darüber hinaus noch weiter ergreifen und wann? Hat der Senat in dieser Hinsicht den Kontakt mit dem zuständigen Bundesminister aufgenommen und falls ja, mit welchem Ergebnis? Die Thematik FIU wird regelmäßig innerhalb der zuständigen bundesweiten Gremienstrukturen erörtert. Darüber hinaus ist das LKA 66, gemeinsam mit den für die Geldwäschebekämpfung zuständigen Dienststellen der anderen Polizei der Länder und dem BKA, in einem kontinuierlichen Austausch mit der FIU, um die gemeinsame Zusammenarbeit zu verbessern. Im Übrigen siehe auch Antwort zu 7.