BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14605 21. Wahlperiode 19.10.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 12.10.18 und Antwort des Senats Betr.: Zahl der Einbürgerungen weiter rückläufig – Senat verfehlt somit eigenes Integrationsziel Vor wenigen Wochen vermeldete die dpa, dass sich der Trend rückläufiger Einbürgerungen in Hamburg fortsetze. So erhielten im Jahr 2017 5.608 Ausländer einen deutschen Pass. Im Jahr 2016 waren es noch 5.819 und im Jahr 2015 sogar 5.891 gewesen. „Überdurchschnittlich stark sank 2017 die Zahl der eingebürgerten Türken um etwa 17 Prozent (von 607 auf 499)“, so die dpa. Die Zahlen decken sich zwar nicht ganz mit denen der Drs. 21/11640, allerdings ist auch hier der rückläufige Trend erkennbar. Im Hamburger Integrationskonzept 2017 (Drs. 21/10281) hat der Senat sich allerdings das Ziel gesetzt, die Zahl der Einbürgerungen zu steigern. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Einbürgerungsinitiative, insbesondere die Briefaktion des Ersten Bürgermeisters, mit der über 150.000 Hamburgerinnen und Hamburger persönlich zu einer Einbürgerung ermutigt wurden, hat in den zurückliegenden sieben Jahren eine deutliche Zunahme der Einbürgerungen beziehungsweise eine Stabilisierung der Einbürgerungszahlen auf hohem Niveau bewirkt (siehe Drs. 21/7246, 21/6431, 21/3163 und 21/1057). Hamburg nimmt dabei im Bundesvergleich bereits seit Jahren eine Spitzenposition ein (siehe Auswertungen des Statistischen Bundesamtes https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/ MigrationIntegration/Einbuergerungen2010210177004.pdf?__blob=publicationFile). Die Einbürgerungsinitiative hat damit maßgeblich zur Erreichung des integrationspolitischen Ziels beigetragen, mehr Hamburgerinnen und Hamburgern die uneingeschränkte rechtliche Gleichstellung und politische Teilhabe zu ermöglichen, eine größere Kongruenz zwischen Wohnbevölkerung und Staatsvolk im Sinne des Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz herzustellen, damit die Identifikation mit dem staatlichen Gemeinwesen zu fördern und der Entstehung von Parallelgesellschaften entgegenzuwirken . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Verfügt der Senat über Zahlen, wie viele Ausländer bereits länger als acht Jahre in Hamburg leben? Wenn ja, wie viele sind es und aus welchen Hauptherkunftsländern stammen sie? Nach Auswertung des aufenthaltsrechtlichen Fachverfahrens leben derzeit insgesamt 161.802 Ausländer länger als acht Jahre in Hamburg und stammen aus den folgenden Hauptherkunftsländern. Herkunftsland Anzahl Personen Türkei 41.930 Drucksache 21/14605 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Herkunftsland Anzahl Personen Polen 12.783 Russische Föderation 6.351 Afghanistan 5.970 Serbien 5.529 Portugal 4.996 Mazedonien (ehem. jugosl. Republik) 4.519 Kroatien 4.508 Ghana 3.649 China 3.640 Neben einer Aufenthaltsdauer von regelhaft acht Jahren sind für eine Einbürgerung nach den §§ 8 fortfolgende Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) weitere Kriterien zu erfüllen. Deshalb ist davon auszugehen, dass nur ein Teil der nach Auswertung des aufenthaltsrechtlichen Fachverfahrens derzeit 161.802 länger als acht Jahre in Hamburg lebenden Ausländer eingebürgert werden kann. In den vorangegangenen Einbürgerungsinitiativen ist der weit überwiegende Teil dieser 161.802 Personen gezielt angeschrieben worden. Warum eine Einbürgerung nicht verfolgt wird, ist regelmäßig individuell begründet. Zum Teil dürften auch die mit einer Einbürgerung verbundenen Folgen im Herkunftsland (siehe Antwort zu 7.) eine Rolle spielen. 2. Wie viele Personen haben in den letzten fünf Jahren in Hamburg an einem Einbürgerungstest teilgenommen? Wie viele davon haben diesen nicht bestanden? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen und basieren auf den jährlichen Statistiken des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Für das Jahr 2018 liegen noch keine Daten vor: Jahr Prüfungsteilnahmen Teilnahmen nicht erfolgreich 2013 2.507 66 2014 2171 53 2015 2113 52 2016 1986 42 2017 2030 45 3. Wie erklärt der Senat die sinkenden Einbürgerungszahlen? Die Zahl der Einbürgerungen im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr 2016 war nur leicht rückläufig (−3,6 Prozent). Zum Stand 30. September 2018 ist die Zahl der Einbürgerungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum wieder um 5,5 Prozent angestiegen. Sinkende Einbürgerungszahlen sind in Hamburg aktuell nicht erkennbar. Im Übrigen werden die objektiven und höchstpersönlichen Gründe für eine Einbürgerung statistisch nicht erfasst. Im bundesweiten Vergleich nimmt Hamburg bereits seit Jahren sowohl bei der Einbürgerungsquote als auch dem ausgeschöpften Einbürgerungspotenzial eine Spitzenposition ein (siehe Angaben des Statistischen Bundesamtes https://www.destatis.de/ DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/MigrationIntegration/Einbuergerungen201 0210177004.pdf?__blob=publicationFile Seiten 13 bis 15). 4. Vor allem das sinkende Interesse bei den Türken fällt auf, zumal sie eine große Gruppe der in Hamburg lebenden Ausländer stellen. Wie hat sich die Zahl der Einbürgerungen türkischer Personen in den letzten fünf Jahren entwickelt und wie erklärt der Senat den Rückgang? Die Entwicklung der Einbürgerungszahlen türkischer Staatsangehöriger ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen: Jahr Anzahl Einbürgerungen 2013 1.344 2014 951 2015 855 2016 605 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14605 3 Jahr Anzahl Einbürgerungen 2017 499 2018 (Stand: 15.10.) 476 Die sinkende Zahl der Einbürgerungen türkischer Staatsangehöriger in den vergangenen Jahren entspricht einem bundesweiten Trend (siehe Angaben des Statistischen Bundesamtes https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/ MigrationIntegration/Einbuergerungen2010210177004.pdf?__blob=publicationFile, Seiten 16 bis 18). Gründe für das sinkende Einbürgerungsinteresse türkischer Staatsangehöriger sind der zuständigen Behörde nicht bekannt. 5. Welche Maßnahmen ergreift der Senat, um sein Ziel von steigenden Einbürgerungszahlen zu erreichen? Zu den vielfältigen Maßnahmen, mit denen Hamburger Bürgerinnen und Bürger mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen zur Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit ermutigt werden, gehören insbesondere die wiederholten Briefaktionen des Ersten Bürgermeisters, mit denen über 150.000 Hamburgerinnen und Hamburger persönlich angesprochen wurden, umfangreiche allgemeine und individuelle Informations- und Beratungsangebote (siehe https://einbuergerung.hamburg.de/) und nicht zuletzt auch die attraktiven Einbürgerungsfeiern im Hamburger Rathaus. Beispielhaft hervorzuheben ist das Einbürgerungslotsen -Projekt (https://einbuergerung.hamburg.de/unterstuetzung/). Im bundesweiten Vergleich nimmt Hamburg damit bereits seit Jahren eine Vorreiterrolle ein, die sowohl in Spitzenwerten bei der Einbürgerungsquote als auch dem ausgeschöpften Einbürgerungspotenzial ihren Niederschlag findet (siehe Antwort zu 3.). 6. Welche Vorteile bieten aus Sicht des Senats Einbürgerungen für die einzubürgernde Person? Zu den Vorteilen einer Einbürgerung gehören insbesondere die uneingeschränkte Teilhabe an den staatsbürgerlichen Rechten, vor allem den Deutschen vorbehaltenen Grundrechtsgarantien (Artikel 8, 9, 11 und 12 Grundgesetz) sowie dem aktiven und passiven Wahlrecht, Erleichterungen beim Familiennachzug. Darüber hinaus ist eine Vielzahl visumsfreier Reisen in viele Länder der Welt, auch außerhalb der EU, möglich . Des Weiteren besteht im Ausland konsularischer Schutz durch die Bundesrepublik Deutschland. 7. Welche möglichen Nachteile ergeben sich aus Sicht des Senats aus Einbürgerungen für die einzubürgernde Person, sodass diese Abstand von der Einbürgerung nimmt? Zu den am häufigsten vorgetragenen Nachteilen gehören unter anderem die regelhaft verlangte Aufgabe der eigenen Staatsangehörigkeit (§ 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)), der Verlust staatsbürgerlicher Heimatrechte einschließlich damit einher gehender möglicher wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Nachteile (Benachteiligungen im Erbrecht, beim Grundbesitz sowie im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung im Herkunftsstaat) und hohe Kosten, die im Zusammenhang mit der Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit stehen. Weiterhin werden Reisebeschränkungen in das bisherige Heimatland angeführt. 8. Welche Rolle spielt hier die doppelte Staatsbürgerschaft und bei welchen Herkunftsländern ist diese überhaupt möglich beziehungsweise üblich ? Die unter 7. genannten Nachteile erübrigen sich in fast allen Fällen, in denen Mehrstaatigkeit hingenommen werden kann. Einzelne Länder sehen allerdings Beschränkungen staatsbürgerlicher Rechte vor, auch wenn die Staatsangehörigkeit beibehalten wird (zum Beispiel Argentinien). Von der in § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAG normierten Voraussetzung, bei einer Einbürgerung die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben, wird unter den in § 12 Absatz 1 StAG genannten Voraussetzungen abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist unter anderem der Fall, wenn das Recht des ausländi- Drucksache 21/14605 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 schen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht oder der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert. Hierzu gehören folgende Staaten: Afghanistan, Algerien, Angola, Argentinien, Bolivien, Brasilien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, Eritrea, Guatemala, Honduras, Iran, Jemen, Kuba, Libanon , Malediven, Marokko, Mexiko, Nicaragua, Nigeria, Niger, Paraguay, Syrien, Thailand , Tunesien. Personen aus anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und der Schweiz sind gesetzlich vom Erfordernis der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit befreit (§ 12 Absatz 2 StAG). Inwieweit die bisherige Staatsangehörigkeit fortbesteht, richtet sich im Einzelfall nach dem Heimatrecht dieser Staaten.