BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14918 21. Wahlperiode 13.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 06.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Absoluter Hammer oder schönwetterbedingte Autosuggestion? Wie radelt es sich zurzeit in Hamburg und was machen eigentlich die für jeden Bezirk groß angekündigten Dauerzählstellen? Das Radverkehrsaufkommen wird in Hamburg primär durch sogenannte Fahrradpegel (25 Kurzzeit- und 13 Langzeit-Zählpegel) ermittelt. Diese Zählungen finden einmal jährlich an unterschiedlichen Tagen zwischen April und Oktober außerhalb der Schulferien statt. Hierdurch kann ein Trend über die Entwicklung des Radverkehrsaufkommens in Hamburg aufgezeigt werden. Dienten die aus den Pegelmessungen gewonnen Zahlen zur Zeit der 2008 vom CDU-Senat nach Vorarbeit des „Fahrradforums Hamburg“ ins Leben gerufenen und bis heute gültigen „Radverkehrsstrategie für Hamburg“ noch als wichtiger Indikator für die fachliche Planung, wurden diese seit dem Amtsantritt des rot-grünen Senats für die Untermalung der ideologiegeleiteten Ziele der GRÜNEN erkennbar instrumentalisiert. Dies zeigt sich exemplarisch an der heutigen Pressevermarktung der Anfrage aus Drs. 21/14796 zu den Werten der Fahrradpegelmessungen für das laufende Jahr. Dass die Werte witterungsbedingt im vergangenen Jahr eher schwach waren und dieses Jahr witterungsbedingt, Stichwort „Jahrhundertsommer “, sehr gut, ficht die Protagonisten aus den Reihen der GRÜNEN offenkundig nicht an. Von einem „absoluten Hammer“ ist sogar die Rede. Erfahrungsgemäß werden die Werte im kommenden Jahr bei dann vielleicht nicht mehr ganz so radfahrfreundlichen Witterungsbedingungen allerdings wieder sinken. Für diesen Zusammenhang sprechen auch bestimmte Werte aus der diesjährigen Messperiode. So wurden die Daten an den Standorten „Hoheluftchaussee SO Eppendorfer Weg“ (Zählstelle 509) und „Schulauer Weg W Tinsdaler Heideweg (LG)“ (501) an Tagen mit jeweils nur einer Sonnenscheinstunde und relativ milden Temperaturen (12 beziehungsweise 15 Grad Celsius) erhoben. Konsequenterweise wurden an beiden Messstellen im Vergleich zum Vorjahr rückläufige Zahlen dokumentiert (jeweils rund −32 Prozent). Das heutige Selbstlob der GRÜNEN mutet umso schräger an, wenn man berücksichtigt, dass laut der deutschlandweiten Referenzstudie „Mobilität in Deutschland“ (MiD), deren hamburgspezifische Daten vor gerade einmal knapp vier Monaten von der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) veröffentlicht wurden, der Anteil der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege seit 2008 nur von damals 12 Prozent auf bescheidene 15 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen ist. Damit wurde zwar erfreulicherweise der vom CDU-geführten Senat bereits 2008 ausgegebene Zielwert erreicht. Die von Rot-Grün im Koalitionsvertrag definierte Marke von 25 Prozent Radverkehrsanteil in Hamburg liegt aber immer noch in weiter Ferne. Drucksache 21/14918 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Fahrräder wurden insgesamt seit dem 7. Oktober 2014 bis heute durch die Dauerzählstelle an der Gurlitt-Insel gezählt und wie stellen sich die entsprechenden monatlichen Zählwerte dar? Bitte monatsweise ab Oktober 2014 bis einschließlich Oktober 2018 aufschlüsseln. Insgesamt wurden seit dem 7. Oktober 2014 durch die Zählstelle 8.774.208 Fahrräder gezählt (Stand 07.11.2018). Für die Werte von Oktober des Jahres 2014 bis einschließlich Oktober des Jahres 2018 siehe nachstehende Tabelle. Bei der Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass die Zählsäule am 7. Oktober 2014 den Betrieb aufgenommen hat. 2014 2015 2016 2017 2018 Januar 89.274 76.439 95.877 103.042 Februar 99.387 97.408 95.722 88.625 März 145.622 122.756 165.567 94.217 April 211.838 183.395 165.509 211.336 Mai 208.076 252.870 234.582 305.546 Juni 276.725 250.980 238.235 274.116 Juli 252.808 243.744 238.547 289.403 August 252.017 241.440 244.602 268.705 September 212.142 263.089 185.212 225.592 Oktober 149.046 173.087 162.860 150.659 194.898 November 133.380 125.651 127.710 132.717 Dezember 79.338 109.625 104.579 89.802 2. Welche Maßnahmen wird der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde aus den durch Drs. 21/14796 mitgeteilten „hammermäßigen“ Fahrradpegelmesswerten ableiten? Das steigende Radverkehrsaufkommen seit dem Jahr 2000 veranlasst die zuständige Behörde, die Radverkehrsförderung weiter voranzutreiben. Im Übrigen siehe Drs. 21/1502. 3. Im Fortschrittsbericht 2015 zur Radverkehrsstrategie1 steht auf Seite 33: „Zur Ergänzung und Weiterentwicklung der Fahrradpegel wird die Einführung neuer Zähltechniken wie z.B. automatischer Dauerzählstellen geprüft; bei Erfolg sollen diese weiter ausgebaut werden.“ In der Antwort auf eine CDU-Anfrage aus dem April 2016 (Drs. 21/3969) ergänzte der Senat auf Seite 10: „Die Radverkehrszählsäulen stellen den ersten Schritt zum Aufbau eines Systems von automatischen Dauerzählstellen für den Radverkehr dar, wie es zum Beispiel in Berlin, München und Wien bereits im Einsatz ist. Es wird angestrebt, im Jahr 2017 mit der Konzeption weiterer Standorte für Dauerzählstellen (ohne oberirdisch sichtbare Zählsäulen) zu beginnen, um ein solches Zählsystem für Hamburg aufzubauen.“ Im Text des im Juni 2016 geschlossenen „Bündnisses für den Radverkehr“2 wurde daran anknüpfend auf Seite 10 die „Errichtung von Zählsäulen für den Radverkehr in jedem Bezirk“ angekündigt. In einem Schreiben an die Präsidentin der Bürgerschaft aus dem April 2017 (Drs. 21/8914) teilte Verkehrssenator Horch hinsichtlich der 1 http://www.hamburg.de/contentblob/4538022/f80b2806d74a33dba4f404dd319d10ce/data/ fortschrittsbericht-2015.pdf. 2 http://www.hamburg.de/contentblob/6315730/f29870c0255816d649d9e6da5ce484dd/data/ buendnis-fuer-den-radverkehr-download.pdf, letzter Zugriff: 06.11.2018. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14918 3 Umsetzung eines entsprechenden Antrages von GRÜNEN und SPD (Drs. 21/4062) hierzu mit: „Der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer ist mit der weiteren Planung und Umsetzung von jeweils einer Radverkehrszählstelle einschließlich digitaler Informationstafel in den sieben Bezirken beauftragt. Die Aufstellung wird nach der Ausschreibung dieses Jahr beginnen, und spätestens in der 1. Jahreshälfte 2018 wird in jedem der sieben Bezirke eine Radverkehrszählstelle installiert sein.“ Ob dies geschehen ist, ist bisher nicht bekannt, erscheint aber sehr unrealistisch . Denn noch in der Antwort auf Drs. 21/11333 teilte der Senat im Dezember 2017 mit, dass zum damaligen Zeitpunkt keine weitere Dauerzählstelle errichtet worden sei. Es sei lediglich mit der Bestimmung weiterer Standorte begonnen worden. Dabei seien „auf Grundlage verschiedener Faktoren (unter anderem Kanalisierung des Radverkehrs auf bestimmten Netzabschnitten, Ringbildung um die Innenstadt, Verteilung auf Bezirke sowie Stadtteilzentren) über die gesamte Stadt verteilte Standorte für Dauerzählstellen erarbeitet“ worden. a) Wurden über die bereits im Oktober 2014 errichtete Dauerzählstelle am östlichen Alsterufer an der Gurlitt-Insel in Hamburg-Mitte hinaus weitere Dauerzählstellen mit oder ohne oberirdischer Zählsäule errichtet? Wenn ja, wo in welchen Bezirken und welche Kosten sind dadurch jeweils entstanden? Wenn nein, warum nicht? b) Wo genau befinden sich die über die gesamte Stadt verteilten, erarbeiteten , potenziellen Standorte für weitere Dauerzählstellen? Nein. Zu der vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) im Sommer des Jahres 2018 durchgeführte Ausschreibung für sieben Zählstellen mit oberirdischen Anzeigetafeln wurde kein wirtschaftlich sinnvolles Angebot abgegeben. Dies wurde den Mitgliedern des Verkehrsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft in der Ausschusssitzung im August des Jahres 2018 mitgeteilt. Für die Zählstellen ohne oberirdische Anzeigetafel wurde mit den Planungen begonnen. 4. Auf Fragen aus Oppositionsanfragen antwortet der Senat gerne mit ähnlich lautenden Satzbausteinen aus dem Leitfaden zur Beantwortung Parlamentarischer Anfragen, wie etwa „Im Übrigen nimmt der Senat zu hypothetischen Fragen nicht Stellung“ (Antwort auf Frage 5. aus Drs. 21/1209) oder „Darüber hinaus beantwortet der Senat hypothetische Fragen grundsätzlich nicht“ (Antwort auf Fragen 4. und 5. aus Drs. 21/4259). Bei eigenen Ausführungen nimmt es der Senat hingegen offensichtlich nicht so genau mit der Verwendung von Hypothesen. So führt der Senat in Drs. 21/11333 zur weiteren Entwicklung des Radverkehrsanteils mit erstaunlicher Gewissheit aus: „In der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre werden die Rahmenbedingungen für einen deutlicheren Anstieg des Radverkehrsanteils in Hamburg geschaffen sein und damit die Voraussetzungen getroffen sein, um das Entwicklungsziel von 25 Prozent zu erreichen.“ a) Was unterscheidet nach Ansicht des Senats seine eigene, hier zitierte Hypothese von denen der parlamentarischen Opposition? b) Warum stellt der Senat in diesem Fall in der Antwort auf eine Anfrage der parlamentarischen Opposition eine eigene Hypothese auf, verweigert ansonsten aber regelmäßig den Diskurs über Hypothesen der parlamentarischen Opposition? c) Von welchen Einflussfaktoren und Parametern geht der Senat bei seiner oben zitierten Hypothese aus? d) Zur Redlichkeit gehört es, die Bedingungen anzugeben, unter denen eine Hypothese gültig sein soll. Von welchen Bedingungen geht der Drucksache 21/14918 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Senat bei seiner oben zitierten Hypothese aus? Wie lauten die entsprechenden Implikationen (= „Wenn-Dann-Beziehungen“)? Der in der Frage zitierte Satz ist in Drs. 21/11333 nicht enthalten. Der Senat ist berechtigt, im Rahmen seiner Tätigkeit Prognosen und Bewertungen vorzunehmen. Das parlamentarische Fragerecht begründet jedoch keine Verpflichtung der Exekutive zu Wertungen oder Meinungsbildungen (vergleiche VerfGH Thüringen, U. v. 04.04.2003, Az.: 8/02, Juris Rdnr. 56). Bei der Beantwortung Parlamentarischer Anfragen ist der Senat nach Artikel 25 der Verfassung der Freien und Hansestadt daher grundsätzlich nicht verpflichtet, die für prognostische Abschätzungen regelmäßig erforderlichen Wertungen vorzunehmen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2.