BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14928 21. Wahlperiode 13.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Gamm (CDU) vom 07.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Dieselfahrverbote in Hamburg – Geheimniskrämerei um Hamburger Messstationen. Kommen die angeblich erhöhten Messwerte tatsächlich von den Dieselfahrzeugen? Wer überprüft eigentlich die Messstationen in Hamburg? In den letzten Tagen konnte Berichterstattungen der Presse entnommen werden, nach denen in Straßen Stickoxidmesswerte festgestellt wurden, die jenseits der Grenzwerte liegen, obwohl aufgrund einer Sperrung keine Autos in den betroffenen Straßen fahren durften. An verschiedenen Orten wurden unabhängig voneinander bereits fehlerhafte Messungen festgestellt. In anderen Teilen Deutschlands wurden Messstationen gefunden, die zu dicht an Kreuzungen oder auch an Bushaltestellen aufgestellt sind, was nicht den Vorschriften entspricht. Auch in Hamburg werden erhöhte Grenzwerte in verschiedenen Straßen gemessen und daraufhin sind bereits erste Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängt worden. Auch in Max-Brauer-Allee befindet sich die Messstation zwischen vier Fahrspuren und dicht an einer Bushaltestelle. Vor diesem Hintergrund stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Messstationen überhaupt richtig arbeiten. Es wäre eine Katastrophe, wenn aufgrund fehlerhafter Messstationen Fahrzeuge nicht mehr eingesetzt werden, Straßen nicht mehr befahren werden dürfen und Bürger und Industrie aufgrund fehlerhafter Daten Verluste in Milliardenhöhe machen. Diese Sorge und dieses Risiko scheint der Senat nicht teilen oder erkennen zu wollen. Während alle anderen Bundesländer ihre Messstellen aufgrund einer gemeinsamen Bitte der Verkehrsminister überprüfen lassen, weigert Hamburg sich standhaft . Statt mit einer wissenschaftlichen Überprüfung Klarheit zu schaffen, scheint das Festhalten an grünen Ideologien wichtiger. Der Senat muss dafür sorgen, dass auch in Hamburg eine Überprüfung veranlasst wird. Die Messwerte sind die wesentliche Grundlage der sinnlosen Dieseldurchfahrtsverbote , die mehr Anwohner belasten und viele Dieselfahrer zu einem kilometerlangen Umweg zwingen. Dies beeinträchtigt die alltägliche Mobilität Tausender Hamburgerinnen und Hamburger, die einen Anspruch auf Transparenz haben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Messstationen sind zur Überprüfung der Luftreinheit in Hamburg im Einsatz? 2. Wo befinden sich die einzelnen Messstationen? Die Überprüfung der Luftqualität in Hamburg erfolgt im Rahmen des Vollzugs der 39. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV). Derzeit ist das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) beauftragt, an zwölf Messstationen, die das Hamburger Luftmessnetz bilden, die Luftqualität kontinuierlich zu ermitteln. Drucksache 21/14928 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Stationen befinden sich an folgenden Standorten: Habichtstraße (auf dem Parkstreifen vor den Häusern Nummern 59 – 61), Kieler Straße (hinter dem Parkstreifen vor Haus Nummer 13), Max-Brauer-Allee (auf dem Mittelstreifen in Höhe der Häuser Nummern 92/94), Stresemannstraße (vor Haus Nummer 95), Olbersweg (am Weg zur Grünanlage am Elbhang), Pinkertweg (am Industriekanal nördlich der Pinkertbrücke), Worthdamm (vor der Wasserschutzpolizei-Schule), Dänenweg (im Sternschanzenpark), Am Zollhafen (am Deich) und Rothenhäuser Damm (auf der Grünanlage). 3. Wer sind jeweils die Hersteller der Messstationen? Hersteller der Messstationen sind die Firmen Breitfuss und Fehnker. Die Schadstoff- Analysatoren werden von den Firmen Thermo-Instruments, Horiba und Chrompack und die Prüfgassysteme von der Firma Breitfuss hergestellt. 4. Wer führt die Kalibrierung der Messstationen nach welchem Verfahren und in welchen Abständen durch? Das Hamburger Luftmessnetz führt alle 25 Stunden eine automatische Funktionskontrolle durch. Die Soll- und Istwerte des Nullgases und des Spangases werden geprüft und die Daten werden plausibilisiert. Wird eine Abweichung von größer als 5 Prozent festgestellt, wird das Gerät vor Ort überprüft und gegebenenfalls ausgetauscht. Das Luftmessnetz besitzt ein Kalibrierlabor, in dem Referenzgeräte stehen, an denen die zertifizierten Gasflaschen der Techniker und die Transfer-Standards des Kalibrierlabors vermessen werden und mit denen die monatliche Wartung und die vierteljährliche Kalibrierung der Geräte in den Stationen durchgeführt werden. Zusätzlich werden sämtliche Gasanalysatoren vierteljährlich mit einem auf den europäischen Gasstandard rückführbaren Transferstandard überprüft. Die erstellten Protokolle enthalten Informationen über die Parametereinstellungen der Geräte und die Arbeiten und Prüfungen, die im Rahmen von Wartung und Kalibrierung durchgeführt wurden. 5. Wer hat wann die Ordnungsgemäßheit der Aufstellung der Messstationen festgestellt und wo ist das protokolliert? Das Hamburger Luftmessnetz hat die Stationen gemäß 39. BImSchV Anlage 3 aufgestellt und deren Ortswahl entsprechend den rechtlichen Vorgaben dokumentiert. Die Dokumentation liegt in der Luftmessnetzzentrale und in der Stationsdatenbank des Umweltbundesamtes vor. 6. In welchen Abständen werden die Messstationen auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft? Wann fand das bei den einzelnen Hamburger Messstationen zuletzt statt? Siehe Antwort zu 4. 7. Wie oft und von wem werden die Messstationen von unabhängiger Seite auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft? Wann wurden die letzten Prüfprotokolle angefertigt und was waren die detaillierten Inhalte dieser Protokolle ? Das Hamburger Luftmessnetz wird regelmäßig detailliert von unabhängigen Experten der DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH) nach DIN EN ISO/IEC 17025 überprüft und ist akkreditiert. Das Hamburger Luftmessnetz nimmt, wie alle Ländermessnetze, am jährlichen Ringversuch des Deutschen Referenzlabors des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in Essen teil. Die verwendeten Transfer-Standards der Bundesländer werden im zweijährigen Turnus vom zweiten Nationalen Referenzlabor überprüft. Die beiden deutschen Referenzlabore nehmen gemeinsam mit den anderen nationalen Referenzlaboren jährlich beim Europäischen Referenzlabor an Ringversuchen teil. Somit werden in den Bundesländern Standards verwendet, die sich auf die europaweiten Standards des europäischen Referenzlabors zurückführen lassen. Die Ergebnisse werden durch die Referenzlabore dokumentiert. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14928 3 Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 8. Wo sind diese Protokolle einsehbar? Die Protokolle liegen in den beiden nationalen Referenzlaboren beziehungsweise in den Luftmessnetzen der Länder vor und sind dort einsehbar. 9. Wie häufig wurden die Messstationen seit Inkrafttreten der Fahrverbote in der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße überprüft und was war jeweils Inhalt der Prüfprotokolle? Siehe Antworten zu 4., zu 7. und zu 8. 10. Sind dem Senat Berichte über fehlerhafte und falsch aufgestellte Luftmessstationen im Bundesgebiet bekannt geworden? Berichte über fehlerhaft messende oder falsch aufgestellte und kontinuierlich messende Luftmessstationen der Ländermessnetze sind dem Senat nicht bekannt. Berichte über einen nicht entsprechend den Vorgaben der 39. BImSchV platzierten Passivsammler sind bekannt. 11. Ist dem Senat die gemeinsame Bitte aller deutschen Verkehrsminister bekannt, die die Umweltminister gebeten haben, eine Evaluierung des Luftmessnetzes vorzunehmen? Ja. 12. Warum spricht sich der Senat gegen eine unabhängige Überprüfung a) der technischen Ausrüstung und b) der Rechtmäßigkeit der Aufstellung der Messstationen durch Experten aus? (Bitte nach a) und b) getrennt beantworten.) 13. Welche Bedenken hat der Senat gegenüber unabhängigen Experten? Der Senat hat sich weder gegen unabhängige Überprüfungen ausgesprochen noch hat er Bedenken gegenüber unabhängigen Experten. 14. Welche unabhängigen Prüforganisationen für die Messstationen sind dem Senat bekannt? Um welche Institutionen handelt es sich dabei? Siehe Antwort zu 7. 15. Wann finden die nächsten Überprüfungen der einzelnen Messstationen statt und wer wird die Überprüfung durchführen? Siehe Antworten zu 4. und zu 7. 16. Nach welchem Verfahren wurden die Überprüfer der Messstationen wann ausgewählt? Siehe Antwort zu 7. 17. Ist dem Senat bekannt, dass Messstationen auf Hamburger Gebiet fehlerhaft gemessen haben? Wenn ja, wann wurde die Fehlerhaftigkeit festgestellt? Nein. Fehlfunktionen von Messgeräten fallen entweder direkt oder durch die tägliche Plausibilisierung auf. Die in diesen Zeiträumen ermittelten Messdaten gehen nicht in die Auswertung ein, sie werden verworfen. Eine statistische Erfassung der Fehlfunktionen liegt nicht vor. 18. Wer haftet für die Richtigkeit der Messwerte und welche Konsequenzen folgen aus a) falschen Messwerten und b) Messwerten, die aufgrund falsch aufgestellter Messstationen folgen ? Drucksache 21/14928 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die zuständige Behörde hat mit dem HU eine Ziel- und Leistungsvereinbarung über den Betrieb des Hamburger Luftmessnetzes geschlossen, in der die Verantwortlichkeit des HU für dessen ordnungsgemäßen Betrieb geregelt ist. 19. Wer haftet für den wirtschaftlichen Schaden Dritter, der durch Fahrverbote aufgrund falscher Messwerte nach Frage 18. erzeugt wird? Die Messwerte erfüllen alle Qualitätskriterien der 39. BImSchV. Fehlerhafte Messwerte werden durch das Qualitätsmanagement des Hamburger Luftmessnetzes verworfen , siehe dazu auch Antwort zu 21. Die im Hamburger Luftreinhalteplan festgesetzten Durchfahrtsbeschränkungen beruhen auf gutachterlichen Modellierungen für das Prognosejahr 2020. Das Modell wurde an den Messstellen des Luftmessnetzes kalibriert. 20. Inwieweit verantwortet der Senat die Richtigkeit der Messwerte? Siehe Antwort zu 18. a) und b). 21. Gab es in der Vergangenheit seit Einsatz der Messstationen bereits den Fall von Fehlfunktionen? Wenn ja, a) wann hat/haben diese Fehlfunktionen stattgefunden und wie groß war jeweils die Zeitspanne von Fehlererkennung bis Fehlerbehebung ? b) wie häufig gab es Fälle von Fehlfunktionen? c) welche Messstationen waren von Fehlfunktionen jeweils betroffen? d) welche Ursachen hatten die Fehlfunktionen? e) Welche Auswirkungen haben Fehlfunktionen auf die Validität der Messwerte gehabt? Siehe Antwort zu 17.