BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14433 21. Wahlperiode 02.10.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) vom 24.09.18 und Antwort des Senats Betr.: Schwarzarbeit und Mindestlohnbetrug in Hamburg In meinen Schriftlichen Kleinen Anfrage zum Thema Schwarzarbeit vom 5. Juni 2015 und 19. Juni 2015 (Drs. 21/695 und 21/839) nennt der Senat einige behördenübergreifende Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Schwarzarbeit und der Ausbeutung insbesondere von Ausländern. Das Thema hat durch eine medienwirksame Razzia des Zolls zum Kampf gegen den Mindestlohnbetrug in der vergangenen Woche wieder einmal Aktualität erlangt. Branchen wie der Bau, das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe sowie Speditions-, Transport- und Logistikfirmen standen dabei besonders im Fokus. Ähnlich dem Blitzer-Marathon wurden rund 6.000 Fahnder bundesweit eingesetzt, um Mindestlohnverstöße und Schwarzarbeit aufzudecken und dabei öffentlichkeitswirksam auf die Problematik hinzuweisen. Fraglich ist insoweit die Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Einsatz wurde unter der Leitung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) durchgeführt; siehe auch Pressemeldung des Zolls unter https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/121230/4063238. Die Beantwortung erfolgt unter Beteiligung der Generalzolldirektion. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Fahnder waren in der vergangenen Woche bei der Razzia zur Bekämpfung von Mindestlohnbetrug und Schwarzarbeit speziell in Hamburg im Einsatz? Am 11. und 12. September 2018 haben insgesamt 149 Bedienstete der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) in Hamburg die Einhaltung der Mindestlohnregelungen geprüft. Dabei befragten die Zöllnerinnen und Zöllner Personen zu ihren Arbeitsverhältnissen und führten Geschäftsunterlagenprüfungen bei Arbeitgebern durch. 2. Wie viele Verstöße wurden dabei festgestellt? Die FKS in Hamburg hat bisher fünf Ermittlungsverfahren eingeleitet. In 88 Fällen sind weitere Sachverhaltsaufklärungen erforderlich. 3. Wie hat sich im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung der Razzia die Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden dargestellt? Wie bei Großeinsätzen üblich wurden die Lagezentren der Polizei sowie der Bundespolizei vorab über die Maßnahmen unterrichtet. 4. Wie viele Verstöße wurden in den Jahren 2015 bis 2018 (Stichtag 30. Juni 2018) jeweils jährlich festgestellt? Drucksache 21/14433 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die insgesamt abgeschlossenen Ermittlungsverfahren der FKS Hamburg in dem genannten Zeitraum ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle. Die darin enthaltenen Verstöße gegen Mindestlohnvorschriften (einschließlich Aufzeichnungs- und Meldepflichten ) gemäß Mindestlohngesetz (MiLoG), Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AentG) und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sind zusätzlich ausgewiesen. Ermittlungsverfahren der FKS in Hamburg alle Tatbestände 2015 2016 2017 1. HJ 2018 abgeschlossene Ordnungswidrigkeitenverfahren 956 1.002 1.111 607 abgeschlossene Strafverfahren 2.115 2.310 2.031 1.202 Insgesamt 3.071 3.312 3.142 1.809 davon Verstöße gegen Mindestlohnvorschriften gemäß MiLoG, AentG, AÜG 2015 2016 2017 1.HJ 2018 abgeschlossene Ordnungswidrigkeitenverfahren 55 79 135 59 Der im Sinne der Fragestellung verwendete Begriff „Schwarzarbeit“ wird ausschließlich im Zusammenhang mit dem Schwarzarbeitsgesetz (SchwarzArbG) benutzt; der Begriff wird in keiner weiteren Strafnorm verwendet. Unter den Begriff „Schwarzarbeit“ fallen alle einschlägigen Arbeitgeberverstöße, wie beispielsweise das Vorenthalten von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Strafgesetzbuch (StGB), Verstöße gemäß §§ 10 SchwarzArbG, Betrug zum Nachteil der Agentur für Arbeit hinsichtlich Förder- und Ausgleichszahlungen für den Arbeitgeber gemäß § 263 StGB sowie Verstöße gemäß §§ 15 fortfolgende Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Die Polizei erfasst Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS); das Merkmal „Schwarzarbeit“ wird in der PKS nicht erfasst. Verstöße gemäß §§ 10 SchwarzArbG werden ausdrücklich nur unter der PKS- Schlüsselzahl 713030 – Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung oder ohne Aufenthaltstitel und zu ungünstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 10 SchwarzArbG – erfasst. Die unter dem PKS-Schlüssel 713030 erfassten Fälle sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Jahr erfasste Fälle aufgeklärte Fälle 2015 0 0 2016 1 1 2017 0 0 1. Halbjahr 2018 1 1 Alle anderen Delikte im Sinne der Fragestellung werden in der PKS wie folgt erfasst: PKS-Schlüssel 522000 Vorenthalten/Veruntreuen von Arbeitsentgelt PKS-Schlüssel 517100 Leistungsbetrug (nur teilweise einschlägig) PKS-Schlüssel 710000 Strafrechtliche Nebengesetze Wirtschaft (Summen- schlüssel) Darüber hinaus ist eine Differenzierung von Delikten im Sinne der Fragestellung und anderen nicht im Sinne der Fragestellung einschlägigen Delikten unter den PKS- Schlüsseln 522000, 517100 sowie 710000 erfassten Delikte nicht möglich. So enthält zum Beispiel der PKS-Schlüssel 5222000 auch Delikte, in denen der Arbeitgeber aus anderen Gründen das fällige Arbeitsentgelt nicht zahlt. Für die Beantwortung wäre eine manuelle Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums an den für die einschlägigen Delikte zuständigen Dienst- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14433 3 stellen des Landeskriminalamtes (LKA) erforderlich. Die Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Welche und wie viele Sanktionen wurden in den Jahren 2015 bis 2018 (Stichtag 30.Juni 2018) für die Verstöße gegen Beschäftigungsvorschriften verhängt? 6. Wie viele Bußgelder und Geldstrafen hat der Fiskus hierdurch jährlich eingenommen? Die FKS ist für die Prüfung und Ahndung von Verstößen gegen Mindestlohnvorschriften gemäß Mindestlohngesetz (MiLoG), Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AentG) und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zuständig. Für Straftaten nach dem AÜG liegt die Zuständigkeit auch bei der Polizei Hamburg. Für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften sind die Arbeitsschutzbehörden der Länder zuständig. Die von der FKS in Hamburg verhängten Sanktionen wegen Verstößen gegen Mindestlohnvorschriften (einschließlich Aufzeichnungs- und Meldepflichten) gemäß Mindestlohngesetz , Arbeitnehmer-Entsendegesetz und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle: Verstöße gegen Mindestlohnvorschriften gemäß MiLoG, AentG, AÜG 2015 2016 2017 1.HJ 2018 Festgesetzte Geldbußen, Verwarnungsgelder, Verfallbeträge * 35.856,00 € 205.440,00 € 225.620,00 € 171.260,00 € * Eine Differenzierung, in welcher Höhe von der FKS festgesetzte Geldbußen, Verwarnungsgelder und Verfallbeträge in Hamburg tatsächlich vereinnahmt wurden, ist nicht möglich. Unter die angefragten Beschäftigungsvorschriften können auch Arbeitsschutzvorschriften fallen. Bei der obigen Beantwortung wurden aufgrund der Fragestellung die Daten über Verstöße gegen das Chemikaliengesetz und zur Produktsicherheit nicht erfasst. Zu den Arbeitsschutzvorschriften zählen insbesondere auch die Sozialvorschriften im Straßenverkehr (Verfahren gegen Fahrer und Unternehmen wegen Lenkund Ruhezeitverstößen), die den weitaus größten Teil der Bußgeldverfahren und der Einnahmen ausmachen. Soweit gegen Arbeitsschutzvorschriften verstoßen wird, wird als verfahrensabschließende Handlung im Amt für Arbeitsschutz in der Regel ein Bußgeldbescheid erlassen. Demnach hat das Amt für Arbeitsschutz in den Jahren 2015 bis zum 30.06.2018 folgende Anzahl von Verfahren aufgrund von Verstößen gegen Beschäftigungsvorschriften durchgeführt: 2015 2016 2017 2018 Verfahren Gesamt 1244 1198 1059 566 Im Amt für Arbeitsschutz wurden in den genannten Jahren aus Bußgeldverfahren folgende Einnahmen erzielt: 2015 2016 2017 2018 Erlöse Gesamt* 583.604,00 € 592.706,00 € 437.423,00 € 318.258,00 € * Bei den Erlösen wurden auch die noch nicht rechtskräftigen Bescheide berücksichtigt. Der Begriff der Schwarzarbeit umfasst umgangssprachlich eine Vielzahl von Buß- und Strafvorschriften, die nicht eingrenzbar sind und die bei strafrechtlicher Eingruppierung neben Regelungen des Nebenstrafrechts auch das Steuerstrafrecht und Straftatbestände aus dem Zweiundzwanzigsten Teil des Strafgesetzbuches (§§ 263 fortfolgende StGB) und dem Dreiundzwanzigsten Teil (§§ 267 fortfolgende StGB) umfassen. Ein Straftatbestand des „Mindestlohnbetruges“ existiert nicht. Das Mindestlohngesetz selbst enthält ausschließlich Bußgeldvorschriften. Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft wird nicht erfasst, ob die Drucksache 21/14433 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Verfahren Verstöße gegen Beschäftigungsvorschriften aus den genannten Bereichen enthalten. Eine Nennung der Zahl entsprechend geführter Verfahren einschließlich der Verfahrensausgänge ist daher nicht möglich. 7. Welche neuen Maßnahmen und Vorkehrungen hat es in der Zusammenarbeit von Zoll und örtlichen Behörden in Hamburg seit 2015 zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Mindestlohnbetrug gegeben? Die Zusammenarbeit von Zoll und örtlichen Behörden in Hamburg wurde seit dem Jahr 2015 weiter intensiviert. Zum Beispiel werden Einsatzpläne jeweils vor der Durchführung der Maßnahmen an die Lagezentren der Polizei beziehungsweise der Bundespolizei versandt. Bei Schwerlastkontrollen der Polizei wird der FKS Hamburg regelmäßig die Möglichkeit der Teilnahme in eigener Zuständigkeit angeboten. Seit dem vergangenen Jahr unterstützt die FKS Hamburg die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Durchführung der sogenannten Aktionstage zur Bekämpfung des organisierten Sozialleistungsmissbrauchs . Daneben nimmt die FKS Hamburg regelmäßig an Gesprächsrunden (Runden Tischen, Zusammenarbeitsgesprächen) mit der Finanzbehörde, einzelnen Finanzämtern, der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, der Rechtsstelle des Jobcenters, der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, der Staatsanwaltschaft Hamburg, dem Landeskriminalamt sowie der Hamburger Einrichtung Arbeit und Leben Hamburg e.V. teil. Ein intensiver Informationsaustausch findet auch zwischen der Zentralen Schwarzarbeitsbekämpfung (ZLS) und dem Zoll, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) und der Handwerkskammer Hamburg statt. Die Behörde für Arbeit, Soziales Familie und Integration fördert seit mehreren Jahren aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit beim DGB Hamburg. Die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit arbeitet anlassbezogen und vertrauensvoll mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls zusammen. Die Servicestelle organisiert darüber hinaus den Runden Tisch „Fairness und klare Regeln auf dem Hamburger Arbeitsmarkt“ in dem aktuelle Entwicklungen und Fragestellungen besprochen werden. Entsprechend der zwischen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung und den für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden der Länder vereinbarten Grundsätze der Zusammenarbeit unterrichtet das Amt für Arbeitsschutz den Zoll, sofern bei Kontrollen des Amtes für Arbeitsschutz Anhaltspunkte für Schwarzarbeit und/oder illegale Beschäftigung vorliegen. Insbesondere im Personen- und Güterkraftverkehr werden gemeinsame Betriebskontrollen und Straßenkontrollen zum Beispiel am Zentralen Omnibusbahnhof mit dem Zoll durchgeführt. Zudem arbeitet das Amt für Arbeitsschutz bei Beschwerden oder Verdachtsfällen im Einzelfall mit dem Zoll zusammen. Die Staatsanwaltschaft arbeitet eng mit dem Zoll und der Steuerfahndung zusammen. Die Justizbehörde hat zudem am Runden Tisch der Zollgewerkschaft zum Thema „behördenübergreifendes Vorgehen gegen den systematischen Sozialleistungsmissbrauch in der Freien und Hansestadt Hamburg“ am 5. April 2018 teilgenommen, in dessen Rahmen ein effektiver Austausch stattfand. Bei der Polizei Hamburg besteht seit dem Jahr 2017 eine gemeinsame Ermittlungsgruppe aus Mitarbeitern des Zolls/FKS und des Fachkommissariats Allgemeine Wirtschaftsdelikte (LKA 53), die in einem konkreten Fall ein gemeinsames Ermittlungsverfahren zur Bekämpfung der Schwarzarbeit führen. Die Ermittlungen dauern derzeit noch an. Im Übrigen siehe Drs. 21/695.