BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14910 21. Wahlperiode 13.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Peter Lorkowski (AfD) vom 06.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Kann sich Hamburg den neuen Reformations-Feiertag am 31. Oktober jedes Jahres überhaupt leisten? Im Februar dieses Jahres hat die Bürgerschaft mehrheitlich und fraktionsübergreifend einen zusätzlichen gesetzlichen Feiertag – den „Tag der Reformation – im Feiertagsgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg verankert . In der Antragsbegründung ist dabei viel von „gesellschaftlichem Konsens “ und „interreligiösen Brückenschlägen“ die Rede, obgleich die „Reformation “ seinerzeit – und bis heute schmerzhaft spürbar – in Deutschland spaltend wirkte und in ihren Folgewirkungen verheerende Kriege und Verwüstungen auf deutschem Boden ausgelöst hat. Als weitere dünne Begründung für den neuen Feiertag wurden „Gerechtigkeitshinweise“ angeführt, etwa, dass das Bundesland Bayern auf 13 Feiertage im Jahr komme, Hamburg bislang aber nur auf neun. Völlig ausgeblendet blieben dabei jedoch die ökonomischen Kosten und damit die wirtschaftlichen Folgen eines solchen neuen Feiertages. Auf Gesamtdeutschland bezogene Studien – etwa des ifo-Institutes oder der Deutschen Bundesbank – kommen zu dem Schluss, dass eine Änderung der Zahl der Arbeitstage um 1 Prozent eine „Elastizität“ von 0,3 in Bezug auf die gesamtwirtschaftliche Leistung (üblicherweise gemessen als Bruttoinlandsprodukt BIP) aufweist. Danach würde ein neuer bundeseinheitlicher Feiertag – so er nicht auf einen Sonntag fällt – die wirtschaftliche Leistung um rund 0,12 Prozent absenken, da dadurch die Zahl der Arbeitstage um etwa 0,4 Prozent sinkt. Allerdings sind auch weitere negative Nebeneffekte zu berücksichtigen , wie sie etwa durch das verstärkte Ausnutzen von „Brückentagen“ durch Arbeitnehmer entstehen können. Darüber hinaus sind die branchenspezifischen Auswirkungen durch eine Verminderung der Zahl der Arbeitstage in beträchtlichem Maße unterschiedlich . Sehr stark betroffen ist den Studien zufolge vor allem der Einzelhandel, verstärkt nochmals dann, wenn der Feiertag auf einen Samstag fällt, was beim neuen Reformations-Feiertag im Schnitt alle sieben Jahre der Fall sein wird. Trotz der niedrig erscheinenden Prozentzahl von 0,12, um die die Wirtschaftsleistung durch die Einführung des neuen Feiertages sinken würde, sind das in absoluten Zahlen – Bezugsbasis: Jahr 2017 – für die Freie und Hansestadt Hamburg immerhin etwa 141,1 Millionen Euro, hochgerechnet auf 2018 rund 146,2 Millionen Euro – Ziffern also, die schon ins Gewicht fallen ! Der tatsächliche Effekt für Hamburg dürfte jedoch aufgrund seiner mittelständischen Branchenstruktur und der hohen Bedeutung des – ohnehin Drucksache 21/14910 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 schon durch den Online-Handel in Bedrängnis geratenen – Einzelhandels noch deutlich höher liegen. Völlig ausgeblendet sind darüber hinaus die Verteilungswirkungen. Denn ökonomischen Folgen der neuen Feiertagsregelungen haben im Wesentlichen die Arbeitgeber zu tragen: Sie zahlen für ihre Beschäftigten am Feiertag weiter Löhne und Gehälter, sie müssen gerade jetzt angesichts der florierenden Konjunktur im Zweifel Aufträge ablehnen oder verlorene Arbeitszeit durch ein Ausweichen auf Überstunden mit deutlich höheren Lohnkosten finanzieren. Auch die Stadt hat Einbußen bei den Steuereinnahmen hinzunehmen, etwa durch Ausfälle bei der Umsatzsteuer, aber auch bei der Lohnsteuer, etwa durch den gesetzlichen Verzicht auf die Besteuerung von Feiertagszuschlägen auf den Lohn. Aber auch die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer sind betroffen. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: 1. Wie hoch schätzt der Senat die Einbußen an Wertschöpfung/Wirtschaftsleistung für die Freie und Hansestadt Hamburg durch die Einführung des Reformationstages als neuem Feiertag ein – in absoluten und relativen Zahlen? Bitte dabei die für Hamburg spezifische Elastizitätsziffer der Wirtschaftsleistung bezogen auf Veränderungen der Zahl der Arbeitstage verwenden. 2. Wie sind – analog Frage 1. – die Auswirkungen auf die wichtigsten Branchen/Wirtschaftszweige Hamburgs? Bitte die voraussichtlichen Zahlen nach Branchen für die nächsten fünf Jahre aufschlüsseln und die branchenspezifischen Elastizitäten verwenden. 3. Mit welchen Effekten rechnet der Senat bei den Steuereinnahmen durch den Wegfall des 31.10. als Arbeitstag? Bitte für die nächsten fünf Jahre getrennt nach den wichtigsten Steuerarten – Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbe- und KSt-Steuer aufschlüsseln. 4. Mit welchen zeitlichen Verzögerungen muss der Senat durch den Wegfall eines jährlichen Arbeitstages bei wichtigen Infrastrukturprojekten rechnen? Schlägt der – in sechs von sieben Jahren erfolgende – Wegfall eines jährlichen Arbeitstages voll durch? Mit welchen Zusatzkosten ist bei den Infrastrukturprojekten – zum Beispiel bei der Elbvertiefung, im Straßen- und Wohnungsbau et cetera – zu rechnen, wenn der verlorene Arbeitstag etwa durch Überstunden oder Feiertagsarbeit kompensiert werden soll? Bitte für die kommenden fünf Jahre detailliert für wichtige Infrastrukturprojekte auflisten. Die Auswirkungen eines zusätzlichen Feiertages lassen sich aufgrund der Vielzahl von Einflussfaktoren auf die wirtschaftliche Entwicklung nicht abschließend beziffern, weshalb auch die Auswirkungen auf einzelne Branchen, Steuereinnahmen und Infrastrukturprojekte in Hamburg über die bereits in Studien publizierten Ergebnisse zu branchenspezifischen Effekten von Feiertagen hinaus nicht zu quantifizieren sind. Rechnerisch verringert ein zusätzlicher Feiertag bei 250 Arbeitstagen pro Jahr die verfügbare Arbeitszeit zwar um rund 0,4 Prozent, jedoch ist davon auszugehen, dass die realen volkswirtschaftlichen und betrieblichen Belastungen weitaus niedriger liegen . Als nicht beweglicher Feiertag fällt der Reformationstag in den kommenden 20 Jahren in 35 Prozent der Fälle auf ein Wochenende, zudem führen mehr Feiertage nicht automatisch zu weniger Wirtschaftskraft. Das zeigt schon der Vergleich der Länder : Bayern gilt als erfolgreicher Wirtschaftsstandort, obwohl es dort mehr Feiertage gibt als in den norddeutschen Ländern. Der wesentliche Grund, weshalb sich ein zusätzlicher arbeitsfreier Tag kaum auf betrieblichen Umsatz und Gewinn oder das Wirtschaftswachstum auswirkt, sind selbst in der Hochkonjunktur wirksame Aufholeffekte : Käufe und Produktion werden beispielsweise vorgezogen oder nachgeholt und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14910 3 Betriebe beziehungsweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind vor oder nach dem freien Tag produktiver, im Hotel- und Gastgewerbe kann es auch positive Effekte geben. Darüber hinaus werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlreicher Branchen wie an übrigen Feiertagen auch weiterhin am 31. Oktober arbeiten müssen. Angesichts dieser Aufholeffekte gehen zum Beispiel arbeitgebernahe Wirtschaftsforschungsinstitute wie das IW Köln, davon aus, dass bei einem zusätzlichen arbeitsfreien Tag allenfalls 0,1 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung verloren gehen, Erhebungen durch die Bundesbank basierend auf dem Zeitraum 1991 bis 2012 sehen diesen Rückgang bei 0,12 Prozent. Eine Untersuchung der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg bestätigt diese Größenordnung. In Hamburg dürfte dieser Wert sogar noch geringer ausfallen, da hier aufgrund des überdurchschnittlichen Dienstleistungsanteils auch bessere Kompensationsvoraussetzungen bestehen als im Bundesdurchschnitt . Die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen durch den von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossenen Feiertag sind überschaubar. Dem steht die Chance gegenüber , mit dem „Tag der Reformation“ als überkonfessionellem und gesamtgesellschaftlichen Feiertag neue Impulse zu setzen. Im Übrigen siehe Drs. 21/12153.