BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14713 21. Wahlperiode 30.10.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dennis Thering und Dr. Jens Wolf (CDU) vom 22.10.18 und Antwort des Senats Betr.: „Glorreiche Sieben“ oder doch nur „Sieben Zwerge“? Was es mit den angekündigten neuen bezirklichen Baustellenkoordinatoren auf sich hat Die Hamburger SPD hat auf ihrem Landesparteitag vom 20. Oktober 2018 einen Antrag des Kreisverbandes Altona mit dem Titel „Gezielte Baustellenkoordination in allen Bezirken“1 beschlossen. Hauptziel dieses Antrages ist die zeitnahe Einrichtung jeweils einer Stelle eines „Verkehrsbaustellenkoordinators “ pro Bezirk. Diesen zunächst einmal nur parteipolitischen Beschluss haben allerdings der Erste Bürgermeister und der Präses der Finanzbehörde (FB), beide SPD-Mitglieder, in ihren Redebeiträgen auffallend ausführlich begründet. Entsprechende Statements dieser beiden Senatsmitglieder finden ihren Niederschlag folgerichtig in verschiedenen Medien.2 Dies legt die Vermutung nahe, dass sich verschiedenen Stellen im Senat, in den zuständigen Behörden, im Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) und in den betroffenen Bezirken schon vor dem SPD-Parteitag mit dieser organisatorischen Veränderung beschäftigt haben. Dafür spricht vor allem, dass der Präses der Finanzbehörde unter anderem dem „Hamburger Abendblatt“ mitgeteilt hat, dass seine und die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) bereits ein Konzept erarbeiteten, wie diese „Ärger-Punkte“, gemeint sind offenkundig Aspekte und Auswirkungen der Baustellenplanung und -koordination in Hamburg, besser abgearbeitet werden können. Auch über seinen Twitter-Account teilt der Präses der Finanzbehörde diesbezüglich heute mit: „Die konkreten Vorbereitungen hierfür haben zwischen den Behörden schon begonnen!“ Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Im letzten Jahrzehnt wurden keine ausreichenden Anstrengungen zur Instandsetzung der Hamburger Straßen vorgenommen. Der sich daraus entwickelte Sanierungsstau macht eine grundlegende Überarbeitung der Infrastruktur notwendig. Hinzu kommt, dass die innerstädtische Verkehrsinfrastruktur zunehmend höheren Verkehrsmengen und Achslasten ausgesetzt ist. Der Senat geht diese Herausforderungen aktiv an, zumal diese Arbeiten in einem Straßennetz stattfinden, das den Anforderungen eines starken Wirtschaftsstandortes gerecht werden muss und teilweise stark belastet ist. Darüber hinaus könnten sich durch nicht sanierte Flächen beziehungsweise Straßen mit besonders schlechtem Zustand Gefahrenpotenziale ergeben, sodass in der Abwä- 1 https://www.spd-hamburg.de/fileadmin-hamburg/user_upload/ Antragsbuch_20.10.2018_final.pdf, hier Seite 13, letzter Zugriff: 22.10.18. 2 Siehe unter anderem: https://www.abendblatt.de/hamburg/article215611223/Tschentschermacht -Hamburger-SPD-Mut-im-Stimmungstief.html und https://www.ndr.de/nachrichten/ hamburg/SPD-will-mehr-Planer-gegen-Baustellen-Chaos,baustellen366.html, letzter Zugriff jeweils: 22.10.18. Drucksache 21/14713 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gung teilweise parallel laufende Baumaßnahmen im Straßenbild nicht immer vermeidbar beziehungsweise aus Modernisierungsgründen sogar sinnvoll sind. Im Rahmen der Verstärkung der Investitionen in die Hamburger Verkehrsinfrastruktur in dieser Legislaturperiode wird die Koordinierung von Baumaßnahmen immer wichtiger , sodass der Senat auch im bundesweiten Vergleich große Anstrengungen zur Koordinierung der Baumaßnahmen im öffentlichen Straßenraum der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) unternimmt. Durch organisatorische Änderungen, Erweiterung der Technik und stärkere Kooperation konnten Verbesserungspotentiale genutzt und erste Ergebnisse erzielt werden. Neben der Ansiedlung der zentralen Koordinierung für Baumaßnahmen an Bundesautobahnen und Hauptverkehrsstraßen (KOST) im Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) wurde sowohl die personelle Ausstattung deutlich erhöht als auch eine weitere, langfristigere Koordinierungsebene eingeführt. Der LSBG hat als größter Straßenbaulastträger die notwendigen Voraussetzungen für eine effektive Koordinierung geschaffen. Dazu wurden die Prozesse optimiert und die Software ROADS (Roadwork Administration and Decison System ) eingeführt. Im Übrigen sieht der Senat grundsätzlich davon ab, zu Presseberichterstattungen Stellung zu nehmen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Plant der Senat beziehungsweise planen die zuständigen Behörden, in jedem Bezirk beziehungsweise Bezirksamt zukünftig einen eigenen „Verkehrsbaustellenkoordinator“ einzurichten? Wenn ja, a) inwiefern und gegebenenfalls mit welcher fachlichen Begründung befürwortet die BWVI diese Maßnahme? b) seit wann wird dies von welchen Stellen geplant? c) werden zu diesem Zweck zusätzliche Stellen bei den Bezirksämtern geschaffen? d) werden zu diesem Zweck den Bezirksämtern zusätzliche Personalmittel zur Verfügung gestellt? e) werden diese Stellen nur FHH-intern oder öffentlich ausgeschrieben ? f) welche Aufgabenbeschreibungen und welche Kompetenzen sind für diese bezirklichen „Verkehrsbaustellenkoordinatoren“ vorgesehen? 2. Der Präses der Finanzbehörde wird in der Berichterstattung zum Parteitag der Hamburger SPD vom 20. Oktober 2018 unter anderem mit der Aussage zitiert, dass FB und BWVI derzeit ein Konzept erarbeiteten, wie die sogenannten Ärger-Punkte besser abgearbeitet werden könnten. Außerdem hat der Präses der FB über seinen Twitter-Account mitgeteilt, dass die Vorbereitungen zwischen den Behörden bereits begonnen haben. a) Was genau ist unter „Ärger-Punkten“ zu verstehen und um welche Punkte handelt es sich konkret? b) Um was für ein Konzept handelt es sich konkret? Welchen (Arbeits-) Titel hat dieses Konzept und welchem Zweck dient es? c) Welche Stelle hat die Erarbeitung dieses Konzepts wann genau beauftragt? d) Welche Stellen welcher Behörden, Landesbetriebe und/oder Bezirke wirken an der Erarbeitung dieses Konzepts mit? e) Wie stellt sich die Organisations- beziehungsweise Projektstruktur zur Erarbeitung dieses Konzepts dar? (Bitte ein aussagekräftiges Organigramm beifügen.) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14713 3 f) Inwiefern ist gegebenenfalls zu wann die Einbringung einer Bürgerschaftsdrucksache bezüglich dieses Konzepts geplant? Siehe Vorbemerkung. 3. Wie viele Einwohner haben die Bezirke aktuell jeweils? Siehe Veröffentlichung Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein: https://www.statistik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Statistische_Berichte/bevoelkerung/ A_I_S_1_j_H/A_I_S1_j17.pdf. 4. Wie viele Fahrbahnkilometer und Fahrstreifenkilometer umfasst das Straßennetz in den Bezirken aktuell jeweils? In der nachfolgenden Tabelle sind die Fahrbahn- und -streifenkilometer des Hamburger Straßennetzes nach Bezirken getrennt dargestellt, die Zahlen wurden der Hamburger Straßeninformationsdatenbank entnommen. Bezirk Fahrbahnlänge (km) Fahrstreifenlänge (km) Altona 517,6 1.052,4 Bergedorf 433,4 863,5 Eimsbüttel 405,6 849,4 Hamburg-Mitte 585,3 1.222,5 Hamburg-Nord 493,6 994,4 Harburg 399,4 804,7 Wandsbek 944,8 1.941,6 HPA 138,8 298,2 5. Die Hamburger Bezirke weisen hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl und der Länge des Straßennetzes erhebliche Unterschiede auf. So steht beispielsweise Wandsbek mit rund 435.000 Einwohnern Bergedorf mit „nur“ rund 129.000 Einwohnern gegenüber. Wie lässt es sich eingedenk dieser starken Bevölkerungsunterschiede und straßenverkehrlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Bezirken fachlich herleiten, dass pauschal für jeden Bezirk ein „Verkehrsbaustellenkoordinator“ eingesetzt werden soll? 6. Auf dem Parteitag der Hamburger SPD vom 20. Oktober 2018 wird der Erste Bürgermeister unter anderem mit den Worten zitiert: „Beschweren tun sich vor allem diejenigen, die dazu beigetragen haben durch fahrlässiges Unterlassen, dass wir Straßen haben mit tiefsten Schlaglöchern.“ Fahrlässig im juristischen Sinne handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. a) Sind dem Senat Personen bekannt, die durch fahrlässiges Unterlassen dazu beigetragen haben, dass es in Hamburg Straßen mit tiefsten Schlaglöchern gibt? b) Inwiefern haben gegebenenfalls welche der aktuellen Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft nach Ansicht des Senats in der Vergangenheit durch fahrlässiges Unterlassen dazu beigetragen, dass es in Hamburg Straßen mit tiefsten Schlaglöchern gibt? c) Inwiefern haben gegebenenfalls welche der Senatsmitglieder seit der 15. Wahlperiode nach Ansicht des aktuellen Senats durch fahrlässiges Unterlassen dazu beigetragen, dass es in Hamburg Straßen mit tiefsten Schlaglöchern gibt? d) Wie viele Klagen gegen Personen, die durch fahrlässiges Unterlassen dazu beigetragen haben, dass es in Hamburg Straßen mit tiefsten Schlaglöchern gibt, waren/sind seit 2011 in Hamburg anhängig? e) Wie viele und welche Urteile gegen Personen, die durch fahrlässiges Unterlassen dazu beigetragen haben, dass es in Hamburg Drucksache 21/14713 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Straßen mit tiefsten Schlaglöchern gibt, waren/sind seit 2011 in Hamburg ergangen? 7. Auf dem Parteitag der Hamburger SPD vom 20. Oktober 2018 wird der Präses der Finanzbehörde unter anderem mit den Worten zitiert: „Die haben jahreslang die Infrastruktur verlottern lassen und regen sich jetzt darüber auf, dass es in Ordnung gebracht wird. Hier müssen wir aufpassen , dass nicht der Bock zum Gärtner gemacht wird.“ a) Erachtet es der Senat als der politischen Kultur in Hamburg dienlich, dass der Präses der Finanzbehörde Vertreter der parlamentarischen Opposition, die der Senatspolitik in der Tat kritisch gegenüberstehen , die aber alleine seitens der CDU-Bürgerschaftsfraktion im Verkehrsbereich in der laufenden Wahlperiode mit rund 90 Bürgerschaftanträgen ihrem verfassungsmäßigen Auftrag als konstruktive Opposition und Regierungsalternative umfassend nachgekommen sind, sprachlich zu Tieren („Bock“) herabwürdigt? b) Wer genau sind „die“? Siehe Vorbemerkung.