BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14902 21. Wahlperiode 30.11.18 Große Anfrage der Abgeordneten Jörg Hamann, Philipp Heißner, Ralf Niedmers, Franziska Rath, Birgit Stöver (CDU) und Fraktion vom 05.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Sozialverträgliches Erbbaurecht? Durch die Bodenwertsteigerung in den letzten Jahrzehnten ergeben sich bei der Verlängerung der Erbbaurechtsverträge in Hamburg erheblich höhere Entgelte. Zwar unterscheiden sich die Bodenrichtwerte innerhalb Hamburgs deutlich, befinden sich aber aufgrund der hohen Nachfrage auf dem Hamburger Grundstücksmarkt auf einem hohen Niveau. Daraus folgt, dass aus dem vormals günstigen Erbbau im Laufe der Jahre ein teurer Erbbau geworden ist. Rückt das zeitliche Ende eines Erbbaurechtsvertrags näher, ist der Erbbauberechtigte – sofern er das Grundstück nicht kaufen will oder kann, Gebäude oder Grundstück aber weiter nutzen möchte – auf die Verlängerung des Erbbaurechtes angewiesen. Derzeit stehen 4.400 Erbbaurechtsgrundstücke in der Verwaltung des LIG respektive der Gladigau Immobilien GmbH. Im Zeitraum 2018 bis 2028 werden 250 Erbbaurechte turnusmäßig in Hamburg ablaufen (vergleiche Drs. 21/13373). Letztendlich bedeutet die Verlängerung der Erbbaurechtsverträge in fast allen Fällen eine massive Kostensteigerung für die Pächter. Im Jahr 1999 hat die für Erbbaurechtsverlängerungen zuständige Kommission für Bodenordnung (KfB) angesichts der Haushaltslage der Stadt und der deutlich besseren Behandlung von „alten“ Erbbaurechten gegenüber Neuabschlüssen eine kritische Überprüfung der damaligen Erlassregelung angeregt. Ziel war es, die Diskrepanz des neuen, wesentlich höheren Erbbauzins sozialverträglich zu gestalten. Viele Fallbeispiele machen deutlich, dass heutige Verlängerungen der Erbbaurechtverträge mit sozial unangemessenen Kostensteigerungen verbunden sind. Nicht zuletzt geht aus den Antworten auf die Drs. 21/13373 hervor, dass in den letzten fünf Jahren nur in einem Fall ein Erlass im Rahmen der sogenannten Alterbbauberechtigten eingeräumt wurde. Es ist zu bedenken, dass Erbpachtverträge immer einem sozialen Zweck gedient haben, wodurch Wohneigentum möglich wurde. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Einräumung und Verlängerung von Erbbaurechten dient nach wie vor dem Zweck, Wohneigentum in Form eines dem Eigentum gleichgestellten Rechtes in sozial verträglichem Maße zu schaffen. Richtig ist, dass anstehende Erbbaurechtsverlängerungen mit einer Erhöhung des Erbbauzinses verbunden sind. Zu berücksichtigten ist jedoch, dass es sich überwiegend um Erbbaurechtsverträge handelt, die ursprünglich in den 1920er-/1930er-Jahren und in den 1950er-/1960er-Jahren mit einer Laufzeit von 99 und 75 Jahren abgeschlossen wurden. Der ursprünglich zugrunde gelegte Bodenwert ist nach Ablauf des Erbbaurechtszeitraumes nicht mehr mit dem zu Beginn der Erbbaurechtsbestellung gegebenen Bodenwert vergleichbar. Lag der Bodenwert beispielsweise bei Bestellung 1952 bei 10 DM/m² und somit rund 5 Euro/m² für ein 500 m² großes Grundstück, wurden 250 Euro Erbbauzins p.a. wertgesichert. Monat- Drucksache 21/14902 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lich kommen damit nur rund 21 Euro zum Tragen, wobei die Erbbauberechtigten Eigentümerinnen beziehungsweise Eigentümer des Gebäudebestandes mit allen Rechten und Pflichten sind. Noch älteren Erbbaurechtsverträgen, die ab Ende der 1920er-Jahre auf 99 Jahre bestellt wurden, lagen nur 1 – 3 DM/m² zugrunde. In der Vergangenheit -insbesondere in den 1950er-Jahren wurden bei der Bestellung eines Erbbaurechtes Erbbauzinshöchstsätze in Höhe von 10 bis 12 Prozent des damaligen Bodenwertes grundbuchlich gesichert. Davon wurde den Erbbauberechtigten die Hälfte erlassen und in Prüfungsintervallen von drei Jahre wurden anlehnend an die Steigerung des damaligen Lebenshaltungskostenindexes solange Erhöhungen vorgenommen, bis der Höchstbetrag ausgeschöpft war. Durch diese Praxis zahlen Erbbauberechtigte der Altverträge auch heute noch einen sehr geringen Erbbauzinssatz und nutzen damit diesen Vorteil weiter. Eine Anpassung an das marktgerechte Niveau ist in diesen Fällen nicht erfolgt. Die in Rede stehenden „Altverträge“ wurden bereits 1999 von der Kommission für Bodenordnung kritisch überprüft. Darüber hinaus wurde mit Drs. 16/2575 vom 8. Juni 1999 die Verlängerung des Erbbaurechtes aufgrund zeitlich gestaffelter Ermäßigung auf den laufenden Erbbauzins um 50 Prozent als persönlichen Erlass neu geregelt. Dieser anfängliche Erlass reduziert sich jährlich um 10 Prozent des ursprünglichen Erlassbetrages und entfällt damit vom elften Jahr der Erbbaurechtsverlängerung. Der persönliche Teilerlass sollte nur Erbbauberechtigten zugestanden werden, die im Zeitpunkt der Beantragung der Erbbaurechtsverlängerung mindestens 15 Jahre das Erbbaurecht innehatten oder deren gesetzlichen Erben („sogenannte Alterbbauberechtigte “). Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen jedoch, dass aufgrund der derzeitig günstigen Finanzierungsmöglichkeiten in erster Linie der Kauf der Erbbaurechtsgrundstücke gewünscht wird, der durch die Drs.17/3050 „Aktionsmodell und Dauerlösung“ ermöglicht wurde. Dabei handelt es sich bei den Anfragenden überwiegend um Dritte oder Erbinnen und Erben derjenigen, denen ursprünglich der gewährte Vorteil eingeräumt wurde. Die meisten Alterbbauberechtigten haben das Recht entweder vererbt oder weiterverkauft. Laufzeitverlängerungen werden zwar im Rahmen von Weiterverkäufen nachgefragt, allerdings überwiegend vor dem Hintergrund der alternativen Erwägung gegenüber einem Kauf. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Drs. 21/13373 informiert darüber, dass in den letzten fünf Jahren in 23 Fällen die Erbbaurechtverträge ausliefen. In 20 Fällen entschieden sich die Pächter, das Grundstück zu kaufen, in zwei Fällen erfolgte eine Verlängerung und in einem Fall lief der Vertrag aus. „Der Erbbauberechtigte hat grundsätzlich die Wahl zwischen dem Kauf des Grundstücks oder einer Laufzeitverlängerung“, so der Senat. Wie viel Prozent lagen die Angebote für eine Laufzeitverlängerung jeweils und durchschnittlich über den bisherigen Jahreskosten für die Erbpacht? Anhand der beiden Laufzeitverlängerungen lassen sich die nachgefragten Angaben nicht ableiten. Im ersten Fall handelt es sich um ein Gewerbeerbbaurecht, das 2014 um 15 Jahre gegen Zahlung eines kapitalisierten Einmalentgeltes verlängert wurde. Im zweiten Fall handelt es sich um ein Eigenheimerbbaurecht (Vertrag von 1935) einer Alterbbauberechtigten, die sich nach einer bereits 1986 vereinbarten Laufzeitverlängerung um 20 Jahre gegen Zahlung eines kapitalisierten Einmalentgeltes im Jahr 2015 für eine weitere Verlängerung um zehn Jahre bei laufendem Erbbauzins entschieden hat. 2. Wird bei einem Kauf und der Ermittlung der Grundstückwerte zwischen Bauland und Gartenland unterschieden? Die Grundstücke sind als Bauland zu bewerten, da sie mit Eigenheimen bebaut sind und zumeist einen angemessenen Grundstückszuschnitt haben. 3. Werden beim Erwerb von Grundstücken durch Erbbauberechtigte (in diesem Fall nicht Alterbbauberechtigte) persönliche Erlasse eingeräumt? Wenn ja, wie gestalten sich diese? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14902 3 Wenn nein, warum nicht? Nein. Die Stadt ist gehalten, auch im Privatrecht den Gleichheitsgrundsatz zu beachten . 4. In Lübeck wurde über die Erhöhung des Erbpachtzinses lange politisch diskutiert und letztendlich wurde sie auf Wirken der Erbbau-Initiative Lübeck redigiert. Mittlerweile wird die Erbpacht stufenweise erhöht, es gibt Ausnahmeregelungen für Familien und Menschen mit geringem Einkommen . Welche Möglichkeiten gibt es, ähnliche „Sozialregeln“ für den Erbbau in Hamburg einzuführen? Die Stadt Hamburg hat eine Erhöhung der Erbbauzinsen nicht vorgenommen, siehe Vorbemerkung. Bei Neubestellungen von Erbbaurechten hat die Stadt Hamburg seit Ende 2016 den Erbbauzins bei Wohnungsbau- und Eigenheimgrundstücken von 5 Prozent auf nunmehr 2 Prozent des aktuellen Bodenrichtwertes gesenkt, weil der laufende Erbbauzins angesichts des niedrigen Zinsniveaus mit den damals vorgegebenen Prozentsätzen nicht marktgängig und in Verhandlungen in aller Regel auch nicht durchsetzbar war. Darüber hinausgehende Sozialregeln gibt es nicht, da die Stadt auch im Privatrecht gehalten ist, den Gleichheitsgrundsatz zu beachten. 5. Welche weiteren Optionen gibt es für Betroffene, wenn es bei der Laufzeitverlängerung von älteren Erbbaurechtsverträgen zu überdurchschnittlichen Kostensteigerungen kommt, diese abzufedern und sozial verträglicher zu gestalten? Für Erbbauberechtigte, die bei der Entscheidung für eine Erbbaurechtsverlängerung den neuen Erbbauzins von 2 Prozent des Bodenwertes p.a. aus sozial überprüfbaren finanziellen Gründen nicht aufbringen können, gilt nach wie vor die „Härtefallregelung “; siehe Drs. 16/2575 und Drs. 11/4243. Danach kann eine Vermietung des Gebäudes an den bisherigen Erbbaurechtsnehmer zu marktüblichen Konditionen für circa fünf Jahre und bei Personen ab 60 Jahren auf Lebenszeit erfolgen, bei Bedarf unter Verrechnung der von der Stadt bei Auslaufen des Erbbaurechtes zu zahlender Entschädigung von zwei Dritteln des Gebäudewertes. Die Härtefallklausel ist jedoch lediglich in den Neunzigerjahren in einem Fall zur Anwendung gekommen. Die Erbbauberechtigten haben zudem die Möglichkeit, ihr Erbbaurecht zu veräußern. Bei kurzen Restlaufzeiten wäre dies für die Erwerberin oder den Erwerber aber nur von Interesse, wenn das Erbbaurecht verlängert werden könnte oder sogar ein Kauf des Grundstücks in Betracht käme. Eine solche Auskunft erfolgt durch die Stadt regelhaft auf Anfrage beziehungsweise bereits drei bis fünf Jahre vor Ablauf mit Hinweis auf das Laufzeitende. Bei einem Weiterverkauf kann der Erbbauberechtigte den Marktwert für das Gebäude und das verbleibende Recht erzielen. Für den Fall, dass der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht auslaufen lässt, erhält er vertragsgemäß zwei Drittel des Gebäudesachwertes. Je nach Zustand des Gebäudes kann ihm der Erlös zur Schaffung von Wohnungseigentum verhelfen.