BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14532 21. Wahlperiode 12.10.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulrike Sparr (GRÜNE) und Dr. Monika Schaal (SPD) vom 04.10.18 und Antwort des Senats Betr.: Mein Hamburg – Mein Klima: Nutzen und Kosten von Gründächern Der Sommer 2018 hat mit seinen Rekordtemperaturen und der anhaltenden Trockenheit eindrücklich vor Augen geführt, was der Klimawandel bedeutet. Auch wenn wir hoffen dürfen, dass künftig nicht alle Jahre derart extrem verlaufen werden: Sowohl Hitzeperioden als auch Starkregen-Ereignisse werden in der Tendenz zunehmen – auch in Hamburg. Dieses Szenario macht es notwendig, Hamburg zur klimaresilienten Stadt umzuformen. Dabei spielen Wasserhaushalt sowie Kühlung durch Schatten und Verdunstung eine wichtige Rolle. Für die Luftqualität sind das Filtern von Schadstoffen und die Sauerstoffproduktion wesentlich. Für den Erhalt Hamburgs als lebenswerte Stadt kommt daher dem Stadtgrün in allen Spielarten eine besondere Bedeutung zu. Die positive Wirkung von Bäumen, Sträuchern, Parks und Gärten wird bereits vielerorts genutzt, der Einsatz von Grün auf Hausdächern und an Fassaden erscheint dagegen noch ausbaufähig. Seit Januar 2015 fördert Hamburg Gründächer auf privaten und gewerblichen Gebäuden. Außerdem sind Gründächer bei vielen Neubau-Vorhaben verpflichtend. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften von HAMBURG WASSER (HW) wie folgt: 1. Wie viele begrünte Dächer gibt es mittlerweile in Hamburg und wie groß ist die begrünte Dachfläche? 2. Wie verteilen sich Dächer (Zahl) und Fläche auf Wohn- und Gewerbebauten und wie in den Bezirken? In Hamburg gibt es 5.764 begrünte Dächer mit insgesamt 138,3 ha (Datenbasis Luftbildaufnahmen im Jahre 2013 und anschließende Kundenbefragung im Jahre 2016 durch HW). Die Zahlen basieren auf den Flächendaten aus dem Projekt Gebührensplitting der Abwassergebühr. Die Daten umfassen nicht die gesamte Stadtfläche, sondern das sogenannte Sieleinzugsgebiet, das heißt kanalisierte Stadtbereiche, in denen HW die Entwässerungsaufgabe übernimmt. In der gesamten Stadt ist die oben genannte Fläche der Gründächer daher höher, jedoch liegt ein Monitoring der Flächen außerhalb des Sieleinzugsgebietes nicht vor. Die Anzahl und Fläche der Gründächer verteilen sich wie folgt: Flurstücknutzung Anzahl Fläche Wohnbaufläche 4.427 559.246 m² Industrie- und Gewerbeflä- 557 496.697 m² Drucksache 21/14532 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Flurstücknutzung Anzahl Fläche chen Sonstige Flächen 780 327.874 m² Bezirk Anzahl Fläche Hamburg-Mitte 592 266.410 m² Altona 1.169 192.008 m² Eimsbüttel 454 137.956 m² Hamburg-Nord 584 229.482 m² Wandsbek 1.666 247.331 m² Bergedorf 755 211.372 m² Harburg 544 98.930 m² 3. In welchen Gesetzen, Verordnungen oder sonstigen Regeln (wie zum Beispiel städtebauliche Verträge) legt Hamburg fest, ob ein neues Gebäude ein Gründach erhalten muss? Was sind dabei die Kriterien? Auf Ebene der gesamtstädtischen, vorbereitendenden Bauleitplanung ist das Landschaftsprogramm mit seinen Zielen für eine nachhaltige Stadtentwicklung ein Steuerungselement für mehr Gründächer in der Stadt. Die rechtlichen Grundlagen für die Festsetzungen von Dachbegrünungen in der verbindlichen Bauleitplanung bilden das Baugesetzbuch (BauGB), die Baunutzungsverordnung (BauNVO), die Hamburgische Bauordnung (HBauO), das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und das Hamburgische Gesetz zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes (HmbBNatSchAG). Dachbegrünungsfestsetzungen in Bebauungsplänen sind in Hamburg übliche Praxis. Im Rahmen der Eingriffs-Ausgleichsbilanzierung werden Dachbegrünungen dabei als Minderungsmaßnahme bewertet. Dies bedeutet, dass der Bedarf an Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle reduziert wird. Weitere Möglichkeiten, um Gründächer verbindlich umzusetzen, sind Vereinbarungen in städtebaulichen Verträgen, in Letters of Intent und darüber hinaus Konzeptausschreibungen städtischer Grundstücke. Die Kriterien zur Festsetzung von Gründächern in Bebauungsplänen sind im Einzelfall zu konkretisieren. Allgemein können die folgenden Aspekte eine Rolle spielen: allgemeine städtebauliche Aspekte, äußere Gestaltung, naturschutzfachliche, klimatische und wasserwirtschaftliche Aspekte. 4. Zu welchem Anteil geht die Fläche beziehungsweise die Zahl der Gründächer jeweils auf Vorschriften beziehungsweise auf die Gründach- Förderung zurück? Die Hamburger Gründachförderung startete am 23. Januar 2015. Bis zum 30. September 2018 wurde eine Förderung für circa 100 Projekte mit einer Nettovegetationsfläche von circa 39.000 m² bewilligt. Die aktuellsten zur Verfügung stehenden Daten zur Fertigstellung von Gründachflächen stammen aus der Kundenbefragung von HAMBURG WASSER aus dem Jahr 2016. Da aber Bauprozesse, wie die Herstellung eines Gründachs, von der Antragstellung bis zur Umsetzung etwa zwölf bis 36 Monate benötigen, sind im Jahr 2016 noch keine relevanten Flächen und Zahlen von fertigstellten Gründächern aus der Förderung darstellbar. Die Fläche beziehungsweise die Zahl der Gründächer in Hamburg sind entweder freiwillig entstanden, gehen auf eine Festsetzung im Bebauungsplan zurück oder gehen aus den unter der Antwort zu 3. genannten Regelungen hervor. 5. Welche Erkenntnisse über die Kosten und den Nutzen von Gründächern für Eigentümer/-innen hat Hamburg seither gewonnen? Für Hamburg liegen zwei unterschiedliche Untersuchungen vor: Die Studie „Hamburgs Gründächer – Eine ökonomische Bewertung“ erstellt durch die HafenCity Universität Hamburg (HCU) hat die ökonomische Seite des Gründaches bei Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14532 3 öffentlichen Bauten in Hamburg betrachtet und kommt zum folgenden Ergebnis: Gründächer rechnen sich auf lange Sicht auch ökonomisch. Gründachbesitzer können sich im Gegensatz zum schwarzen Flachdach eine Sanierung nach 20 Jahren in der Regel sparen und haben auf diese Weise langfristig einen klaren Vorteil. Weitere ökonomische Vorteile bilden die Anrechenbarkeit in der Eingriffs- Ausgleichsbilanzierung, die 50 Prozent Minderung der Niederschlagswasserkosten bei begrünten Dachflächen , die positive Bewertung bei der DGNB Zertifizierung für nachhaltiges Bauen, die zusätzlichen Einnahmen aus Verkauf und Vermietung durch Nutzung der Gründächer, die Verbesserung des Arbeits- und Wohnumfeldes, die Aufwertung des Mikroklimas, Luftschalldämmung, Luftfilterung, Artenvielfalt und Energieeinsparung. Im Folgenden wird die Gegenüberstellung der Ergebnisse der HCU Studie mit der Erhebung der „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (ARGE)“ im Rahmen des Bündnisses für das Wohnen in Hamburg dargestellt: Da im ARGE-Gutachten drei Dachflächengrößen (< 500 m², 500 – 1.000 m² und > 1.000 m²) unterschieden werden und im HCU-Gutachten die überwiegende Anzahl der betrachteten Objekte eine begrünte Dachfläche von über 1.000 m² aufweist, werden vom ARGE-Gutachten zur besseren Vergleichbarkeit die Kosten für Dachflächen >1.000 m² gegenübergestellt. HCU Studie Extensive Dachbegrünung Baukosten Mittelwerte Dachbegrünung, Herstellungskosten ab wurzelfester Dachabdichtung 40 €/m² bis 45 €/m² Dachfläche Dachbegrünung inkl. statischem und baukonstruktivem Mehraufwand 50 €/m² bis 58 €/m² Dachfläche Anteil Gründachkosten an den Bauwerkskosten 0,4 % im 6-geschossigen Wohnungsbau bis 1,5 % eingeschossiges Bauwerk ARGE Erhebung 2017 (Dachfläche >1000 m²) Baukosten Herstellungskosten Dachbegrünung 40€/m² bis 65 €/m² Dachfläche (Median 51 €/m²) Dachbegrünung inkl. statischem und baukonstruktivem Mehraufwand 79 €/m² bis 141 €/m² Dachfläche (Median 107 €/m²) Anteil Gründachkosten an den Bauwerkskosten 1,5 % im 6-geschossigen Wohnungsbau bis 1,9 % im 4-geschossigen Wohnungsbau Die Kosten aus der ARGE Erhebung für Dachbegrünung inklusive Statischem und baukonstruktiven Mehraufwand liegen doppelt so hoch wie die Durchschnittskosten bei den öffentlichen Hamburger Bauvorhaben, die durch die HCU methodisch detailliert ermittelt und dargestellt wurden. Der Unterschied der Ergebnisse resultiert aus unterschiedlichen methodischen Ansätzen, so liegt dem ARGE-Gutachten die direkte Befragung der Investoren zugrunde. 6. Wird die gewünschte Wirkung der Gründächer auf Wasserhaushalt und Stadtklima wissenschaftlich untersucht? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, warum nicht? Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Gründachstrategie durch die HCU wurde vor allem die Wirkung von Gründächern auf den Wasserhaushalt untersucht. Gründächer wirken sich positiv auf die lokale Wasserbilanz aus. Sie bewirken eine Rückhaltung von Niederschlagswasser im Dachaufbau und eine Abflussverzögerung des überschüssigen Wassers. Hinzu kommen weitere positive Effekte, wie zum Beispiel die Verbesserung des Kleinklimas durch die Verdunstung und Feinstaubfilterung durch die Vegetation. Der mittlere (jährliche) Rückhalt von Niederschlagswasser von Dachbegrünungen hängt vor allem von der Substratdicke ab (siehe Dachbegrünungsrichtlinie der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V.). Der Rückhalt von Starkregenereignissen hängt ebenfalls von der Substratdicke ab, ist jedoch zusätzlich in hohem Maße von anderen spezifischen Bedingungen, wie etwa Drucksache 21/14532 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 der Vorfeuchte des Substrats, der Regendauer und -intensität abhängig. Stadtklimatische Effekte von Dachbegrünungen, also vor allem die Kühlung der Luft durch Verdunstung von Wasser, sind ortsspezifisch sehr unterschiedlich zu beurteilen. Dachbegrünungen kühlen, wenn genügend Wasser zur Verdunstung vorhanden ist, vor allem die unmittelbare Umgebungsluft um einige Grad Celsius ab. Wenn es zu großflächigen Umsetzungen von Gründächern kommt und die Gebäude nicht zu hoch sind, kann es auch im Straßenraum zur Abkühlung von mehreren Grad Celsius kommen. 7. Mit dem Konzept „Hamburger Gründach“ sollte ein Standard geschaffen werden, um Planung und Bau von Gründächern zu vereinfachen und somit günstiger zu gestalten. Was ist der Stand des Projektes? Im Rahmen einer Grundsatzerörterung in der Senatskanzlei wurde am 5. Mai 2017 ein gemeinsamer Prüfauftrag an die Behörde für Umwelt und Energie und die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen erteilt, wie die Planung und der Bau von Gründächern in Hamburg vereinfacht und kostengünstigere Lösungen gegenüber Systemanbietern von Dachbegrünungen angeboten werden können. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen . Bereits jetzt wird das Hamburger Gründach bei Ausschreibungen im Schulbau erprobt und gegebenenfalls verbessert, bevor 2019 seine Veröffentlichung und Einführung bei öffentlichen Bauten geplant ist.