BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14785 21. Wahlperiode 02.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christel Nicolaysen (FDP) vom 25.10.18 und Antwort des Senats Betr.: Strategie Brexit-Verhandlungen – Wie stellt sich Hamburg auf die schwierige Situation ein? Nach dem Referendum des Vereinigten Königreichs vom 23. Juni 2016 (Brexit) sind die Auswirkungen auf die Handels- und Geschäftsbeziehungen weiter ungewiss. Nach aktuellen Berichten bereitet sich der Hamburger Senat darauf vor, dass Großbritanniens angestrebter Austritt aus der Europäischen Union ohne einen bilateralen Anschlussvertrag erfolgen könnte. Ein Kompetenzteam arbeite an einem „No-Deal“-Szenario. Rund 60 Hamburger Gesetze und Vorschriften müssten geprüft und angepasst werden. Die Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien sind für Hamburg von großer Bedeutung . Mehr als 1.000 Unternehmen in Hamburg pflegen geschäftliche Beziehungen zu Großbritannien. Zudem muss auch möglichen Verunsicherungen bei EU-Projekten im Wissenschaftsbereich entgegengewirkt werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche der circa 60 Hamburger Gesetze und Vorschriften müssten konkret in welchem Zeitraum angepasst werden? Bitte die Gründe für die Anpassungen anführen. Der Senat hat eine Reihe von Normen im Hamburger Landesrecht identifiziert. Dabei handelt es sich nach derzeitigem Sachstand um einzelne Vorschriften in folgenden Gesetzen: • Abschiebungshaftvollzugsgesetz • Abwassergesetz • Anordnung über Zuständigkeiten im Ausländer- und Asylrecht • Anordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Rechts- und Amtshilfe gegenüber dem Ausland (JB) • Annahmestellenverordnung • Architektengesetz • Beamtengesetz • Beamtenversorgungsgesetz • Beihilfeverordnung • Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz • Bezirksversammlungswahlgesetz • Bodenschutzgesetz • Datenschutzgesetz • Dolmetschergesetz • Dolmetscherverordnung • Elektro-Bergverordnung • Ausbildungs- und Prüfungsordnung Lebensmittelchemiker • Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter • Bauordnung • Baugebührenordnung (BSW) • Bauprodukte- Marktüberwachungsdurchführungsgesetz (BSW) • Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung • Gesundheitsdienstgesetz • Glücksspieländerungsstaatsvertrag- Ausführungsgesetzes • Hafensicherheitsgesetz • Hafenverkehrsordnung • Hafenverkehrs- und Schifffahrtsgesetz Drucksache 21/14785 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 • EU-Laufbahnbefähigungsanerkennungsverordnung • FeuVO (BSW) • Gebührenordnung für das Hochschulwesen • Geodateninfrastrukturgesetz • Gesetz über das Hamburgische Verfassungsgericht • Gesetz über den Hamburgischen Versorgungsfonds • Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei • Gesetz über die Durchführung der Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners • Gesetz über die Zulassung einer öffentlichen Spielbank • Gesetz zu dem Abkommen über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten • Gesetz zu dem Abkommen über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik und über die Akkreditierungsstelle der Länder für Mess- und Prüfstellen zum Vollzug des Gefahrstoffrechts • Gesetz zum Abkommen über das Deutsche Institut für Bautechnik • Verordnung über die Anerkennung von Bildungsveranstaltungen • Verordnung über die Laufbahn der Fachrichtung Bildung • Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Zivil- und Handelssachen sowie für die Erledigung inländischer Rechtshilfeersuchen • HAVO • Hebammen-Berufsordnung • Hebammengesetz • Hochschulgesetz • Hochschulzulassungsgesetz • Ingenieursgesetz • Justizvollzugsdatenschutzgesetz • Kammergesetz für die Heilberufe • Katastrophenschutzgesetz • Kehrbezirksausschreibungsverordnung • Lebensmittelchemikergesetz • ÖRA-Gesetz • Patientenmobilitätsumsetzungsgesetz • Pressegesetz • Staatsvertrag zwischen dem Land Nordrhein -Westfalen und dem Freistaat Bayern übe die Zugehörigkeit der Mitglieder der Patentanwaltskammer die ihren Kanzleisitz in Nordrhein-Westfalen eingerichtet haben, zur Bayerischen Rechtsanwaltsund Steuerberaterversorgung (JB) • Seilbahngesetz • Spielerschutzverordnung • Spielordnung • Vergabeverordnung-Stiftung • Verordnung über anerkannte Fachbetriebe und Zertifizierungsorganisationen auf dem Gebiet der Grundstücksentwässerung • Verordnung über Anforderungen an Wasser - und Abwasseruntersuchungsstellen und deren Zulassung • Verordnung über Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure, Prüfsachverständige und Technische Prüfungen • Versammlungsstättenverordnung • Verwaltungsverfahrensgesetz • VSU Welche konkreten Gesetzesanpassungen nötig sind, hängt vom Ausgang der Verhandlungen über den Brexit zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich ab. Im Falle eines Austrittsabkommens mit Übergangszeitraum würde das Vereinigte Königreich in einem definierten Übergangszeitraum grundsätzlich so behandelt werden , als ob es weiterhin Mitglied der Europäischen Union wäre. Insoweit müsste der Senat der Hamburgischen Bürgerschaft ein Gesetz vorschlagen, welches lediglich auf die Regelungen zur Übergangszeit Bezug nimmt und gegebenenfalls Ausnahmen benennt. Eine Änderung eines der oben genannten Gesetze wäre erst zum Ende der Übergangszeit nach Maßgabe des bis dahin abzuschließenden Abkommens über die künftigen Beziehungen der Europäischen Union zum Vereinigten Königreich erforderlich . Für den Fall des sogenannten No-Deal-Szenarios prüft der Senat zurzeit, welche der oben genannten Gesetze geändert werden müssten, um Rechtsklarheit zu bewahren beziehungsweise unverhältnismäßigen Zuständen vorzubeugen (sogenannte Notfallmaßnahmen ). In beiden Szenarien müsste ein Gesetz spätestens im Februar durch die Hamburgische Bürgerschaft beschlossen werden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14785 3 2. Wie viele Mitarbeiter in welchen Behörden arbeiten mit der Koordinierungsstelle im Senat zusammen? Ist dazu zusätzliches Personal eingeplant ? Wenn ja, wie viele Stellen sollen in welchem Zeitraum hinzukommen? Aus jeder Fachbehörde arbeitet jeweils eine/ein, aus den Senatsämtern arbeiten insgesamt drei Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter als Mitglieder der Koordinierungsgruppe mit der Koordinierungsstelle zusammen. Zusätzliches Personal ist dafür nicht eingeplant. 3. Wie wirbt der Hamburger Senat um die Ansiedlung von Unternehmen? a. Welche Maßnahmen beziehungsweise Strategien werden in Großbritannien und in Hamburg dazu umgesetzt? Hinsichtlich der Maßnahmen zur Ansiedlung von Unternehmen wird auf Drs. 21/14757 verwiesen. b. Wie wirbt der Senat um Unternehmen aus den USA, China oder Japan, die nach dem Brexit auf jeden Fall einen Sitz in Europa behalten wollen? Welche zuständigen Stellen sind dazu eingebunden ? Das Ziel der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) ist es, die gewachsenen Handelsbeziehungen auch nach einem Brexit so weit als möglich aufrechtzuhalten und zu fördern. Für die mit Hamburg verbundenen Unternehmen (auch mit Unternehmen aus den USA, China oder Japan) bietet sich Hamburg auch weiterhin als „Great Britain’s Gateway to Europe“ an. Im Übrigen siehe Drs. 21/5657. c. Welche wirtschaftlichen Begünstigungen werden gegebenenfalls vonseiten des Senats angeboten? Es gelten die üblichen Förderprogramme der FHH. Gesonderte Förderangebote anlässlich des EU-Austritts des Vereinigten Königreichs hält der Senat nicht bereit. 4. Wie viele Unternehmen aus Großbritannien haben im Zeitraum von Juli 2017 bis Oktober 2018 Anfragen an die Freie und Hansestadt Hamburg oder ihre zuständigen Stellen zur Sitzverlagerung gestellt? Sieben Unternehmen. a. Wie viele der Unternehmen haben bereits ihren Sitz verlagert? Fünf Unternehmen. b. Mit wie vielen Unternehmen laufen derzeit Gespräche? c. Wie viele Unternehmen haben bisher Interesse angemeldet? 14 Unternehmen. 5. Hat der Senat eine differenzierte Strategie für die einzelnen Länder des Vereinigten Königreichs? a. Wenn ja, wie sieht diese Strategie aus (bitte aufteilen in Wales, England , Schottland und Nordirland)? b. Wenn nein, warum nicht? Die zuständige Behörde beobachtet die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens und der Regionen (devolved administrations). Mit der Verlagerung von wichtigen staatlichen Zuständigkeiten auf Schottland, Nordirland und Wales, die zum Beispiel alle Fragen der Wirtschaftsförderung betreffen, haben sich regional unterschiedliche Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen herausgebildet. Das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU ist für die zuständige Behörde Anlass für Überlegungen, welche konkreten Maßnahmen und Projekte sinnvoll sind, den interregionalen wirtschaftlichen Austausch zu verstärken, die Unternehmenskontakte zu fördern und hierfür bei den Wirtschaftsbeteiligten in Hamburg zu werben. Damit die Wirtschaftskontakte mit dem Vereinigten Königreich und seinen Regionen nicht Schaden nehmen, hat der Präses Drucksache 21/14785 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 der Wirtschaftsbehörde im März die Hamburger Unternehmen aufgefordert, die Vorbereitungen auf den Brexit gemeinsam mit den jeweiligen britischen Partnern zu intensivieren . 6. Wie plant der Senat, zusätzlicher Bürokratie, tarifären Handelshemmnissen und einer Planungsunsicherheit für Hamburger Unternehmen im Handel mit Unternehmen aus Großbritannien entgegenzuwirken? Mit dem Austritt aus der EU wird Großbritannien ein Drittstaat. Die Wirtschaftsbeteiligten werden die Ein- und Ausfuhrbestimmungen der EU und Großbritanniens anwenden und sich gegebenenfalls auf administrative und finanzielle Mehrbelastungen einstellen . Der Senat unterstützt das in den Leitlinien des Europäischen Rates am 23. März 2018 festgelegte Ziel, mit Großbritannien ein Freihandelsabkommen zu vereinbaren , das unter anderem den Warenhandel unter Beibehaltung von Nullzollsätzen und eine angemessene Zollzusammenarbeit regeln soll. Nach Auffassung des Senats könnten damit zusätzliche Belastungen für Unternehmen begrenzt werden. Um den Übergang so reibungslos wie möglich zu gestalten, sind die zuständigen Behörden in engem Kontakt mit den Wirtschaftsbeteiligten. Im Rahmen des AK Zoll und Hafen der BWVI ist der Brexit ständiger Tagesordnungspunkt. Die Zollkonferenz der BWVI am 6. September 2018 unter Beteiligung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) gab ebenfalls Gelegenheit, den Verhandlungsstand zu erörtern. Der Senat begrüßt und unterstützt die Aktivitäten der Zollverwaltung (zum Beispiel Aufstockung der Zahl der Mitarbeiter am Standort Hamburg, Brexit-Kontaktstelle der Hauptzollämter Hamburg -Hafen und Hamburg-Stadt), die gemeinsame Informationsveranstaltung des BMF und der Handelskammer Hamburg (KöR) am 09. November 2018 sowie weitere Aktivitäten der Wirtschaftsbeteiligten. Dabei gilt, dass die Vorbereitungen auf den Brexit noch zielgerichteter erfolgen werden, sobald die Voraussetzungen bekannt sind, unter denen Großbritannien aus der EU ausscheidet. 7. Wie viele EU-Projekte zwischen welchen Universitäten, Hochschulen in Hamburg und Einrichtungen in Großbritannien gibt es derzeit? An den staatlichen Hamburger Hochschulen gibt es derzeit 85 EU-Projekte zwischen Hochschulen in Hamburg und Einrichtungen in Großbritannien. Im Einzelnen: An der Universität Hamburg (UHH) – inklusive Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) – gibt es derzeit 54 EU-Projekte mit Beteiligung von Partnern aus Großbritannien mit folgenden Einrichtungen: London School Of Economics And Political Science, Seascape Consultants Ltd, The University Of Warwick, University Of Glasgow, Ashoka Uk, University College London, University Of Sheffield, University Of York, University Of Birmingham, University Of Leicester, University Of Cambridge, United Kingdom Research And Innovation, University Of Edinburgh, University Of Leeds, University Of Sur-rey, Imperial College Of Science Technology And Medicine, University Of The West Of England, University Of Plymouth, University Of Manchester, University Of Lincoln, University Of Newcastle Upon Tyne, Visomorphic Technology Ltd, Bath Spa University, The Scottish Association For Marinescience Lbg, Sams Research Services Limited, University Of Southampton , The University Of Reading, Woc - World Ocean Limited, University Of Exeter, King's College London, Age Concern London, The Glasgow Caledonian University, European Centre For Medium-Range Weather Forecasts, Pgro Research Limited, The University Of Reading, Npl Management Limited, The Secretary Of State For Environment , Food And Rural Affairs, Longline Environment Ltd, Plymouth Marine Laboratory, University Of Hull, Bangor University, University Of Portsmouth, University Of The Highlands And Islands, Scottish Pelagic Fishermen's Association Limited, Marine Scotland, University Of Leeds, University Of East Anglia, University Of Strathclyde, University Of Liverpool, Imperial College Of Science Technology And Medicine, University Of Oxford, University Of Glasgow, Cardiff University, University Of Aberdeen, University Of Surrey, University Of Sussex und University Of Hertfordshire. An der Technischen Universität Hamburg (TUHH) laufen aktuell sechs EU-Projekte in den EU-Programmen Horizon 2020, Erasmus+ und Interreg mit folgenden britischen Einrichtungen: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14785 5 University of Strathclyde Glasgow, The University of Manchester, University of Cambridge , The City University, The University of Reading, The Manchester Metropolitan University, University of Newcastle Upon Tyne, University of Sheffield, Lancaster University , University College London, University of Nottingham, Queen Mary University of London, University of Sunderland, University of Oxford, University of Warwick, University of Birmingham und University of Leeds. An der HafenCity Universität Hamburg (HCU) gibt es derzeit ein Projekt mit Großbritannien , und zwar im EU-Programm Horizon 2020, gemeinsam mit University College London und Oxfordshire County Council. An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) gibt es derzeit 17 EU-Projekte mit Partnern aus Großbritannien, und zwar mit folgenden britischen Einrichtungen: University of Edinburgh, Napier University Edinburgh, Glasgow Caledonian University, University of Glasgow, University of Hertfordshire, Kingston University, Leeds Trinity University, Wimbledon College of Art, Winchester School of Art, Manchester Metropolitan University, University of the West Scotland, Manchester Metropolitan University, Kingston University, Aston University und University of Hull. An der Hochschule für Bildende Künste (HFBK) gibt es derzeit eine Erasmus- Kooperation (Studierendenaustausch) mit dem Wimbledon College of Arts und der University of the Arts London. An der Hochschule für Musik und Theater (HFMT) gibt es derzeit fünf Hochschul- Kooperationen im Rahmen von Erasmus+ mit Universitäten in Großbritannien (Birmingham Royal Conservatoire Birmingham (Birmingham City University), London Guidhall School of Musik & Drama, Royal Academy of Music, Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance und City University London), außerdem das Aldeburgh Festival im Europäischen Netzwerk Ulysses. a. Wie viele Projekte sind durch den Brexit und den aktuellen Stand der Verhandlungen in Gefahr geraten beziehungsweise könnten nicht weiter gehen? An den Hamburger staatlichen Hochschulen sieht man die Fortsetzung von elf Projekten durch den Brexit kritisch. b. Wie viel Personal wäre betroffen und was tut die Freie und Hansestadt Hamburg, um dem Verlust von Projekten und Personal entgegenzuwirken ? An den Hamburger staatlichen Hochschulen geht man derzeit davon aus, dass insgesamt fünf Mitarbeiter/-innen betroffen wären. Aufgrund des noch nicht bekannten Ausgangs der Verhandlungen zum Brexit sind entsprechende Überlegungen derzeit noch nicht abgeschlossen.