BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14763 21. Wahlperiode 30.10.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten André Trepoll (CDU) vom 23.10.18 und Antwort des Senats Betr.: Volksbegehren „Pflegenotstand im Krankenhaus“ Der Erste Bürgermeister teilte der Präsidentin der Bürgerschaft mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 mit, dass die Initiatoren der Volksinitiative „Pflegenotstand im Krankenhaus“ gemäß § 6 Absatz 1 des Volksabstimmungsgesetzes unter Vorlage eines überarbeiteten Gesetzentwurfs die Durchführung des Volksbegehrens beantragt haben. Gemäß § 26 Absatz 1 des Volksabstimmungsgesetzes entscheidet das Hamburgische Verfassungsgericht auf Antrag des Senats, der Bürgerschaft oder eines Fünftels der Abgeordneten der Bürgerschaft über die Durchführung des Volksbegehrens und ob die Überarbeitung des Gesetzentwurfs die Grenzen einer zulässigen Überarbeitung wahrt oder mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist. Etwaige Anträge sind binnen eines Monats zu stellen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat teilt die Zielrichtung der Initiatoren der Volksinitiative, dass bundesweit mehr Pflegekräfte in Krankenhäusern benötigt werden. Vor diesem Hintergrund wurde auf Bundesebene, auch auf Initiative und unter Mitwirkung der Freien und Hansestadt Hamburg, in den letzten Monaten eine Vielzahl von gesetzgeberischen Maßnahmen initiiert, um diese Situation zu verbessern. So hat der Bundesgesetzgeber im Jahre 2017 mit § 137i SGB V eine Regelung geschaffen, die erstmals Untergrenzen für die Ausstattung pflegesensitiver Bereiche mit pflegerischem Personal vorsieht. Die auf dieser Norm basierende Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung – PpUGV) ist seit dem 11. Oktober 2018 in Kraft. Mit der Verordnung werden verbindliche Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen ab dem Jahr 2019 festgelegt. Außerdem wird der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal -Stärkungsgesetz – PpSG) am 9. November 2018 in 2. und 3. Lesung im Bundestag beraten und voraussichtlich beschlossen werden. Ziel ist eine Verbesserung des Arbeitsalltags der Pflegekräfte durch eine höhere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Mit dem Gesetz wird unter anderem eine Rechtsgrundlage geschaffen, um bundesweit verbindliche Untergrenzen für das Pflegepersonal in allen Bereichen der Krankenhäuser festzulegen. Dafür wird künftig berechnet und veröffentlicht werden , wie das Verhältnis von Pflegepersonal zum individuellen Pflegeaufwand eines Krankenhauses ist. Damit hat der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz umfassend Gebrauch gemacht. Drucksache 21/14763 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Nach dem PpSG sollen Pflegepersonalkosten höher und unabhängig von Fallpauschalen vergütet werden. Pflegekräfte in Krankenhäusern werden zukünftig ohne Begrenzung von der Krankenversicherung finanziert werden. Tarifsteigerungen in der Krankenhauspflege werden rückwirkend ab dem Jahr 2018 vollständig übernommen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Hat sich der Senat bereits mit der Frage befasst, ob er dem Hamburgischen Verfassungsgericht die Überarbeitung des Gesetzentwurfs zur Entscheidung darüber vorlegt, ob dieser die Grenzen einer zulässigen Überarbeitung wahrt oder mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist? a) Wenn nein, warum nicht und wird er sich noch in der genannten Frist mit dieser Sache befassen? b) Wenn ja, hat der Senat bereits entscheiden, ob er einen entsprechenden Antrag stellen wird? c) Wenn ja, wie lautet seine Entscheidung und wie begründet er diese ? d) Wenn nein, wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? 2. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde inhaltlich das zum „Volksbegehren gegen den Pflegenotstand“ vorgelegte „Hamburger Gesetz für mehr Personal und gute Versorgung im Krankenhaus “ hinsichtlich der Mindestpersonalzahlen für Pflegekräfte und andere Berufsgruppen im Krankenhaus? Volksentscheide dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Der von den Initiatoren der Volksinitiative mit dem Antrag auf Durchführung des Volksbegehrens vorgelegte Gesetzentwurf verstößt nach Auffassung des Senats auch nach seiner Überarbeitung gegen höherrangiges Recht. Insbesondere verletzt der Gesetzentwurf durch die Verknüpfung mehrerer unterschiedlicher Materien das Kopplungsverbot (HVerfG, U. v. 13.10.2016, Az.: 2/16), greift in bundesrechtlich geregelte Materien des SGB V ein und enthält Regelungen, die gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Um zu vermeiden, dass dem Volksgesetzgeber ein Gesetzentwurf zur Entscheidung vorgelegt wird, der mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist, ist der Senat gemäß § 5 Absatz 4 des Volksabstimmungsgesetzes verpflichtet, das Hamburgische Verfassungsgericht um rechtliche Prüfung zu bitten, wenn erhebliche Zweifel bestehen, ob die zustande gekommene Volksinitiative mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Dieser Verpflichtung wird der Senat nachkommen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde inhaltlich das zum „Volksbegehren gegen den Pflegenotstand“ vorgelegte „Hamburger Gesetz für mehr Personal und gute Versorgung im Krankenhaus “ hinsichtlich der Hygiene-Vorschriften für Reinigungsfachkräfte? Die sachgerechte Reinigung und Desinfektion hat aus infektionsprophylaktischen Gründen einen hohen Stellenwert. Dem werden die in Hamburg geltenden Regelungen gerecht. Gemäß § 23 Absatz 5 Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit § 4 Absätze 3 Nummern 1 und 8 Hamburgische Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (HmbMedHygVO) haben die Leiter der Krankenhäuser sicherzustellen, dass innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene in Hygieneplänen festgelegt sind. Eine Schulung des Personals ist in § 10 Absätze 2 und 3 HmbMedHygVO ausdrücklich vorgesehen. 4. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde inhaltlich das zum „Volksbegehren gegen den Pflegenotstand“ vorgelegte „Hamburger Gesetz für mehr Personal und gute Versorgung im Kran- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14763 3 kenhaus“ hinsichtlich der Konsequenzen, wenn die im oben genannten Gesetz genannten Ziele nicht erreicht werden? Das in dem vorgelegten Gesetzentwurf enthaltene Sanktionsregime wie die Reduzierung der Betten-, Behandlungs- und Operationskapazitäten bis hin zum Widerruf der Aufnahme des Krankenhauses oder einzelner Abteilungen in den Krankenhausplan der Freien und Hansestadt Hamburg könnte weitreichende Folgen für die Teilnahme der Hamburger Krankenhäuser an der Versorgung haben.