BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14830 21. Wahlperiode 27.11.18 Große Anfrage der Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow, Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein, Michael Kruse, Daniel Oetzel, Dr. Kurt Duwe (FDP) und Fraktion vom 30.10.18 und Antwort des Senats Betr.: Aufarbeitung von Missständen bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung (II) Das effiziente Vorgehen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung ist ein maßgebliches Instrument zur Bekämpfung schwerster Kriminalität und zur präventiven Gefahrenabwehr. In der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU), die als zentraler Akteur die „Verhinderung, Aufdeckung und Unterstützung bei der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorfinanzierung “ (Artikel 32 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2015/849) gewährleisten soll, bestehen nach diversen Medienberichten gravierende Missstände. Seitdem die FIU zum 26.6.2017 fachlich und strukturell neu ausgerichtet und zur Generalzolldirektion in das Zollkriminalamt überführt wurde, mehren sich Belege und Hinweise, dass die FIU Meldungen, die mit Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche in Zusammenhang stehen, nicht innerhalb der gesetzlichen Frist an die zuständigen (Strafverfolgungs-)Behörden der Länder weitergeleitet hat. Transaktionen möglicher inkriminierter Gelder konnten somit von den zuständigen Stellen nicht mehr rechtzeitig vor dem Eingang in den Geldkreislauf angehalten beziehungsweise ausgesetzt werden. Laut Senatsantwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage vom 21.09.2018 (Drs. 21/14430) konnten viele der Fragen in der für eine Schriftliche Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht beantwortet werden. Des Weiteren warfen einige Antworten weitere oder neue Fragen auf. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Statistische Daten im Sinne der Fragestellungen werden von der Polizei nicht erhoben . Für die Beantwortung wäre eine manuelle Durchsicht sämtlicher im erfragten Zeitraum beim Fachkommissariat Finanzermittlungen/GFG im Landeskriminalamt (LKA 66) von der Financial Intelligence Unit (FIU) eingegangener Geldwäscheverdachtsmeldungen (GWVM) erforderlich. Die Auswertung der bis zum Stichtag 31. Oktober 2018 beim LKA 66 vorliegenden 1.345 Vorgänge ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Drs. 21/14430. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA nicht erfasst wird, in welchen Verfahren die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) Informationen zugeliefert hat. Es wäre neben einer händischen Durchsicht sämtlicher Geldwäscheverfahren auch eine händische Durchsicht sämtlicher weiterer bei der Staatsanwaltschaft geführter Verfahren notwendig, da nicht alle Verfahren, in denen die FIU Informationen zugeliefert hat, wegen Geldwäsche geführt werden, sondern im Einzelfall bereits durch das LKA 66 Drucksache 21/14830 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 eine abweichende Einschätzung und Feststellung anderer, führender Straftaten erfolgt, als auch im späteren Verlauf durch die Staatsanwaltschaft. Der Steuerverwaltung sind keine derartigen Sachverhalte bekannt. Allein bei den Verfahren, in welchen in MESTA als Tatvorwurf unter anderem § 261 StGB verzeichnet ist und die in der für Finanzermittlungen und Vermögensabschöpfung im Ermittlungsverfahren zuständigen Fachabteilung bearbeitet wurden, handelt es sich seit 26. Juni 2017, vorbehaltlich der richtigen und vollständigen Erfassung in MESTA, um 967 Verfahren. Eine händische Auswertung ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischer Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele nicht fristgerecht weitergeleitete Geldwäscheverdachtsmeldungen (gemäß §§ 43 Absatz 1, 46 Absatz 1 Nummer 2 des Geldwäschegesetzes (GWG)) – sogenannte Fristfälle – sind dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden seit dem 26.06.2017 bekannt? (Bitte um Angabe in tabellarischer Form, sortiert nach Datum und Höhe der Transaktion in Euro. Bitte um Berücksichtigung der Informationen der Behörde für Inneres und Sport, des Landeskriminalamtes, der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter mit dem BKA (AG Kripo) sowie gegebenenfalls weiterer Behörden und Stellen.) a. Wie viele dieser Meldungen seit dem 26.06.2017 trafen in welchem Monat jeweils bei den zuständigen Stellen in HH ein? b. Wie viele dieser Fälle standen in Zusammenhang beziehungsweise in Verdacht mit Geldwäsche? c. Wie viele dieser Fälle standen in Zusammenhang beziehungsweise in Verdacht mit Terrorfinanzierung? d. Bei wie vielen dieser Fälle ist eine Zuordnung zu b. oder c. aufgrund der späten Zuleitung oder pauschalen Vorbearbeitung bei der FIU nicht oder nicht mehr möglich? 2. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen wurden unmittelbar vor Fristablauf von der FIU an die (Strafverfolgungs-)Behörden übermittelt, sodass nicht mehr die Möglichkeit einer fristgerechten Vornahme strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen bestand? 3. Bei wie vielen Transaktionen – die in Verdacht stehen, mit Geldwäsche oder Terrorfinanzierung in Zusammenhang zu stehen –, die seit dem 27.06.2017 nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Tagen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Freien und Hansestadt Hamburg gemeldet wurden, fanden inkriminierte Gelder Eingang in den Geldkreislauf und auf welchen Betrag summieren sich diese Gelder? 4. Wie viele von der FIU seit dem 27.06.2017 nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Tagen an die zuständigen Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg gemeldeten Transaktionen stehen oder standen mit Steuerhinterziehungstatbeständen in Verdacht und wie oft waren dabei hinterzogene oder vermutlich hinterzogene Steuerbeträge im sechsstelligen Bereich oder höher betroffen? 5. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen sind nach Kenntnis des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörden den (Strafverfolgungs -)Behörden seit dem 26.06.2017 mit dem Hinweis „Russian Laundromat “ weitergeleitet worden? Siehe Vorbemerkung. 6. Wie viele Strafverfahren wurden seit dem 26.06.2017 von den zuständigen (Strafverfolgungs-)Behörden eingeleitet, in denen die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen Informationen zugeliefert hat? In wie vielen weiteren Fällen – in denen die FIU seit dem 26.09.2017 Informationen zugeliefert hat – wurden Verfahren nicht wegen des Ver- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14830 3 dachts der Geldwäsche, sondern wegen des Verdachts anderer Straftaten geführt, bei denen das LKA 66 sowie im späteren Verlauf die Staatsanwaltschaft abweichende Einschätzungen und Feststellungen zulieferten ? Seitens des Finanzamts für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg wurden seit dem 26. Juni 2017 in zwei Fällen Steuerstrafverfahren eingeleitet. Weitere elf Geldwäscheverdachtsmeldungen konnten laufenden Steuerstrafverfahren zugeordnet werden; darüber hinaus siehe Vorbemerkung. 7. Wie viele Maßnahmen zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr wurden aufgrund der Zulieferungen der FIU eingeleitet? Die Maßnahmen werden statistisch nicht erfasst; ein solcher Sachverhalt ist dem zuständigen LKA 66 nicht erinnerlich; im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. In wie vielen Fällen hat die zuständige Staatsanwaltschaft die FIU seit dem 26.06.2017 über die weitere strafprozessuale Entwicklung gemäß § 42 des Geldwäschegesetzes in Kenntnis gesetzt (bitte sortiert nach Datum und Art der Übersendung (Anklageschrift, begründeter Einstellungsentscheidung und Urteil des Strafverfahrens)? In wie vielen weiteren Fällen – in denen die FIU seit dem 26.09.2017 Informationen zugeliefert hat – wurden Verfahren nicht wegen des Verdachts der Geldwäsche , sondern wegen des Verdachts anderer Straftaten geführt, bei denen das LKA 66 sowie im späteren Verlauf die Staatsanwaltschaft abweichende Einschätzungen und Feststellungen zulieferten? Siehe Vorbemerkung. 9. Welche Erkenntnisse konnte das LKA 66 aus den Meldungen der FIU seit dem 26.09.2017 gewinnen, ob und inwieweit innerhalb der FIU die nötige fachliche Kompetenz, die Erfahrung und ein ausreichender Zugang zu den erforderlichen Datensystemen der FIU vorhanden ist, die der Senat laut seiner Antwort auf Frage 7. der Drs. 21/14430 als entscheidend prägend für die Qualität der Filterfunktion ansieht? Sieht der Senat die in der Antwort zu Frage Nummer 7. der Drs. 21/14430 dargestellten Qualitätsmängel der Meldungen auch als Beeinträchtigung der Qualität für die Filterfunktion? Wenn nein, warum nicht? Die Vorfilterfunktion der FIU ist grundsätzlich zu begrüßen. Im Sinne eines kontinuierlichen gemeinsamen Qualitätsentwicklungsprozesses werden von den zuständigen Dienststellen der Länderpolizeien und des Bundeskriminalamtes in einem kontinuierlichen Austausch mit der FIU Mindeststandards für die Analyseberichte entwickelt; im Übrigen siehe 21/14430. 10. In wie vielen Fällen erfolgte die Weiterleitung der FIU ohne oder lediglich mit pauschalen inhaltlichen Bewertungen? In wie vielen Fällen betraf dieses Weiterleitungen, die erst nach Fristablauf erfolgten? Siehe Vorbemerkung. 11. Wie nimmt das LKA 66 die Ressourcensteuerung vor, wenn die „Abarbeitung (...) in Abhängigkeit der Anzahl der durch die Mitarbeiter jeweils zu bearbeitenden Vorgänge sowie des Umfangs des im Einzelfall erforderlichen Ermittlungsaufwandes“ erfolgt, die Vorgangsbelastung für einzelne Mitarbeiter aber nicht erhoben wird? Wie genau wurde vom Senat der dargestellte konkrete zusätzliche Ausstattungsbedarf mit fünf zusätzlichen Arbeitnehmerstellen für das LKA 66 ermittelt, wenn die jeweiligen Vorgangsbelastungen der Bestandsmitarbeiter nicht erhoben werden? Im LKA 66 werden durch erfahrene Sachgebietsleiter die Vorgänge bei Eingang gesichtet und bewertet. Nach erfolgter Priorisierung werden diese den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugeschrieben. Um eine gerechte Belastungsverteilung gewährleisten zu können, erfolgt im LKA 66 ein ständiger Austausch der Sachgebietsleitun- Drucksache 21/14830 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 gen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie innerhalb der Sachgebiete. Dabei ergibt sich die Belastung aus dem im Einzelfall erforderlichen Ermittlungsaufwand und der individuellen Leistungsfähigkeit. Daher ist die Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anhand der Anzahl der ihnen zugeschriebenen Vorgänge nicht messbar. Der Senat hat im Oktober 2017 ein Paket zur Schaffung von zusätzlichen 54 Arbeitnehmerstellen im LKA beschlossen, um unter anderem vorhandenen Rückstellungen entgegenzuwirken. Unter Berücksichtigung der erforderlichen Bedarfe und Prioritätensetzungen wurden fünf dieser Arbeitnehmerstellen dem LKA 66 zugewiesen, siehe auch Drs. 21/14430. 12. Warum hat sich der Senat beim für die Innere Sicherheit so ungemein wichtigen Thema Geldwäschebekämpfung angesichts der über längere Zeiträume dargestellten Verzögerungen und Qualitätsmängel über Monate alleine auf die obligatorische Abstimmung der Landes- mit den Bundesbehörden verlassen, anstatt bei diesem drängenden Thema unverzüglich in eigener Sache beim sich für die Umsetzung der Strukturreform verantwortlich zeichnenden Bundesfinanzministerium vorstellig zu werden? Die bestehenden Kontakte und Austausche mit dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) haben, insbesondere in den letzten Monaten, keinen Zweifel gelassen, dass das BMF die erkannten Optimierungsnotwendigkeiten wie die Länder beurteilt und mit höchster Priorität verfolgt. Auf der Fachebene wurden hierzu einvernehmlich Maßnahmen abgestimmt und in die Umsetzung gebracht. Siehe auch Drs. 21/14430.