BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1490 21. Wahlperiode 15.09.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 07.09.15 und Antwort des Senats Betr.: Rechtschreibfähigkeiten von Hamburgs Schülern – Was brachte VERA zutage? Die Präsidentin der KMK drückte es treffend aus: Erfolgreiche Bildungsprozesse sind von der Mitwirkung und der Zusammenarbeit aller an Bildung Beteiligten abhängig. Voraussetzung für eine Mitwirkung an der Entwicklung von Handlungsempfehlungen und Maßnahmen ist jedoch eine umfassende Kenntnis der Ausgangssituation. Diese beinhaltet selbstverständlich auch die Ergebnisse aller Lernstandserhebungen und Vergleichsarbeiten, an denen Hamburgs Schülerinnen und Schüler teilnahmen. Während beispielsweise Berlin und Mecklenburg-Vorpommern kürzlich die Öffentlichkeit über die Rechtschreib- und Lesekompetenzen ihrer Drittklässler informiert haben, hält der Senat die Angabe dieser Daten zurück und verweist in der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/1375 darauf, dass die einzelnen Schulen nach jeder Testung schul- und klassenbezogene Rückmeldungen zu ihren Ergebnissen im Vergleich zu allen Schulen und zu Schulen in vergleichbarer Lage erhalten und diese über ein Passwortgeschütztes Portal abrufen können. Dabei hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf zu erfahren, wie die Situation in Hamburg ist. In Berlin beispielsweise stellte sich heraus, dass selbst von den deutschstämmigen Schülern der 23.700 Drittklässler, die 2014 an VERA 3 teilnahmen, 45 Prozent an der untersten Hürde hängen blieben; bei den Mitschülern anderer Herkunftssprachen sind es sogar 64 Prozent. In Brandenburg schafften 42 Prozent die von der KMK festgelegten Mindeststandards nicht, in Mecklenburg-Vorpommern waren es 37,4 Prozent. Gerade vor dem Hintergrund deutlich steigender Schülerzahlen und der Beschulung von Flüchtlingskindern ist es umso bedeutsamer, Bildungsprozesse zu optimieren. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Sind im Schuljahr 2014/2015 an allen Schulen der Klassenstufen 3 und 8 die VERA-Erhebungen durchgeführt worden? Falls nein, an welchen Schulen jeweils aus welchen Gründen nicht? Alle staatlichen Regelschulen, die Sonderschulen für Sinnesgeschädigte und die Schulen in freier Trägerschaft sind nach § 100 Absatz 3 des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG) zur Teilnahme verpflichtet und haben im Schuljahr 2014/2015 an VERA 3 und 8 (in Hamburg: KERMIT 3 und 8 (KERMIT = Kompetenzen ermitteln)) Drucksache 21/1490 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 teilgenommen. Lediglich die Rudolf Steiner Schulen/Waldorfschulen waren aufgrund einer Vereinbarung mit der zuständigen Behörde von der Teilnahme befreit. 2. Wie wurde die VERA-Erhebung konkret durchgeführt? Die aktuellen Durchführungsanleitungen für VERA/KERMIT 3 und 8 sind unter http://www.liq-projekte.de/KA_21-1490_Antwort/index.php abrufbar. 3. Wie ist das hamburgweite Ergebnis der VERA-Erhebungen aus dem vergangenen Schuljahr für a. Drittklässler und b. Achtklässler hinsichtlich des Erreichens der Kompetenzstufe 1 (unter Mindeststandard ), der Kompetenzstufe 2 (Mindeststandard) und der Kompetenzstufe 3 (Regelstandard)? Den folgenden Tabellen ist die prozentuale Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die jeweiligen erreichten Standards im Fach Deutsch zu entnehmen. Im Rahmen von KERMIT-/VERA-3-Deutsch wurde bisher neben Leseverstehen ein zusätzlicher, jährlich wechselnder Kompetenzbereich erfasst. Im Schuljahr 2014/2015 war dies der Kompetenzbereich Sprache und Sprachgebrauch. KERMIT (VERA) 3 – Standarderreichung der Schülerinnen und Schüler in Prozent KERMIT 3 Deutsch – Leseverstehen Deutsch – Sprachgebrauch mindestens Regelstandard erreicht 65 57 Mindeststandard erreicht 20 25 unter Mindeststandard 15 18 Quelle: Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung KERMIT (VERA) 8 – Standarderreichung der Schülerinnen und Schüler in Prozent KERMIT 8 Deutsch – Leseverstehen mindestens Regelstandard erreicht 64 Mindeststandard erreicht 20 unter Mindeststandard 16 Quelle: Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung 4. Hat es eine Differenzierung nach Schülern mit deutscher/nicht deutscher Verkehrssprache gegeben? Falls ja, bitte Ergebnis unter 3. differenziert darstellen. Nein. 5. Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben die Ergebnisse der VERA-3-Untersuchung veröffentlicht. a. Aus welchem Grund hat Hamburg dies noch nicht getan? b. Wird Hamburg dies noch tun? Falls nein, weshalb nicht? Die VERA-Testungen sind konzeptionell nicht für einen Ländervergleich ausgelegt. Insbesondere unterscheiden sich Verpflichtungsgrad und Durchführungsmodalitäten in den Ländern voneinander. Der mit einer Veröffentlichung von Länderergebnissen zwangsläufig einhergehende Vergleich der Ergebnisse einzelner Länder wäre unter Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1490 3 methodischen Gesichtspunkten nicht aussagekräftig und würde nicht zutreffende Erwartungen an die Erhebung wecken. Laut der „Vereinbarung zur Weiterentwicklung von VERA“ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 8. März 2012) liegt „die zentrale Funktion von VERA (…) in der Unterrichts- und Schulentwicklung jeder einzelnen Schule“ (siehe http://www.kmk.org/ fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_03_08_WeiterentwicklungVERA .pdf). Die Schulleitung und die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer erhalten mit den VERA-/ KERMIT-Ergebnissen Hinweise auf den Leistungsstand der Lerngruppen in den Jahrgangsstufen 3 und 8 bezogen auf die bundesweiten Bildungsstandards. Mit der frühzeitigen Rückmeldung, inwieweit die bundesweiten Standards erreicht werden, erhalten die Schulen rechtzeitig Informationen zu möglichen Förderbedarfen. Zur Verdeutlichung ist anzumerken, dass sich die von der KMK verabschiedeten Kompetenzstufenmodelle auf das Ende der Klasse 4 beziehungsweise auf den ersten allgemeinbildenden und mittleren Schulabschluss Ende Jahrgangsstufe 9 beziehungsweise 10 beziehen. Die zuständige Behörde sieht daher davon ab, die Ergebnisse von VERA/KERMIT 3 und 8 zu veröffentlichen und folgt damit der gängigen Praxis der überwiegenden Zahl der Länder. c. Besteht ein Informationsanspruch im Hinblick auf diese Daten nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz? Falls nein, weshalb nicht? Gemäß § 11 Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG) besteht auf Antrag ein Anspruch auf Information in Bezug auf hinreichend aggregierte/anonymisierte Ergebnisse der VERA-Erhebungen, die einen Rückschluss auf personenbezogene Daten einzelner Schülerinnen und Schüler nicht zulassen (§ 4 HmbTG). d. Ist der zuständigen Behörde bekannt, ob noch weitere Bundesländer eine Veröffentlichung der VERA-3-Ergebnisse planen? Falls ja, welche? Nein. 6. Laut Pressemitteilung der Schulbehörde vom 25. August 2015 wurde eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung des Rechtschreibunterrichts auf den Weg gebracht. Dazu zählen jährliche Rechtschreibtests in den Klassen 1 bis 10, das Einüben eines verbindlichen Kernwortschatzes an der Grundschule sowie eine Handreichung für Lehrkräfte mit inhaltlichen und methodischen Erläuterungen für guten Rechtschreibunterricht . a. Ist sichergestellt, dass diese Maßnahmen flächendeckend ab diesem Schuljahr an allen Hamburger Schulen zum Einsatz kommen? Falls nein, an welchen Schulen jeweils aus welchen Gründen nicht? Ja. Die zuständige Behörde hat, unter anderem um sicherzustellen, dass die beschriebenen Maßnahmen flächendeckend zum Einsatz kommen, ab dem Schuljahr 2015/2016 Landesfachkonferenzen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch eingeführt. Die Fachleitungen der staatlichen Grundschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien nehmen zweimal jährlich verbindlich an diesen Dienstbesprechungen teil. In diesen in der Regel dreistündigen Landesfachkonferenzen werden die Fachleitungen über neue Rahmensetzungen der Behörde informiert, sie beraten über fachbezogene Unterrichtsentwicklung und ermitteln im Austausch entsprechende Handlungsbedarfe . Die Schulleitungen wurden vom Leiter des Amtes für Bildung mit Schreiben vom 24. Juli 2015 entsprechend informiert. b. Ist eine Veröffentlichung der jährlichen Rechtschreibtests beabsichtigt ? Falls nein, weshalb nicht? Drucksache 21/1490 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 c. Sollen diese jährlichen Rechtschreibtests neben VERA und der Hamburger Schreib-Probe durchgeführt werden? Die Rechtschreibtests werden parallel zu VERA/KERMIT durchgeführt. Bei den Rechtschreibtests handelt es sich um die Hamburger Schreib-Probe (HSP) oder um einen anderen standardisierten Rechtschreibtest zur Individualdiagnose. Die zuständige Behörde beabsichtigt weder die Veröffentlichung der jährlichen Rechtschreibtests noch deren Ergebnisse. Die Rechtschreibtests sind urheberrechtlich geschützt und dienen ausschließlich der schülerindividuellen Diagnose der Rechtschreibfähigkeit mit der Zielsetzung, darauf bezogene Förderschwerpunkte zu ermitteln und Fördermaßnahmen einzuleiten. Sie dienen weder der Leistungsbewertung noch dem Leistungsvergleich. d. Welche Lernstanderhebungen, Vergleichsarbeiten und sonstigen Tests zur Feststellung der Rechtschreibkompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler werden in welchen Jahrgangsstufen jeweils wie häufig durchgeführt und welche dieser Erhebungen werden auf welche Weise veröffentlicht? e. In welchem Verhältnis stehen die einzelnen Lernstanderhebungen, Vergleichsarbeiten und sonstigen Tests zueinander? Zusätzlich zur HSP wird ab 2016 bei KERMIT 3, 5 und 7 regelhaft ein Rechtschreibtest eingesetzt. Bei KERMIT (VERA) 8 wird 2016 die Rechtschreibung getestet. Ein Vergleich der Länder findet 2016 im Rahmen des IQB-Ländervergleichs Ende Klasse 4 statt, dessen Ergebnisse vermutlich im Herbst 2017 als Druckfassung und im Internet veröffentlicht werden. Darüber hinaus führen die Schulen schriftliche Lernerfolgskontrollen zur Feststellung der Rechtschreibkompetenzen durch. Über deren Anzahl beschließt die einzelne Schule im Rahmen der ihr gemäß § 50 HmbSG übertragenen Aufgaben. Anlassbezogen testen die Schulen die Rechtschreibkompetenz zur Feststellung einer Förderung der Schriftsprache nach dem Sprachförderkonzept beziehungsweise zur Gewährung einer Außerunterrichtlichen Lernhilfe (AUL) gemäß „Richtlinie zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen“ (http://www.hamburg.de/contentblob/69558/data/bbs-vo-richtlfoerderung -lesen-rechnen-11-06.pdf). Schließlich werden in den zentralen schriftlichen Prüfungen zum ersten allgemeinbildenden , zum mittleren Schulabschluss in Klasse 9 beziehungsweise Klasse 10 sowie in der schriftlichen Überprüfung in Klasse 10 am Gymnasium regelhaft auch Rechtschreibkompetenzen überprüft und bewertet. Die einzelnen Lernstandserhebungen, Vergleichsarbeiten und sonstigen Tests ergänzen einander. Ihr gemeinsamer Bezugsrahmen sind die Hamburger Bildungspläne beziehungsweise die bundesweiten Bildungsstandards. Damit unterstützen sie die Schulen bei der Überprüfung und Umsetzung der Bildungsstandards der Primarstufe und Sekundarstufe I sowie gemäß der Gesamtstrategie der KMK (siehe http://www.kmk.org/bildung-schule/qualitaetssicherung-in-schulen/bildungsmonitoring/ ueberblick-gesamtstrategie-zum-bildungsmonitoring.html) bei der Unterrichts- und Schulentwicklung. Bis auf die zur Veröffentlichung vorgesehenen Ergebnisse des IQB-Ländervergleichs 2016 sieht die zuständige Behörde von einer Veröffentlichung aller zuvor genannten Tests oder Erhebungen ab. Die jeweiligen KERMIT-Ergebnisse der einzelnen Schulen sollen jedoch der Schulöffentlichkeit dargestellt werden. Im Übrigen siehe Antworten zu 3. und 6.