BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14865 21. Wahlperiode 09.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 01.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Akademisierung von Hebammen bei gleichbleibend schlechten Arbeitsbedingungen und wenig dualen Ausbildungsplätzen? Die Zahl der Geburten in Hamburger Krankenhäusern nimmt seit Jahren zu. Allein von 20111 bis 20172 ist die Zahl der Niederkünfte um 5.080 Geburten und damit um ein Viertel gestiegen. Aber nicht nur die Geburtenzahlen steigen , auch die Anforderungen an Hebammen: Nach einer neuen EU-Verordnung benötigen Hebammen nach dem 18. Januar 2020 einen akademischen Abschluss. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat daher angekündigt, dass Hebammen und Entbindungspfleger künftig in einem dualen Studium auf den Beruf vorbereitet werden sollen. Das allein verbessert aber nicht die Situation in Hamburg. Bisher ist die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um ein Vielfaches höher als die Zahl der Ausbildungsplätze an Hamburger Kliniken. An der Asklepios Klinik Barmbek, wo die meisten Hebammen und Entbindungspfleger ausgebildet werden, kommen seit Jahren rund 400 Bewerberinnen und Bewerber auf nur rund 70 Ausbildungsplätze. Die Zahl der Ausbildungsplätze an anderen Hamburger Kliniken ist meistens einstellig und liegt damit deutlich darunter (siehe auch Drs. 21/8852 und Drs. 21/8791). Viele junge Mütter beklagen, keine Hebamme für die Wochenbettbetreuung zu finden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Im Jahr 2015 gab es rechnerisch 246,1 festangestellte Hebammen (Vollzeit ) an Hamburger Kliniken, die Zahl sank 2016 auf 233,1 Hebammen. Wie hat sich die Zahl der festangestellten Hebammen an Hamburger Kliniken 2017 und im ersten Halbjahr 2018 entwickelt? Die Hamburger Plankrankenhäuser haben der zuständigen Behörde folgende Angaben übermittelt: 2017 Anzahl Vollkräfte 2018 1. Halbjahr Anzahl Vollkräfte 210,66 206,20 Zum statistischen Rückgang der Angaben zur Kategorie „Vollkräfte“ ist die strukturelle Veränderung in der Asklepios Klinik Altona sowie die Aufgabe der Geburtshilfe im 1 19.889 Geburten gemäß Pressemitteilung der BGV vom 15. Januar 2012 (in Hamburger Krankenhäusern und im Geburtshaus Hamburg). 2 24.969 Geburten gemäß Pressemitteilung der BGV vom 8. Januar 2018 (in Hamburger Krankenhäusern und im Geburtshaus Hamburg). Drucksache 21/14865 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Asklepios Klinikum Harburg zum 1. Januar 2017 zu berücksichtigen. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 2. Es ist davon auszugehen, dass die Schaffung eines dualen Studienganges für Hebammen und Geburtshelfer mit einer zunehmenden Nachfrage nach dualen Ausbildungsplätzen einhergeht. Wie will Hamburg dem nachkommen angesichts der Tatsache, dass es schon jetzt sehr viel weniger Ausbildungsplätze als Bewerberinnen und Bewerber gibt? Zu Ausbildungskapazitäten im Rahmen eines noch zu entwickelnden dualen Studienganges Hebammenkunde können derzeit noch keine Angaben gemacht werden, da die Planung insbesondere abhängig ist von den rechtlichen Rahmenbedingungen, die derzeit noch nicht bekannt sind (siehe Drs. 21/14426). 3. Mit Drs. 21/14426 ließ der Präses der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung (BWFG) mitteilen, dass Hamburg seit Frühjahr 2018 ein Pilotprojekt einer dualen Ausbildung zwischen HAW und UKE aufgenommen habe. Wie genau ist das Konzept hierfür? Wann wird mit Ergebnissen gerechnet? Seit dem Frühjahr 2018 entwickeln das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) ein Konzept für einen gemeinsam durchgeführten interprofessionellen Bachelorstudiengang Hebammenkunde in Hamburg. Ziel ist ein Start des Studiengangs zum Wintersemester 2020/2021. Das Konzept sieht einen dualen Bachelorstudiengang Hebammenkunde vor, der kein ausbildungs-, jedoch ein praxisintegrierter Studiengang sein wird. Die konzeptionellen Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Nach den derzeitigen Planungen werden UKE und HAW bis März 2019 ein Rahmenkonzept erarbeiten und den zuständigen Behörden vorlegen. Im Übrigen siehe Drs. 21/14426. 4. Die Zahl der durch Beleghebammen in Hamburger Plankrankenhäusern betreuten Geburten hat von 2011 (848 Geburten) bis 2016 (625 Geburten ) deutlich abgenommen. Worauf ist dieses zurückzuführen; ist der Mangel an freiberuflichen Hebammen ein Grund? Nach Angaben der Hamburger Plankrankenhäuser sind derzeit nur in wenigen Geburtshilfen Beleghebammen tätig. In der AK Altona ist hingegen durch ein seit Juli 2017 bestehendes strukturelles System im Kreissaalbereich, der nunmehr durch die Partnerschaft der im Hebammenkontor organisierten Hebammen versorgt wird, eine Umsteuerung erfolgt. 5. Junge Mütter beklagen immer wieder, keine freiberufliche Hebamme für die Wochenbettbetreuung zu finden. Im Jahr 2015 gab es in Hamburg 343 aktive freiberufliche Hebammen. Wie hat sich die Zahl der aktiven freiberuflichen Hebammen in Hamburg 2016, 2017 und im ersten Halbjahr 2018 entwickelt? Wenn die Zahl der aktiven freiberuflichen Hebammen in Hamburg zurückgegangen ist, welche Gründe sieht die BGV hierfür ? Die Zahl der aktiven freiberuflichen Hebammen lag – auf der Grundlage der Umlagerechnung der Berufsgenossenschaft für Wohlfahrtspflege und Gesundheit – 2016 bei 354 und 2017 bei 368. Die (ganzjährige) Zahl für 2018 wird voraussichtlich erst Ende des Jahres 2019 vorliegen. 6. Wie will die BGV angesichts steigender Geburtszahlen die Wochenbettbetreuung junger Mütter und Neugeborener durch freiberufliche Hebammen in Zukunft sicherstellen? Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) besitzt keine rechtliche Grundlage zur Sicherstellung der Versorgung durch freiberufliche Hebammen. Es ist die persönliche Entscheidung von Hebammen, ob sie freiberuflich tätig werden. Anliegen der BGV ist es in den letzten Jahren gewesen, die Zahl der Ausbildungsplätze für Hebammen nachdrücklich zu erhöhen. Dies ist gelungen. Siehe auch Antwort zu 10. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14865 3 Ergänzend wird auf das mit Unterstützung der Behörde erweiterte Internetportal des Hebammenverbands Hamburg hingewiesen. Das Internetportal erleichtert die Suche nach einer freien Hebamme. Unter „http://hebammen.info/freie-kapazitaeten“ können Hebammen ihre freien Betreuungskapazitäten veröffentlichen und Schwangere diese dann einfach und übersichtlich online einsehen und direkt Kontakt aufnehmen. 7. Wie hat sich die Situation der Hebammen seit 2015 hinsichtlich der Vollbeziehungsweise Teilzeittätigkeit entwickelt? Welche Gründe sieht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde in dieser Entwicklung? Da dem Senat keine vollständigen Daten zur Voll- beziehungsweise Teilzeittätigkeit von Hebammen vorliegen, ist die Beantwortung nicht möglich. Die Hamburger Geburtshilfen bieten nach Angaben der Hamburger Plankrankenhäuser ihren Hebammen entsprechend der persönlichen Bedürfnisse individuelle Arbeitszeitmodelle an, ein großer Teil der angestellten Hebammen ist auf deren Wunsch in Teilzeitbeschäftigungen tätig. 8. Die Arbeitsbelastung von festangestellten Hebammen im Krankenhaus ist hoch: Sie leiden unter Schichtdienst und damit der fehlenden Möglichkeit , Beruf und Familie zu vereinbaren, fehlenden Ruhepausen, häufigen Vertretungsdiensten. Mit der Akademisierung steigen auch die Ansprüche der Hebammen. Dies führt dazu, dass die Arbeit im Krankenhaus wieder attraktiver gestaltet werden muss, beispielsweise durch einen verbindlichen Personalschlüssel, um den Beruf weiterhin attraktiv zu halten und dafür zu sorgen, dass nicht zu viele Hebammen mit akademischem Abschluss beispielsweise in die Forschung gehen. Welche Überlegungen gibt es bei der BGV diesbezüglich? Die Hamburger Plankrankenhäuser haben nach Einschätzung der zuständigen Behörde die Herausforderung erkannt und reagieren mit entsprechenden Konzepten (vergleiche Antwort zu 4.) und Maßnahmen zur Arbeitszeitgestaltung (vergleiche Antwort zu 7.). Der Senat hat sich mit einem Antrag an den Bundesrat dafür eingesetzt, dass im Zuge des Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal- Stärkungsgesetz, PpSG) auch die Hebammen aus den DRGs (Fallpauschalen) herausgenommen werden, um diese dann 1:1 in den Entgeltverhandlungen krankenhausindividuell umfassend zu berücksichtigen. 9. Ein Risiko der Akademisierung der Hebammen-Ausbildung ist, dass vorab viele Interessierte gar nicht erst für den Beruf infrage kommen, da jetzt die Fachhochschulreife beziehungsweise das Abitur eine Grundvoraussetzung ist. Außerdem fällt die Vergütung für die Ausbildung weg, wie sie bisher gezahlt wurde. Dies kann dazu führen, dass der Beruf für junge Menschen nicht attraktiver wird, sondern die Hürde, den Beruf zu erlernen, lediglich erhöht wird. Wie schätzt die BGV die Auswirkungen ein? Wie viel Prozent der aktiven festangestellten und freiberuflichen Hebammen in Hamburg haben aktuell die Fachhochschulreife beziehungsweise ein Abitur? Wie viel Prozent der Bewerberinnen und Bewerber auf die wenigen Ausbildungsplätze in Hamburg haben aktuell die Fachhochschulreife beziehungsweise ein Abitur? Die zuständige Behörde geht davon aus, dass der Beruf der Hebamme beziehungsweise des Entbindungspflegers mit einer Akademisierung attraktiver wird. Über die schulische Vorbildung der heute berufstätigen Hebammen liegen keine verlässlichen Informationen vor. Der Anteil der Bewerberinnen und Bewerber mit Abitur beziehungsweise Fachhochschulreife ist nach Angaben der Krankenhäuser sehr unterschiedlich. Bei den Asklepios Kliniken Hamburg liegt er aktuell bei 100 Prozent und in den anderen Krankenhäusern bei bis zu 60 Prozent. 10. Warum gibt es in Hamburg lediglich etwas mehr als 70 Ausbildungsplätze ? Wie ist die Ausbildungskapazität im Sinne des Hebammenmangels zu erhöhen? Die Zahl der Ausbildungsplätze zur Hebamme, zum Entbindungspfleger konnte in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert werden. Inzwischen werden in allen Hambur- Drucksache 21/14865 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 ger Geburtshilfen Hebammen ausgebildet. Derzeit sind den Hamburger Plankrankenhäusern insgesamt 150 Ausbildungsplätze im Rahmen der Krankenhausplanung zugeordnet. Zusätzliche Ausbildungsplätze werden sukzessive aufgebaut.