BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14943 21. Wahlperiode 16.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 08.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Wenn Material ermüdet – Wie kommt es zu den häufigen Lamellenbrüchen auf der A 7 und was wird dagegen getan? Baumaterialien können sich in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur bei Wärme ausdehnen oder bei Kälte zusammenziehen. Derlei Materialeigenschaften stellen insbesondere an die Konstruktion von Ingenieurbauwerken hohe Anforderungen. Für Straßen- beziehungsweise Autobahnbrücken gilt dies in besonderem Maße, weil Konstruktionsfehler und Schäden nicht nur immense Folgekosten nach sich ziehen, sondern auch die Verkehrssicherheit und damit Menschenleben gefährden können. Um verschiedene Brückenteile fest und trotzdem flexibel miteinander zu verbinden , wurden über die Jahrzehnte verschiedene Arten von Fahrbahnübergängen verwendet. Über die Zeit wurden verstärkt wasserdichte Stahllamellen , die mit Gummi-Neopren-Dehnprofilen zusammengehalten werden, entwickelt und eingesetzt.1 Es ist klar, dass es bei einer so komplexen und verkehrlich schwerbelasteten Konstruktion wie der 1974 eröffneten „Hochstraße Elbmarsch“, der mit 4.258 Metern längsten Straßenbrücke in Deutschland, auch an diesen Brückenlamellen irgendwann zu Materialermüdung kommt. Der am 6. November 2018 aufgetretene Lamellenbruch bei Waltershof in Richtung Norden2 ist nur der jüngste Fall in einer längeren Reihe. Gefühlt haben diese Ermüdungserscheinungen in der jüngeren Vergangenheit zugenommen. Dieses ungute Gefühl lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt weder bestätigen noch widerlegen, weil keine belastbaren Zahlen vorliegen. Hier muss mehr Klarheit geschaffen werden. Dies gilt auch für die Frage, inwiefern die zuständigen Stellen eine konkrete Strategie verfolgen, um weitere, die Mobilität massiv einschränkende Lammelenbrüche speziell auf der Hochstraße Elbmarsch beziehungsweise an der A 7 und damit einhergehende Sperrungen auf diesem neuralgischen Streckenabschnitt zu vermeiden. Mögen der achtstreifige Ausbau der A 7 südlich des Elbtunnels und die Sanierung der Hochstraße Elbmarsch auch bereits fest in der höchstmöglichen Förderkategorie „vordringlicher Bedarf – Engpassbeseitigung“ (VB-E) des Bundesverkehrswegeplans (BWVP) 2030 eingestuft sein, wird es noch Jahre dauern, bis hierdurch die in die Jahre gekommenen Lamellen erneuert sein werden. 1 Siehe unter anderem: https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Ingenieurbau/Fachthemen/ b2-uebergaenge.html, letzter Zugriff: 08.11.18. 2 https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Wieder-Lamelle-gebrochen-Lange-A7- Staus,asieben276.html, letzter Zugriff: 08.11.18. Drucksache 21/14943 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Fahrbahnübergänge sind Konstruktionen, die die Bewegungen von Brücken zum starren Widerlager ausgleichen. Sie werden direkt befahren und sind damit dynamischen Lasten sowie Witterungsbedingungen und Winterdienst ausgesetzt. Die Lebensdauer ist stark abhängig von der Nutzungsintensität beziehungsweise Beanspruchung. Fahrbahnübergänge sind hochbelastete Bauteile, die verschleißen und ermüden. Beim Bau der Hochstraße Elbmarsch im Verlauf der BAB A 7 beziehungsweise der Rampen unmittelbar südlich des Elbtunnels wurden in den 1970er-Jahren Fahrbahnübergänge verbaut, die nach dem damaligen Stand der Technik für statische, nicht für dynamische Belastungen bemessen wurden. Sie hatten eine rechnerische Lebensdauer von 20 Jahren und halten teilweise deutlich länger. Heute müssen viele davon ersetzt werden. Die Fahrbahnübergänge der heutigen Generation sind regelgeprüft und so bemessen, dass sie bei entsprechender Pflege eine Lebensdauer von 50 Jahren erreichen. Bei einer Entwurfslebensdauer für Brückenbauwerke von 100 Jahren müssen die Fahrbahnübergänge damit rechnerisch nach 50 Jahren erneuert werden. Fahrbahnübergänge werden von vielen Herstellern unterschiedlich bezeichnet, (zum Beispiel Modulardehnfuge, Trägerrostdehnfuge et cetera). Die Größe der Dehnfuge ergibt sich aus dem rechnerisch aufzunehmenden Dehnweg. Dieser wird durch Elastomerprofile aufgenommen. Jedes Profil kann bis 100 mm Dehnweg aufnehmen. So wird zwischen ein- und mehrprofiligen Fahrbahnübergängen unterschieden. Bei einem zweiprofiligen Übergang wird ein Lamellenträger eingefügt, der auf einer Traverse lagert, bei einem dreiprofiligen Übergang sind es zwei Lamellenträger. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DE- GES) und der Hamburg Port Authority AöR (HPA) wie folgt: 1. Wie viele Lamellenfahrbahnübergänge gibt es entlang der Hochstraße Elbmarsch inklusive der A7-Rampe südlich des Elbtunnels und um welche Art(en) von Lamellen handelt es sich konkret? Die Hochstraße Elbmarsch hat in beiden Fahrtrichtungen insgesamt 103 Fahrbahnübergangskonstruktionen . Davon sind 13 sogenannte einschlaufige Konstruktionen (ein Dehnprofil, keine Lamelle), 30 zweischlaufige Konstruktionen (zwei Dehnprofile, eine Lamelle) und 60 dreischlaufige Konstruktionen (drei Dehnprofile, zwei Lamellen). Die Rampen unmittelbar südlich des Elbtunnels verfügen ausschließlich über einschlaufige Fahrbahnübergangskonstruktionen ohne Lamellen, sodass es dort keine Lamellenbrüche gegeben hat. 2. Wie viele Brüche an beziehungsweise von Lamellenfahrbahnübergängen hat es entlang der Hochstraße Elbmarsch inklusive der A7-Rampe südlich des Elbtunnels seit 2011 gegeben und was waren in welcher Häufigkeit die Ursachen? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Auf der Hochstraße Elbmarsch sind seit dem Jahr 2011 folgende Lamellenbrüche an Fahrbahnübergangskonstruktionen dokumentiert: Lamellenbrüche an Fahrbahnübergangskonstruktionen an der Hochstraße Elbmarsch Jahr 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 2011 Anzahl 3 2 2 3 1 0 1 0 Je nach Bauart verschiedener Brücken sind an Bauwerksenden unterschiedliche Dehnwege zur Aufnahme von Längenänderungen unter anderem aus Temperatur oder Bremsen erforderlich. Daraus ergibt sich, ob eine einschlaufige oder mehrschlaufige Fahrbahnübergangskonstruktion benötigt wird (zum Beispiel BAB A 1, Norderelbbrücke : sechs Dehnprofile/fünf Lamellen). Einprofilige Konstruktionen haben keine Lamellen, da das Dehnprofil direkt in beidseitig einbetonierte Randprofile eingeknüpft wird. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14943 3 Bei größeren Dehnwegen werden ein oder mehrere Mittelträger (auch Lamellen genannt) benötigt, um den Bewegungsspalt für Fahrzeuge zu überbrücken. Jede dieser Stahllamellen lagert im Abstand von circa 1,0 bis 1,5 m auf stählernen Querträgern , den sogenannten Traversen, auf, die wiederum beidseitig in stählernen Traversenkästen auf Gleitlagern gelagert sind. Dort liegen die Ursachen für die Schadensfälle , da diese Lager in verrosteten, aber nicht zugänglichen Traversenkästen liegen und durch Schwingungen beim Überfahren herausfallen können. Ein fehlendes Gleitlager ist von außen nicht erkennbar. In dem Moment verdoppelt sich die Stützweite der Lamelle (beim Ausfall von zwei Lagerungen nebeneinander verdreifacht sie sich sogar), so dass die Lamelle insbesondere im Bereich der Lkw-Rollspur nach einer unbestimmten Anzahl von Überfahrten nachgibt und reißt. 3. Inwiefern sind seit 2011 verschiedene Firmen mit der Reparatur dieser Lamellenfahrbahnübergange beauftragt worden und wo haben diese jeweils ihren Firmensitz? Die Brückenbauwerke im Bestand der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) verfügen geschätzt zu 80 bis 90 Prozent über Fahrbahnübergangskonstruktionen der MAURER SE, ein seit seiner Gründung im Jahr 1876 in München ansässiges Unternehmen mit mehreren Niederlassungen weltweit. Die MAURER Gruppe gehört heute in ihren Spezialgebieten zu den technologischen Weltmarktführern. Die MAURER SE ist bisher als einziger Hersteller in der Lage, Ersatzteile auch für zum Teil jahrzehntealte Fahrbahnübergangskonstruktionen zu liefern. Die Instandsetzungsarbeiten an den Fahrbahnübergangskonstruktionen der Hochstraße Elbmarsch sind seit dem Jahr 2011 ausschließlich von der MAURER SE durchgeführt worden. 4. Welche Stellen sind für die Überwachung und Sanierung beziehungsweise Reparatur von Bauwerk- und Fahrbahnschäden an der Hochstraße Elbmarsch inklusive der A7-Rampe südlich des Elbtunnels zuständig ? Die Hochstraße Elbmarsch und die Rampen unmittelbar südlich des Elbtunnels befinden sich im Zuge von Bundesfernstraßen und damit im Eigentum des Bundes. Mit Ausnahme der Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen liegt die Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen gemäß § 5 des Bundesfernstraßengesetzes beim Bund, der die damit verbundenen Aufgaben und Pflichten wiederum bis zur Änderung der Gesetzgebung im Jahr 2017 gemäß Artikel 90 (alt) des Grundgesetzes auf die Länder, in diesem Fall die Freie und Hansestadt Hamburg, übertragen hatte. Die BWVI nimmt derzeit noch die Aufgaben und Pflichten des Bundes für die Bundesfernstraßen im Rahmen der sogenannten Auftragsverwaltung wahr. Der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) ist als „Realisierungsträger“ derzeit noch im Auftrag des „Bedarfsträgers“, der BWVI, für die betriebliche Unterhaltung und bauliche Erhaltung sowie bei Bedarf für den Neubau, Umbau und Ausbau der Bundesautobahnen und anbaufreien Bundesstraßen beauftragt. 5. Inwiefern verfolgen diese Stellen eine Strategie, um Ermüdungserscheinungen an den Lamellenfahrbahnübergängen frühzeitig zu erkennen und Brüche bestmöglich zu verhindern? Der LSBG führt regelmäßig nächtliche Sichtprüfungen aller Lamellen im Zuge der Haupt- und Überholfahrstreifen durch, um frühzeitig erste Anrisse erkennen und gegebenenfalls mit organisatorischem Vorlauf tätig werden zu können. Hierfür sind jeweils entsprechende Fahrspursperrungen der BAB A 7 südlich des Elbtunnels erforderlich , die möglichst in Verbindung mit anderen Verkehrseinschränkungen terminiert werden. Bei Feststellung eines Anrisses in einer Lamelle kann erforderlichenfalls eine sofortige Reparatur durchgeführt werden. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. 6. Inwiefern weist diese Strategie bezüglich der Lamellenfahrbahnübergänge entlang der Hochstraße Elbmarsch inklusive der A7-Rampe südlich des Elbtunnels Unterschiede oder Ähnlichkeiten zu Strategien beziehungsweise der Praxis bezüglich der Instandhaltung von Lamellenfahr- Drucksache 21/14943 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 bahnübergängen an anderen Straßenbrückenkonstruktionen in Hamburg auf? Bei der Hochstraße Elbmarsch wird aufgrund der Schadensfälle der letzten Jahre ein erheblich höherer Aufwand für die regelmäßige Prüfung der Fahrbahnübergangskonstruktionen betrieben als bei anderen Straßenbrücken in Hamburg, bei denen sich auf den drei- beziehungsweise sechsjährigen Zyklus von Hauptprüfung und Einfacher Bauwerksprüfung gemäß DIN 1076 beschränkt wird. 7. Welche Art(en) von Lamellen sollen im Rahmen des geplanten Ausbaus der A 7 südlich des Elbtunnels und der ebenfalls geplanten Sanierung der Hochstraße Elbmarsch nach jetzigem Stand verbaut werden? Warum sollen diese und nicht andere Lamellenarten verbaut werden und von welcher durchschnittlichen Lebens- beziehungsweise Nutzungsdauer dieser Lamellen wird ausgegangen? Es werden je nach Dehnweg ein- bis zweiprofilige regelgeprüfte Fahrbahnübergänge eingebaut, die eine rechnerische Lebensdauer von 50 Jahren haben. Für diesen Einsatzfall gibt es keine andere zugelassene Übergangskonstruktion. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. Welche Art(en) von Lamellen kommen aktuell bei der Errichtung anderer Brücken in Hamburg zum Einsatz? Gibt es eine gängige Art? Wenn ja, um welche handelt es sich und aus welchen Gründen werden diese Lamellenarten von den zuständigen Stellen in Hamburg präferiert? Lamellen sind Bestandteile von Fahrbahnübergängen. Fahrbahnübergänge für Brücken in Hamburg werden nach den „Zusätzliche Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten“ (ZTV-ING, Teil 8, Abschnitt 1 und 2) des Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) entworfen und gebaut. In der ZTV-ING sind die allgemeinen Anforderungen in statischer und konstruktiver Hinsicht an Fahrbahnübergänge definiert. Zusätzlich müssen die bauwerksbezogenen Anforderungen , wie Dehnwege, Breite, Lasteinwirkungen und so weiter, an die Fahrbahnübergänge berücksichtigt werden. In den meisten Fällen kommen bei Straßenbrücken Fahrbahnübergänge mit Stahllamellen zum Einsatz. Darüber hinaus können bei weniger beanspruchten Brücken auch Fahrbahnübergänge aus Asphalt zum Einsatz kommen . Grundsätzlich werden keine speziellen Fahrbahnübergänge von bestimmten Herstellern ausgeschrieben, sondern die zuvor genannten Anforderungen an die Fahrbahnübergänge beschrieben und gefordert. Die Baufirmen müssen entsprechende Zulassungen nachweisen, dass die geforderten Anforderungen erfüllt werden. Lamellenfahrbahnübergänge bei Straßenbrücken kommen auch bei der HPA zum Einsatz, weil diese Bauart in Verbindung mit Dichtprofilen zum Schutz der Unterkonstruktion von Brücken wasserdicht ausgebildet werden kann. Im Rahmen von Bauaufträgen für Brückenneubauten werden die technischen Anforderungen vertraglich festgelegt . Die HPA vereinbart mit den Firmen im Bauvertrag die von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) erstellten „Technische Lieferbedingungen und Prüfvorschriften für wasserdichte Fahrbahnübergänge in Lamellenbauweise und Fingerübergänge mit Entwässerung von Straßen- und Wegbrücken“ (TL/TP FÜ). Hersteller von Fahrbahnübergängen können ihre Fahrbahnübergangssysteme einer Regelprüfung bei der BAST unterziehen. Nach erfolgreicher Prüfung werden diese Firmen mit ihren Fahrbahnübergängen bei der BAST gelistet und können von den Bauverwaltungen in Deutschland herangezogen werden. Hierdurch werden herstellerunabhängig einheitliche technische Standards sichergestellt. Grundsätzlich können bei der HPA alle regelgeprüften Lamellenfahrbahnübergänge zum Einsatz kommen. Insofern gibt es keine Präferenz bei der HPA, solange die technischen Anforderungen erfüllt sind. Neben Lamellenfahrbahnübergängen mit Dichtprofil kommt die gleiche Bauart ergänzt als lärmgeminderte Variante zum Einsatz. 9. Welche Art(en) von Lamellen sind aktuell beispielsweise beim Neubau der Langenfelder Brücke zum Einsatz gekommen? Aus welchen Gründen wurde diese Lamellenarten von den zuständigen Stellen in Hamburg Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14943 5 präferiert und von welcher durchschnittlichen Lebens- beziehungsweise Nutzungsdauer dieser Lamellen wird ausgegangen? Bei der Langenfelder Brücke wurden vierprofilige Fahrbahnübergänge mit drei Lamellenträgern mit einer rautenförmigen Oberfläche zur Lärmminderung des Herstellers MAURER SE eingebaut. Damit werden an beiden Enden der 400 m langen Brücke Dehnwege von 380 mm aufgefangen. Diese Fahrbahnübergänge sind regelgeprüft und für eine Lebensdauer von 50 Jahren ausgelegt.