BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14431 21. Wahlperiode 28.09.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Oetzel und Jens Meyer (FDP) vom 21.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Bewerbung um ein neues Leibniz-Institut – Was ist der aktuelle Stand? Den Medien lässt sich entnehmen, dass Hamburg sich am 1. September mit seinen naturkundlichen Sammlungen auf ein sechstes Leibniz-Institut beworben hat. Diese Bewerbung geschieht in Kooperation mit dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn.1 Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um das geplante Naturkundemuseum stellt sich die Frage, wie der aktuelle Stand in Bezug auf die Bewerbung ist und welche inhaltlichen oder organisatorischen Vorgaben sich durch den Rahmen der Bewerbung für das geplante Institut ergeben.2 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die gemeinsame Förderung durch Bund und Länder der Mitgliedseinrichtungen der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. (WGL) erstreckt sich auf selbständige Einrichtungen der Forschung und wissenschaftlichen Infrastruktur von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischen Interesse. Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet derzeit 93 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Aktuell sind folgende Hamburger Einrichtungen Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA), Heinrich-Pette-Institut – Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI), Hans-Bredow-Institut für Medienforschung (HBI) sowie ab dem 01.01.2019 – gemeinsam mit Schleswig-Holstein – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW). Von den derzeit acht zur Leibniz-Gemeinschaft zählenden Forschungsmuseen haben fünf einen kultur- und technikorientierten Schwerpunkt, drei Forschungsmuseen arbeiten mit natur- und lebenswissenschaftlichen Fokus. Neben dem Bonner Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK) sind dies derzeit das Berliner Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN) und die Frankfurter Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) mit Instituten in verschiedenen Bundesländern. 1. Wie verlief der bisherige Vorgang um die Bewerbung? Bitte im Detail darstellen. 1 https://www.welt.de/regionales/hamburg/article181427140/Wissenschaft-Hamburgs- Bewerbung-fuer-neues-Leibniz-Institut.html (Stand 21.09.2018). 2 https://www.abendblatt.de/hamburg/article215364309/Fegebank-Debatte-um-Science-Centerist -sehr-schaedlich.html (Stand 21.09.2018). Drucksache 21/14431 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Seit der ersten Evaluierung der Zoologischen Sammlungen in 2009 durch den Wissenschaftsrat (WR) hat die Universität Hamburg (UHH) kontinuierlich die empfohlene inhaltliche Fokussierung und organisatorische Verselbständigung verfolgt. Im Mai 2014 wurden im Zuge der Berufung eines in diesem Bereich profilierten Wissenschaftlers auf die W3-Professur Biodiversität der Tiere das Centrum für Naturkunde (CeNak) gegründet, Forschungsaktivitäten gebündelt und neu ausgerichtet, Personal aufgestockt, die Aktivitäten zum Wissenstransfer und zur Ausstellungsattraktivität ausgeweitet sowie erste Ideen für ein Naturkundemuseum in Hamburg konkretisiert (zum Beispiel Herbstworkshop 2015 der Academy for Architectural Culture). Im Jahr 2017 hat der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zur Weiterentwicklung der MINT-Bereiche an den Hochschulen des Landes erneut die Bedeutung der wissenschaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastruktur hervorgehoben. Im Mai 2017 wurden im Rahmen eines Besuchs des Präsidenten der Leibniz- Gemeinschaft im CeNak der UHH mögliche Optionen für die Aufnahme des CeNak in die Leibniz-Gemeinschaft besprochen. Im Herbst 2017 hat Hamburg mit Schreiben an die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) einen Aufnahmeantrag Hamburgs angekündigt. Im Winter 2017/2018 fanden durch die Leitung des CeNak Sondierungsgespräche mit allen drei bereits in der Leibniz-Gemeinschaft befindlichen naturkundlichen Forschungsmuseen (siehe Vorbemerkung) statt. Dabei hat sich das ZFMK als der am besten geeignete Partner herausgestellt; die beiden etwa gleich großen Einrichtungen haben komplementäre Kompetenzen und Forschungsschwerpunkte sowie sich ergänzende Sammlungsschwerpunkte. Bis August 2018 haben daraufhin der Direktor des CeNak und der Direktor des ZFMK ein Forschungskonzept für einen Zusammenschluss von CeNak und ZFMK als neues Leibniz-Institut für die Analyse des Biodiversivitätswandels/Leibniz Institute for Biodiversity Change (L.I.B.) erarbeitet und abgestimmt. Die Gremien der beiden Einrichtungen unterstützen den Zusammenschluss zu einem neuen Institut; der Stiftungsrat des ZFMK hat im August 2018 der Antragstellung zur Aufnahme in die Leibniz- Gemeinschaft zugestimmt. 2. Was ist der aktuelle Stand in Bezug auf die Bewerbung um ein neues Leibniz-Institut in Hamburg? Für die Aufnahme einer neuen Einrichtung oder einer strategischen Erweiterung einer bestehenden Einrichtung ist jeweils bis zum 1. September ein Förderantrag entsprechend der Vorgaben der Leibniz-Gemeinschaft einzureichen. Das Land Nordrhein-Westfalen als Träger des ZFMK hat (in Abstimmung mit Hamburg ) zum 01.09.2018 einen entsprechenden Antrag zur Gründung eines zukünftigen neuen Leibniz-Instituts aus dem ZFMK heraus mit zwei Standorten in Bonn und Hamburg eingereicht. Über die Annahme des Antrags und die Beauftragung der dann erforderlichen Begutachtungsverfahren durch die Leibniz-Gemeinschaft und den Wissenschaftsrat entscheidet der GWK-Ausschuss. Maßgeblich für die Entscheidung ist neben den finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen das Ergebnis eines wissenschaftspolitischen Gesprächs von Bund und Ländern, bei dem der Stimme des Bundes das größte Gewicht zukommt. 3. Was für ein Museumskonzept bildet den inhaltlichen Kern der Bewerbung um das neue Leibniz-Institut? Bitte im Detail darstellen. Den inhaltlichen Kern der Bewerbung bildet das Konzept eines integrierten Forschungsmuseums mit einer Fokussierung auf die Forschung. Im Zentrum des Leibniz- Instituts für die Analyse des Biodiversitätswandels (L.I.B.) steht dementsprechend die Forschung zum Biodiversitätswandel, das heißt die Erforschung von Struktur und Funktion von Organismen im Kontext ihrer Lebensgrundlagen unter Einbeziehung der Wechselwirkungen von Artenvielfalt und Umwelteinflüssen. Die Sammlungen von ZFMK und CeNak als Gegenstand der Forschung ergänzen sich dabei komplementär, wobei diese jeweils in Bonn und Hamburg als Schaufenster der Wissenschaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Das Konzept des integrierten For- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14431 3 schungsmuseums basiert insgesamt auf einer Interaktion zwischen Forschung, Sammlung und Wissenstransfer als Alleinstellungsmerkmal der Leibniz-Museen. Das neu zu schaffende L.I.B. soll sich dem folgend durch die Fokussierung auf die Dynamik des Wandels der biologischen Umwelt in der Kombination von Evolutionsforschung und Biodiversitätsanalysen zu anderen Forschungsmuseen abgrenzen. Hierbei werden Arten und Populationen in der Landschaft dokumentiert, analysiert und in einen größeren Gesamtkontext von Klima und Umwelt gestellt. In Analogie zu der Klimawandelforschung soll exzellente Forschung zum Wandel der biologischen Umwelt entstehen. Das neu zusammengesetzte Wissenschaftlerteam bringt dafür exzellente Voraussetzungen mit, da es eine Integration von taxonomischer Expertise, einer ausgewiesenen morphologischen und molekularen Evolutionsforschung, Methoden der Analyse von Umweltproben, neuartige Methoden für Biodiversitätsmonitoring sowie Expertise im Sammlungsmanagement mit modernsten Biodiversitätsdatenbanken und Bioinformatik kombiniert. 4. Welche inhaltlichen oder organisatorischen Vorgaben ergeben sich aus dem bisherigen Vorgang oder aus der laufenden Bewerbung in Bezug auf die Ausgestaltung des geplanten Instituts? Gemäß der Leibniz-Anforderungen muss eine Einrichtung für die Aufnahme in die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern nach den Regelungen der Leibniz- Gemeinschaft von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischen Interesse sein, über eine kohärente Forschungskonzeption verfügen, im nationalen und internationalen wissenschaftlichen Umfeld klar positioniert und mit Hochschulen vernetzt sowie wissenschaftlich und in der Regel rechtlich selbständig sein. Diese Vorgaben sind in dem L.I.B.-Konzept berücksichtigt. 5. In den Medien wurde von einer Entscheidung über die Bewerbung bis Ende 2019 berichtet. Welchen Zeitrahmen nehmen der Senat und die zuständige Behörde als Planungsgrundlage für die Umsetzung des Instituts beziehungsweise Museums? Planungsgrundlage sind die rechtlichen Grundlagen und Verfahrensregelungen im Kontext der GWK. Das GWK-Verfahren ermöglicht eine Antragstellung zur Aufnahme neuer Vorhaben in die überregionale Finanzierung durch Bund und Länder grundsätzlich jeweils zum 1. September eines Jahres (siehe Antwort zu 2.). Beantragt ist derzeit eine Förderung des L.I.B. durch Bund und Länder ab dem 01.01.2021. Der Erfolg dieses Antrags hängt ab von den voraussichtlich ab 2021 tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln im Budget für die Leibniz-Gemeinschaft, der wissenschaftspolitisch und fachlich fundierten Willensbildung in den Gremien von GWK und Leibniz- Gemeinschaft sowie von positiven Evaluierungen des Vorhabens L.I.B. durch die Leibniz-Gemeinschaft und den Wissenschaftsrat, welche frühestens im Jahr 2019 erfolgen könnten.