BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14671 21. Wahlperiode 26.10.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 18.10.18 und Antwort des Senats Betr.: Dschihadistische Aktivitäten in Hamburg (II) Die aktive salafistische und islamistische Szene in Hamburg wirbt weiterhin auf unterschiedlichen Wegen neue Anhänger/-innen, insbesondere Jugendliche . Viele Gruppierungen, führende Personen und Versammlungsorte sind den Sicherheitsbehörden bekannt. Laut Bericht des Hamburger Verfassungsschutzes konnten unterschiedliche als islamistisch eingestufte Organisierungen im Jahr 2017 neue Mitglieder werben und die Zahl von Rückkehrern /-innen führt sich weiter fort. Insgesamt ist deutschlandweit die Anziehungskraft der islamistischen Ideologie ungebrochen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Moscheen sind aktuell Anlaufstellen/„Ansprechpartner“ für dschihadistisch-salafistische/islamistische Personen? a. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über diese Moscheen und deren jeweiligen Aktivitäten vor? b. Welche Imame sind aktuell Ansprechpartner für dschihadistischsalafistische /islamistische Personen? c. Welchen dschihadistischen Strömungen sind die jeweiligen Moscheen und Imame zuzuordnen? Siehe Drs. 21/2372. 2. Es ist bekannt, dass die dschihadistisch-salafistische/islamistische Szene in der Vergangenheit über ganz Hamburg verteilt interne und externe Weiterbildung organisiert hat. Welche (neuen) Erkenntnisse liegen dem Hamburger Senat und den entsprechenden Behörden vor? a. Finden weiterhin Unterrichte und Weiterbildungen statt? b. In welchen Stadtteilen sind die Aktivitäten am stärksten? Bitte auflisten . Die Verhaltensmuster haben sich nicht grundlegend geändert. Im Übrigen siehe hierzu den aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg https://www.hamburg.de/contentblob/11448332/ e4be65121f430993b37e3f9a50928f89/data/vsb-2017-pressefassung.pdf. c. In welchen Sprachen finden die Unterrichte statt? Deutsch, Arabisch, Türkisch und Dari. d. Welche Strömungen/Imame veranstalten in Privatwohnungen ihre Schulungen beziehungsweise andere Veranstaltungen? Drucksache 21/14671 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 e. Welche weiteren Informationen liegen den Sicherheitsbehörden über salafistische oder dschihadistische Aktivitäten in den Stadtteilen vor? Siehe Antwort zu 1. bis 1. c. und Antworten zu 2. sowie Drs. 21/14674. 3. Sind den Sicherheitsbehörden neue Strategien des Spektrums bekannt, um neue Anhängerinnen und Anhänger anzuwerben und zu mobilisieren ? Wenn ja, welche? Den zuständigen Behörden sind keine neuen Strategien bekannt. Im Übrigen siehe Drs. 21/954. 4. Wie erklären sich der Senat und die Sicherheitsbehörden das Wachsen der Anhängerinnen und Anhänger des Spektrums, trotz militärischer Rückschläge im Mittleren Osten? Die Attraktivität der salafistischen Ideologie beruht nur zum geringen Teil auf etwaigen militärischen „Erfolgen“ jihadistischer Organisationen. Im Übrigen siehe Verfassungsschutzbericht 2017 des LfV Hamburg, https://www.hamburg.de/contentblob/11448332/e4be65121f430993b37e3f9a50928f89 /data/vsb-2017-pressefassung.pdf und Antwort zu 1. bis 1. c. 5. Immer wieder wird deutlich, dass die dschihadistisch-salafistische/ islamistische Szene ihre Inhalte viel über soziale Medien und das Internet verbreiten, Anwerbungsversuche startet, Anleitungen für die Begehung von Terroranschlägen verbreitet und insbesondere Jugendliche damit erreichen wollen. Als Reaktion darauf wurde unter anderem das Präventionsprojekt „Think Social Now 2.0“ initiiert. a. Das Entdecken des YouTube-Kanals „Ikra’mTV“ weißt einige Schwierigkeiten auf und wird beispielsweise über wenige Projektbeschreibungen von „Think Social Now 2.0“ oder über die Facebook- Seite verbreitet. Dennoch kommen in mehrmonatigen Abständen einzelne Videos raus, deren Klickzahlen zwar immer wieder mehrere Tausend aufweisen, aber in der Entwicklung der letzten Jahre nicht sehr viel ansteigen. Mit welchen Möglichkeiten und Veränderungen möchten der Senat und die entsprechenden Behörden die Reichweite vergrößern? b. Plant der Senat die präventive Arbeit im medialen Bereich generell weiter auszubauen? Wenn ja, womit und wie? c. Gibt es konkrete Projekte beziehungsweise Projektentwicklung sowie angebotenes Bildungsmaterial, die sich mit der Sensibilisierung zu dschihadistisch-salafistischen/islamistischen Aktivitäten auf den Internetplattformen „Instagram“ und „Twitter“ auseinandersetzen ? Der Senat hat seine Präventionsstrategie zuletzt ausführlich in der Drs. 21/14037 dargestellt . Die Präventionsaktivitäten des Senats konzentrieren sich ausschließlich auf den Hamburger Raum, weswegen sich vor allem ein sozialräumlicher Ansatz und das Wirken auf lokaler beziehungsweise gesamtstädtischer Ebene, immer verbunden mit einer direkten Ansprache der Zielgruppen, in der Präventionspraxis bewährt haben. Daher setzt die Offene Kinder- und Jugendarbeit in der Präventionsarbeit auf die Ansprache von jungen Menschen in konkreten Beratungssituationen. Darüber hinaus werden Fachkräfte in Fortbildungsangeboten zum Umgang mit demokratiefeindlichen Tendenzen – auch im Internet – geschult. Das im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und vom Senat kofinanzierte Modellprojekt „Think Social Now 2.0“ erprobt neben den Onlineangeboten ebenfalls realweltliche Angebote: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14671 3 Das Onlineangebot „Ikra’mTV“ ist nur ein Bestandteil des Gesamtkonzepts und zeigt anhand der Klickzahlen der Videos (zum Teil 12.000), dass diese von jungen Menschen unter Anleitung selbstproduzierten Videos erfolgreich sind und die Themen der jungen Menschen angesprochen werden. Ein wesentlicher Bestandteil des Projektes sind jedoch die realweltlichen Offlineangebote des Projektes, in deren Rahmen Workshops zur Stärkung der Medienkompetenz durchgeführt werden sowie zum reflexionsfähigen und kritischen Umgang mit sozialen Medien wie Facebook, YouTube et cetera. Siehe hierzu auch Drs. 21/14037 und Drs. 21/5138. Im Rahmen Beratungsnetzwerks „Prävention und Deradikalisierung“ wurde das Thema Internet-Prävention im März 2017 (Vortrag „Counter-Narratives – die neue Zauberformel gegen extremistische Propaganda?“) referiert und diskutiert. Darüber hinaus fanden für die Mitglieder des Beratungsnetzwerks „Prävention und Deradikalisierung“ sowie Fachkräfte folgende Fortbildungsveranstaltungen statt: 15.11.2017 Workshop zum Thema „Hate Speech“. 04.05.2018 Fachtagung „Inshallah Online – Wie religiöse Extremisten das Internet nutzen und was wir dagegen tun können“ von der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx). Die Fortbildungs- und Beratungs-Angebote des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) im Bereich Prävention von Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit beziehen sich stets auch auf die Herausforderungen, die mit den sozialen Medien verbunden sind, und werden laufend weiterentwickelt, um aktuellen Entwicklungen zu begegnen. So werden zum Beispiel in den Fortbildungen Prozesse der Radikalisierung auch in Hinblick auf die Angebote im Internet und den sozialen Netzwerken betrachtet und analysiert. Teil der Präventionsstrategie ist eine umfassende kritische Medienbildung, die auf die Reflexion des eigenen Handelns auch im digitalen Raum zielt. Dabei geht es darum, Kompetenzen wie Kritik- und Urteilsfähigkeit, Quellenkritik , Recherchekompetenz und Bildanalyse und andere auf Inhalte der sozialen Medien zu beziehen. Aktuelle gesellschaftliche Diskurse wie Hate Speech, Fake News, Filterblasen und Verschwörungstheorien werden sowohl in den entsprechenden Lehrerfortbildungen als auch in den präventiven Schülerworkshops thematisiert. Die entsprechend ausgerichteten Schülerworkshops kombinieren politische Bildung und Medienpädagogik zur Prävention von religiös-extremistischer Ansprache im Netz. Dabei werden Materialien von Think Social Now 2.0, von ufuq.de, wie auch präventive Onlineangebote eingebunden . Über die spezifische Prävention von Radikalisierung hinaus bietet das LI Fortbildungen und Angebote für Schülerinnen und Schüler zu Fragen digital gestützter Beteiligungsprozesse (zum Beispiel das Projekt aula) oder der Auseinandersetzung und aktiven Gestaltung digitaler Lebenswelten (zum Beispiel TINCON). Die Landeszentrale für politische Bildung stellt fortlaufend Informationsbroschüren und Publikationen zu diesem Themenspektrum in allgemeiner Hinsicht zur Verfügung (siehe https://www.hamburg.de/gewalt-extremismus/). Auf dem Hamburger Jugendserver bietet das Jugendinformationszentrum für Jugendliche eine Reihe von Links, Beiträgen und Downloads sowie Adressen von wichtigen regionalen und bundesweiten Organisationen und Verbänden, die über religiösen Extremismus, Prävention und Aussteigerhilfe informieren (siehe http://www.jugendserver-hamburg.de/?tid=372).