BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14940 21. Wahlperiode 16.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Carola Ensslen und Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 08.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Bildung darf keine Frage des Geldbeutels sein! Kinder und Jugendliche in Haushalten, die auf ALG II angewiesen sind, haben es besonders schwer, in der Schule den Mitschülern/-innen gleichgestellt zu sein. Im Regelsatz ist weniger als 1 Euro im Monat für Bildung enthalten . Das Bundesverfassungsgericht hat die unzureichende Abdeckung der Bildungsbedarfe im Regelsatz bereits vor vier Jahren beanstandet. Und über das Bildungs- und Teilhabepaket werden gerade einmal 100 Euro pro Schuljahr gewährt. Darüber hinaus erfasst es nur ganz bestimmte Bedarfe. Ein internetfähiger Computer ist da nicht drin. Dabei wird der Informationsfluss im Schulalltag schon längst über das Internet abgewickelt. Ein PC ist dafür unabdingbar. So sehen es inzwischen verschiedene Sozialgerichte, zuletzt das SG Gotha (Urteil vom 17.08.2018, Az. S 26 AS 3971/17) und das SG Stade (einstweilige Anordnung, Beschluss vom 29.08.2018, Az. S 39 AS 102/18 ER). Die Regelung des § 21 Absatz 6 SGB II zu einem unabweisbaren laufenden Mehrbedarf wird für anwendbar erachtet. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie ist die Einschätzung von Senat beziehungsweise zuständiger Behörde hinsichtlich der Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Hamburg, die Bedarfsgemeinschaften angehören, mit Schulbedarfen? Wo werden Verbesserungsbedarfe gesehen? Hamburg hat im Verbund mit anderen Ländern über den Bundesrat sowie im Rahmen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz die Überprüfung der Beträge für Schulbedarfe gefordert; eine Erhöhung der Beträge ist Bestandteil des Koalitionsvertrags und wird derzeit auf Bundesebene vorbereitet. 2. Welche Anstrengungen haben Senat beziehungsweise zuständige Behörde gegenüber dem Jobcenter t.a.h. unternommen, um die Kostenübernahme von besonderen Schulbedarfen, wie etwa einem Computer oder Notebook, zu erreichen? 3. Wie sind nach Ansicht von Senat beziehungsweise zuständiger Behörde die bisher bekannten sozialgerichtlichen Entscheidungen hinsichtlich der Bewilligungspraxis der Jobcenter t.a.h. zu werten? Inwieweit war dies Thema von Gesprächen mit Jobcenter t.a.h.? Mit welchen Ergebnissen? Fälle, bei denen sich Bedarfe über das gesetzlich vorgesehene Leistungsspektrum hinaus ergeben, sind der zuständigen Behörde nicht bekannt. Insofern hat es hierzu keine Gespräche mit dem Jobcenter gegeben. Drucksache 21/14940 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Sind Senat oder zuständiger Behörde Entscheidungen aus Hamburg bekannt, die einen Computer oder ein Notebook als Schulbedarf anerkannt haben? Wenn ja, bitte Datum und Aktenzeichen angeben. Nein. 5. Wie ist die Praxis von Jobcenter t.a.h. hinsichtlich der Bewilligung von besonderen Schulbedarfen? a. Wurden in den Jahren, 2016, 2017 und 2018 Anträge auf Kostenübernahme für Computer oder Notebooks als Mehrbedarf unmittelbar , das heißt ohne Widerspruch und Klage, bewilligt? Wenn ja, jeweils in wie vielen Fällen? b. Wie viele Widersprüche wurden in diesem Zeitraum eingelegt? In wie vielen Fällen wurden die Widersprüche positiv, in wie vielen Fällen negativ entschieden? Welches sind jeweils die wesentlichen Begründungen pro und contra? c. In wie vielen Fällen wurden jeweils Klagen und/oder eine einstweilige Anordnungen beim Sozialgericht mit jeweils welchem Ausgang eingereicht? d. In wie vielen Fällen wurden jeweils Klagen beim Landessozialgericht mit jeweils welchem Ausgang eingereicht? 6. In welcher Höhe wurden die Kosten für Computer oder Notebooks jeweils bewilligt? Bitte die niedrigste und die höchste Bewilligung angeben . Entsprechende Daten werden bei Jobcenter t.a.h. nicht gesondert statistisch erfasst. Eine zur Beantwortung notwendige händische Auswertung der Akten über 79.000 leistungsberechtigte Kinder und Jugendlichen unter 25 Jahren ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. und 3. 7. Welche Kosten halten Senat beziehungsweise zuständige Behörde für einen Computer oder Notebook im Rahmen der Grundsicherung für angemessen? Eine allgemeine Angemessenheitsgrenze ist nicht festgelegt. 8. In wie vielen Fällen wurden Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II für die Kosten für besondere Schulbedarfe in den Jahren 2016, 2017 und 2018 bewilligt? a. Wie viele Widersprüche mit dem Begehren der Kostenübernahme wurden in diesem Zeitraum dagegen eingelegt? In wie vielen Fällen wurden die Widersprüche positiv, in wie vielen Fällen negativ entschieden ? b. In wie vielen Fällen wurden jeweils Klagen und/oder eine einstweilige Anordnungen beim Sozialgericht mit jeweils welchem Ausgang eingereicht? c. In wie vielen Fällen wurden jeweils Klagen beim Landessozialgericht mit jeweils welchem Ausgang eingereicht? Entsprechende Daten werden bei Jobcenter t.a.h. nicht gesondert statistisch erfasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. bis 6. 9. Wie unterscheiden sich nach Kenntnis des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde Inanspruchnahme von Leistungen und Bewilligungspraxis nach den verschiedenen Rechtskreisen (SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz)? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14940 3 Es bestehen keine Unterschiede. Die fachlichen Vorgaben sind für alle Rechtskreise in der Fachanweisung zu §§ 34, 34a und 34b SGB XII, §§ 2 und 3 AsylbLG, § 6b BKGG und § 28 Absatz 2 S. 1 Nummer 1 SGB II und § 28 Absatz 2 S. 1 Nummer 1 i.V.m. § 28 Absatz 2 S. 2 SGB II (Schul- und Kitaausflüge) und § 28 Absatz 7 SBG II (soziokulturelle Teilhabe) einheitlich geregelt. 10. Welche Erfahrungen haben Senat beziehungsweise zuständige Behörde mit der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets gemacht? Wo werden Verbesserungsbedarfe gesehen? Hamburg hat sich bereits mit Einführung der Bildungs- und Teilhabeleistungen ein – im Rahmen der gesetzlichen Spielräume – soweit wie möglich niedrigschwelliges Verfahren entschieden, um den Zugang für leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche möglichst einfach zu gestalten. Über die Anpassung der Beträge für Schulbedarfe (siehe Antwort zu 1.) hinaus werden für die Zielsetzung der Teilhabe Verbesserungen hinsichtlich der Finanzierung der Mittagsverpflegung und der Schülerbeförderung für erforderlich gehalten. Derzeit übernimmt Hamburg die Eigenanteile der Leistungsberechtigten als freiwillige Hamburger Leistungen. Im Übrigen siehe Drs. 21/7941, 21/8699 und 21/10990 11. Welche Anstrengungen haben Senat beziehungsweise zuständige Behörde auf Bundesebene unternommen, um etwa Verbesserungen bei der Berücksichtigung von Schulbedarfen im Regelsatz oder beim Bildungs - und Teilhabepaket zu erreichen? Der Senat hat die zum 01.08.2016 in Kraft getretene Änderung des § 28 Absatz 3 SGB II unterstützt. Hierbei wurde die Inanspruchnahmemöglichkeit für den Schulbedarf auf Schüler und Schülerinnen ausgeweitet, die nach dem 01.08. oder 01.02. eines Jahres erstmalig oder nach einer Unterbrechung nach Schuljahres- beziehungsweise Schulhalbjahresbeginn eine Schule besuchen. 12. Wie viele Leistungsberechtigte unter 25 Jahren gab beziehungsweise gibt es 2016, 2017 und 2018 in Hamburg und wie viele davon haben in diesen Jahren jeweils a. mindestens eine Leistung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, b. Mehraufwendungen für gemeinschaftliche Mittagsverpflegung, c. Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf, d. Aufwendungen für Klassenfahrten, e. Aufwendungen für Tagesausflüge, f. Aufwendungen für Schülerbeförderung, g. soziokulturelle Teilhabe, h. Lernförderung tatsächlich in Anspruch genommen? Im Jahr 2017 waren 96.909 Kinder und Jugendliche unter 25 Jahren leistungsberechtigt für das Bildung- und Teilhabepaket. Bis Juni 2018 waren 83.605 Kinder und Jugendliche leistungsberechtigt. Hinsichtlich der Inanspruchnahme siehe Anlage. Aufgrund des niedrigschwelligen Verfahrens in Hamburg ist die Inanspruchnahme nur jeweils gesondert für die einzelnen Leistungsarten möglich. Zu den Angaben für das Jahr 2016 siehe Drs 21/8699. Bezogen auf die Inanspruchnahme von Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass die Leistungen mit Ausnahme der soziokulturellen Teilhabe zusätzlich voraussetzen, dass die Kinder und Jugendlichen eine Kita beziehungsweise Schule besuchen. 13. In einer Antwort der Bundesregierung (BT.-Drs. 19/5222 vom 22.10.2018) auf ähnlich lautende Fragen wie in Ziffer 12. finden sich in Drucksache 21/14940 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 der Anlage 1 zu den Buchstaben a. bis h. aus Hamburg als einzigem Bundesland keine Zahlen. Wie erklären Senat beziehungsweise zuständige Behörde diesen Hamburger „Totalausfall“? Das in Hamburg praktizierte einfache, niedrigschwellige Verfahren ermöglicht es Leistungsberechtigten , Leistungen dort zu beantragen, wo sie auch genutzt werden. Aus diesem Grunde liegen die Zuständigkeiten für die Leistungen bei verschiedenen Behörden. Die zuständigen Stellen nutzen jeweils unterschiedliche digitale Systeme, die deshalb bislang nur eine Auswertung jeweils nach Leistungsart ermöglichen. Aus den Datensystemen heraus ist es überwiegend technisch nicht möglich, die entsprechenden Angaben vollständig an die amtlichen Statistikbehörden zu melden, weshalb eine Aufnahme in die Bundesstatistik bisher nicht möglich war. An einer entsprechenden technischen Lösung wird derzeit gearbeitet. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14940 5 Anlage Inanspruchnahme des Bildungs- und Teilhabepakets nach Leistungsarten BuT-Leistung Hinweis 2017 Jan- Dez 2018 Jan-Jun Ausflüge (Schule) 8.996 5.320 Ausflüge (Kita/Hort) 974 576 Mehrtägige Fahrten (Schule) ohne SGB II 3.900 2.640 Mehrtägige Fahrten (Kita/Hort) ohne SGB II 211 154 Schulbedarf ohne SGB II 8.095 6.931 Schülerbeförderung 1 4.941 5.482 Lernförderung 2 6.295 9.119 Mittagsverpflegung (Kita) 15.996 16.819 Mittagsverpflegung (Schule) 3 33.428 35.765 Soziokulturelle Teilhabe -Gesamt- 13.936 9.365 Bücherhallen 4 5.560 ------ 1 durchschnittliche Anzahl Kinder/Jugendliche pro Jahr 2 Anzahl der Kinder/Jugendlichen, für die bis zum jeweiligen Monat eine Lern- und Fördervereinbarung abgeschlossen wurde (= tatsächliche Bezieher von Lernförderung im jew. Schul- HJ) 3 Im Dezember bzw. Juni für das laufende Schuljahr leistungsberechtigte Schülerinnen und Schüler, die verbindlich zur regelmäßigen Mittagsverpflegung in Schulen angemeldet waren. 4 Die Ausweise sind ab Ausgabedatum jeweils für ein Jahr gültig. Daher wird hier die Anzahl der Ausweise ausgewiesen, die im Dezember Gültigkeit haben.