BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14901 21. Wahlperiode 13.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 05.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Nachfrage zu Drs. 21/14615: Erbpacht-, Miet- und Pachtgrundstücke werden gekündigt: Was plant der Senat in Moorfleet? Die Antworten des Senats auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/14615 geben Anlass zu einigen Nachfragen. Ich frage den Senat: Das Vertragsverhältnis für die Flurstücke (Flst.) 1842 und 1843 in Moorfleet wurde vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 geschlossen. Da erst zu diesem Zeitpunkt die Begrifflichkeiten des Miet- und Pachtvertrages definiert wurden, wird im Folgenden generell von einem Vertragsverhältnis gesprochen. Seit Abschluss des Vertrages im Jahr 1869 wird ein Betrag in Höhe von 0,0065 Euro/m² p.a. erhoben, dies entspricht einem jährlichen Betrag in Höhe von 11,18 Euro (auf heutige Währung umgerechnet). Die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß Bodenrichtwert beträgt 1,67 Euro/m² p.a., ausgehend von einer gärtnerischen Nutzung des Grundstücks und einer Nutzung als Museum – Jazz-Archiv (ohne Wohnnutzung) der Baulichkeit. Der aktuell gezahlte Zins soll nun auf einen Betrag in Höhe von 0,58 Euro/m² p.a. (1.000 Euro) angepasst werden. Er liegt demnach weiterhin noch deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. In den vergangenen 40 Jahren haben Kontakte zwischen den zuständigen Behörden und den jeweiligen Vertragspartnern (insbesondere Rechtsvorgänger der aktuellen Vertragspartnerinnen) im Hinblick auf einen möglichen Verkauf der Fläche oder eine Anpassung des Vertrages zu keiner einvernehmlichen Lösung geführt. Schließlich wurde am 15. August 2018 eine Kündigung durch die aktuelle, vom bevollmächtigte Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen beauftragte Dienstleisterin, die Firma Karl Gladigau GmbH (Gladigau), ausgesprochen. Im selben Zuge wurde ein Vertragsentwurf mit angepassten Konditionen übermittelt und das Angebot unterbreitet, einen neuen Mietvertrag gemäß aktueller wirtschaftlicher und rechtlicher Bedingungen abzuschließen. Leider wurde versäumt, zuvor das Gespräch mit den Vertragspartnerinnen zu suchen. Die zuständige Behörde hat ihr Bedauern ausgedrückt und signalisiert, dass sie Vertragsverhandlungen offen gegenübersteht . Das Vertragsverhältnis und der damit verbundene Vorgang stehen in keinem Zusammenhang mit etwaigen Planungen des Senats in Moorfleet und sind daher separat zu betrachten. Bezogen auf das Vertragsverhältnis der Flst. 1842 und 1843 hat der Senat ein Interesse am Fortbestehen der aktuellen kulturellen Nutzung. Einziges Ansinnen des Senats ist die Anpassung des Vertragsverhältnisses an aktuell übliche wirtschaftliche Verhältnisse. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/14901 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. In Spalte 1 der Anlage zu Drs. 21/14615 führt der Senat verschiedene Pachtarten auf. Wie werden die Vertragsarten „Pachthofvertrag“, „Pachtvertrag “ und „Pachtvertrag Landwirtschaft“ seitens des Senats definiert und wo liegen demnach bei diesen Vertragsarten die Unterschiede? Ein Pachthofvertrag beinhaltet grundsätzlich die langfristige Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen und Gebäuden (Wohn- und Wirtschaftsgebäude) an Landwirtinnen beziehungsweise Landwirte. Ein Pachtvertrag Landwirtschaft hingegen regelt die Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen ohne Gebäude an Landwirtinnen und Landwirte. In beiden Fällen erfolgt die Verpachtung in Abstimmung mit der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI). Ein Pachtvertrag wird zur Verpachtung von Flächen geringer Größe mit unbefristeter Laufzeit an alle Interessenten geschlossen. Eine Beteiligung BWVI ist hierfür nicht erforderlich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Trifft es zu, dass nach Rechtsauffassung des Senats die Verträge der Flurstücke 1842 und 1843 am Moorfleeter Deich aus dem Jahr 1869 mit Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 ungültig sind? Wenn ja, bitte begründen. 3. Sofern der Senat die Rechtsauffassung vertritt, dass die unter Frage 2. genannten Verträge mit Inkrafttreten des BGB ungültig sind: Welche weiteren Pachthofverträge, Pachtverträge oder Pachtverträge Landwirtschaft in der Freien und Hansestadt Hamburg sind demnach in der Freien und Hansestadt Hamburg betroffen? Bitte über alle Gemarkungen mit jeweiligen Flurstücken und Flächengrößen angeben. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich hinsichtlich der Nutzungsverträge über die Flurstücke 1842 und 1843 der Gemarkung Moorfleet des Bezirkes Bergedorf zu keinem Zeitpunkt auf eine Ungültigkeit im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzesbuches berufen. Darüber hinaus sieht der Senat in ständiger Praxis davon ab, im Rahmen der Beantwortung von Parlamentarischen Anfragen seine Rechtsaufassung in Form einer generellen Rechtsauskunft darzulegen. 4. Wodurch begründet sich, bezogen auf die unter Frage 2. genannten Flurstücke, das 119-jährige Nichthandeln des Senates? Zwischen den jeweiligen Vertragspartnern (auch Rechtsvorgängern) und der Stadt gab es zu unterschiedlichen Zeitpunkten Kontakt, unter anderem hinsichtlich eines Verkaufs der Fläche, einer Ablösung der jährlichen Zahlungen sowie einer Anpassung des Vertragsverhältnisses, siehe Anlage. 5. Trifft es zu, dass die Kündigung der Flurstücke 1842 und 1843 durch die Gladigau Immobilien GmbH, und nicht wie vom Senat angegeben vom Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG), ausgesprochen wurde? Falls durch die Gladigau Immobilien GmbH gekündigt wurde: Warum fand die Kündigung nicht durch den LIG statt? Siehe Vorbemerkung. 6. Welche unbefristeten Pachthofverträge, Pachtverträge oder Pachtverträge Landwirtschaft, die in der Anlage zu Drs. 21/14615 aufgeführt sind, wurden vor 1900 abgeschlossen? Sind diese Verträge weiterhin gültig? Wenn nein, um welche Flurstücke handelt es sich und wann und durch wen beziehungsweise welche Stellen wurden die betroffenen Pächterinnen und Pächter informiert? Vor 1900 wurde lediglich der Vertrag über die Flurstücke 1842 und 1843 der Gemarkung Moorfleet abgeschlossen; siehe Antwort zu 2. und 3. 7. Der Senat spricht hinsichtlich der Flurstücke 1842 und 1843 in der Gemarkung Moorfleet von „mehrfach geführten Verhandlungen“ mit den Pächterinnen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14901 3 a) Welcher Hintergrund führte zur Notwendigkeit einer Mietzinsanpassung ? Eine Anpassung der jährlichen Zahlungen ist erforderlich, da sich der Senat gemäß § 7 Landeshaushaltsordnung an den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit halten muss. Der aktuelle Zins in Höhe von 0,0065 Euro/m² p.a. liegt deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete in Höhe von 1,67 Euro/m² (siehe Vorbemerkung). Zudem werden die im ursprünglichen Vertrag geregelten Verpflichtungen der Vertragspartner zur Instandhaltung des Deiches sowie eines Teils der Fahrbahn mittlerweile durch das Bezirksamt Bergedorf wahrgenommen. Da diese nicht monetäre Zahlung demnach entfällt, müsste diese ebenfalls durch einen monetären Betrag ersetzt werden. b) Wann und auf welchem Wege wurden die Pächterinnen dazu informiert ? Siehe Vorbemerkung. Mit Schreiben von Gladigau im September 2018 wurde ein Gesprächstermin für die 48. KW 2018 angeboten, in dem über die konkrete Notwendigkeit einer Vertragsanpassung und entsprechende Alternativen gesprochen werden kann. c) Wie häufig fanden auf welchem Wege Kontaktaufnahmen zu den Pächterinnen statt? d) Wie haben die Pächterinnen auf diese Kontaktaufnahmen und Ankündigung zu neuen Mietpachtverhandlungen reagiert? e) Wann, auf welchem Wege, durch und mit wen fanden die vom Senat erwähnten „mehrfach geführten Verhandlungen“ auf welchem Wege statt? Bitte für alle Verhandlungsschritte aufführen. Zu den schriftlichen, telefonischen und persönlichen Kontakten mit den Rechtsvorgängern der aktuellen Vertragspartnerinnen siehe Anlage. Im Hinblick auf die aktuell vorliegende Kündigung erfolgte die Rückmeldung auf das Kündigungsschreiben sowie den übermittelten Vertragsentwurf mit Schreiben vom 20. August 2018 durch den von den Vertragspartnerinnen beauftragten Rechtsanwalt, in dem eine ausschließliche Kontaktaufnahme über den mandatierten Rechtsanwalt gefordert und nicht auf die mögliche Vertragsanpassung eingegangen wurde. f) Was genau führte dazu, dass die Verhandlungen erfolglos blieben? Was hat die Freie und Hansestadt Hamburg unternommen, um zu einem erfolgreichen Abschluss mit den Pächterinnen zu kommen? g) Besteht der Senat auf die ausgesprochenen Kündigungen und die Umwandlung des ewigen Erbpachtvertrags in ein Mietverhältnis mit Sonderkündigungsrecht oder gibt es weitere Überlegungen zu Verhandlungen ? Kaufangebote sowie Anfragen auf Vertragsanpassung seitens den zuständigen Behörden wurden durch die jeweiligen Rechtsvorgänger der aktuellen Vertragspartnerinnen abgelehnt, siehe Anlage. Die zuständige Behörde steht Vertragsverhandlungen unter Berücksichtigung der notwendigen Aktualisierung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen offen gegenüber. Den Vertragspartnerinnen wurde durch die Firma Gladigau ein Gesprächstermin hierzu angeboten, welcher für den 28. November 2018 bestätigt wurde. Darüber hinaus wird am Freitag, den 16. November 2018, vorab ein Gespräch mit den Vertragspartnerinnen beim Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen stattfinden. Drucksache 21/14901 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Zeitpunkt Art der Kontaktaufnahme , Kontaktpersonen Inhalt Reaktion April 1978 Schriftverkehr Vertragspartner an Liegenschaftsamt Anfrage Vorkaufsrecht Ebenfalls Prüfung sofortige Kaufoptionen . Schriftliche Rückmeldung: Keine Aussichten auf Erfolg der Zustimmung der politischen Gremien Nov. 1978 Schriftverkehr Finanzbehörde an Vertragspartner Konkretes Angebot der Ablösung der jährlichen Zahlung (kein Eigentumsübergang), Angebot des Kaufs Vorerst keine Mrz. 1980 Schriftverkehr Vertragspartner an Liegenschaftsamt Vorgeschlagene Ablösesumme aus Nov. 1978 sei zu hoch, Gegenvorschlag : Prüfung des Eigentumsübergang durch u.a. Ersitzung oder geringerer Kaufpreis Siehe nächste Zeile (interne Wertermittlung durch Gutachterausschuss ) Sep. 1980 Schriftverkehr Liegenschaftsamt an Vertragspartner Rückmeldung kein Eigentumsübergang durch Ersitzung, Vertragsverhältnis nicht unkündbar, Hinweis auf Notwendigkeit der Anpassung des Vertrages sowie grundsätzliches Kaufangebot Kauf sei zu teuer, kein Interesse an Vertragsanpassung, Mrz. 1981 Schriftverkehr Liegenschaftsamt Bergedorf an Vertragspartner Konkretes Kaufangebot gem. Wertermittlung Gutachterausschuss Keine Reaktion Mrz. 1981 Schriftverkehr Vertragspartner an Liegenschaftsamt Nachfrage aufgrund Presseartikel zu weiteren Planungen im Gebiet? Keine Umsetzungen langfristiger Planungen in naher Zukunft Apr. 1981 Schriftverkehr Liegenschaftsamt Bergedorf an Vertragspartner Erneute Bestrebung der gütlichen Einigung (Vertragsanpassung, Ablösung, Kauf), Hinweis auf Kündigungsmöglichkeit Ablehnung aller Angebote , Hinweis Kaufanfrage wurde nur interessenhalber gestellt, um Preisvorstellungen der Stadt zu erfahren, um dies ggf. in Verbindung mit weiteren Planungen im Gebiet anwaltlich prüfen zu lassen Nov. 1985 Persönliches Gespräch mit Vertragspartnern Erneute Bestrebung der gütlichen Einigung (Vertragsanpassung, Ablösung, Kauf) Keine Einigung Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14901 5 Zeitpunkt Art der Kontaktaufnahme , Kontaktpersonen Inhalt Reaktion Nov. 1985 Telefonat Vertragspartner mit Liegenschaftsamt Anmerkung Vertragspartner : Kündigung des bestehenden Vertrages sei nicht möglich Rechtliche Prüfung FHH: Kündigung ist möglich 1988 Kaufanfrage der Vertragspartner Vereinbarung eines persönlichen Gesprächs im Dez. 1988 Dez. 1988 Persönliches Gespräch mit Vertragspartnern Verkaufsverhandlung Keine Einigung Juli 2006 Schriftverkehr Vertragspartnerinnen an Liegenschaftsverwaltung (Finanzbehörde) Einreichung Bauantrag Doppelgarage Genehmigung Jan. 2007 erfolgt Sep. 2009 Schriftverkehr Finanzbehörde Immobilienmanagement an Vertragspartnerinnen Kaufangebot und Hinweis auf die Möglichkeit der Kündigung des bestehenden Vertrages aufgrund der Unwirtschaftlichkeit bei Nichteinigung Ablehnung Mrz. 2012 Schriftverkehr Vertragspartnerinnen an Finanzbehörde Immobilienmanagement Erneute schriftliche Ablehnung Kauf, Hinweis , dass am bestehenden Vertrag festgehalten werden soll Auftrag an seinerzeitigen Dienstleister, G. Reiser Immobilienverwaltung GmbH. Vertragsanpassung (jedoch nicht erfolgt) Mrz. 2014 Schriftverkehr Vertragspartnerinnen an Dienstleister Reiser Klärung aktuelle Bankverbindung für die jährlichen Zahlungen Umstellung Einzugsermächtigung Juni 2016 Schriftverkehr Gladigau an Vertragspartnerinnen Begrüßungsschreiben aufgrund Dienstleisterwechsel , Mitteilung neue Bankverbindung für die jährlichen Zahlungen Umstellung Einzugsermächtigung Aug. 2018 Kündigung Gladigau an Vertragspartnerinnen Umsetzung der mehrfach angestrebten Kündigung und Angebot eines neuen Mietvertrages Widerspruch durch RA der Vertragspartnerinnen vom 20.08.2018, keine Rückmeldung zum Vertragsentwurf Sept. 2018 Schriftverkehr RAin der Firma Gladigau an RA der Vertragspartnerinnen Erläuterung Rechtsauffassung zur Kündigung Sept. 2018 Schriftverkehr RA der Vertragspartnerinnen an RAin Gladigau Gegendarstellung zur Rechtsauffassung zur Kündigung, Aufforderung , Kündigung als unwirksam zu erklären Sept. 2018 Schriftverkehr RAin der Firma Gladigau an RA der Vertragspartnerinnen Erläuterungen Rechtsauffassung , Hinweis, auf Rückgabe der Fläche, sofern keine Einigung zu erzielen ist Drucksache 21/14901 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Zeitpunkt Art der Kontaktaufnahme , Kontaktpersonen Inhalt Reaktion Sept. 2018 Schriftverkehr RA der Vertragspartnerinnen an RAin Gladigau Gegendarstellung Rechtsauffassung Sept. 2018 Schriftverkehr Gladigau an Vertragspartnerinnen Gesprächsangebot Okt. 2018 Schriftverkehr RAin der Firma Gladigau an RA der Vertragspartnerinnen Annahme, dass aufgrund des bisherigen Schriftverkehrs, ein neuer Vertrag nicht gewünscht ist, Erläuterung Umfang der Räumung sofern keine Einigung Okt. 2018 Vertragspartnerinnen an Gladigau Bestätigung eines Gesprächstermins