BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14948 21. Wahlperiode 16.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 08.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Arbeitslosengeld-II-Betrug in Hamburg Der Bundesregierung zufolge ist dem deutschen Staat 2017 infolge falscher Angaben beim Bezug von Arbeitslosengeld II (ALG II) ein Schaden in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro entstanden. Dazu heißt es in der Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage: „Die BA schätzt auf der Grundlage der stichprobenartigen Erhebungen, dass durch bandenmäßigen Leistungsmissbrauch ein Vermögensschaden von rund 50 Millionen Euro entstanden ist.“1 Insgesamt sollen bislang wenigsten 4.440 Fälle von bandenmäßigem Missbrauch durch die Job-Center dokumentiert worden sein, sogenannte Individuelle Missbräuche hätten indes eine Gesamtzahl von 119.541 erreicht. Die meisten dieser Delikte seien auf urbane Ballungszentren entfallen.2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Da Fälle von organisiertem Sozialleistungsmissbrauch vielfach untrennbar mit prekären Arbeits-, Wohn- und sonstigen Lebensverhältnissen verbunden sind, sind auch auf operativer Ebene eine behörden- und ämterübergreifende Betrachtung dieser Thematik und ein konzertiertes Vorgehen erforderlich. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration hat eine koordinierende Funktion bei der Bekämpfung des organisierten Sozialleistungsmissbrauchs übernommen. In 2017 wurden zwei „Aktionstage “ unter der Beteiligung diverser Dienststellen durchgeführt. Hierzu siehe auch Drs. 21/11357. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und der Agentur für Arbeit Hamburg (AA) wie folgt: 1. Wie viele Personen haben 2017 ALG II in Hamburg bezogen? 2. Wie war diese Gruppe hinsichtlich Alter, Geschlecht und der nachfolgend genannten Bezugsdauer strukturiert? a) Bis zu einem Jahr b) Bis zu drei Jahren c) Bis zu fünf Jahren d) Länger als fünf Jahre 3. Wie viele ALG-II-Bezieher waren 2017 Ausländer, Deutsche beziehungsweise Träger der doppelten Staatsbürgerschaft? 1 „Banden betrügen Staat bei Hartz IV um 50 Millionen Euro“. „Hamburger Abendblatt“. 1.11.2018. 2 Confer ibidem. Drucksache 21/14948 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Wie viele ALG-II-Bezieher haben 2017 eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen? Siehe Anlagen 1 bis 3. 5. Wie viele der folgenden Fälle sind 2017 in Hamburg registriert worden: a) bandenmäßiger Missbrauch von ALG-II-Bezug,3 b) individueller Missbrauch von ALG-I-Bezug?4 6. Wie viele ALG-II-Betrüger waren 2017 Ausländer, Deutsche beziehungsweise Träger der doppelten Staatsbürgerschaft? 7. Wie hoch beläuft sich der dadurch entstandene Schaden? Die zur Beantwortung dieser Fragen benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauszählung ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehen Zeit nicht möglich, da hierfür rund 100.000 Leistungsakten ausgewertet werden müssten. 8. In wie vielen Fällen hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben? 9. Wie häufig ist es infolgedessen zu Verurteilungen gekommen? 10. Wie viele der Angeklagten waren bereits zuvor mit dem Gesetz in Konflikt geraten? Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft wird nicht erfasst, ob ein Verfahren den betrügerischen Bezug von Arbeitslosengeld zum Gegenstand hat. Es müssten daher zur Beantwortung der Fragen alle Verfahren beigezogen und händisch ausgewertet werden, in welchen in MESTA als Tatvorwurf unter anderem § 263 StGB verzeichnet ist. Hierbei handelt es sich im Aktenzeichenjahrgang 2017 um mehr als 25.000 Verfahren mit derzeit bereits über 2.500 Anklagen und 1.500 Verurteilungen. Dies ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3 Gemeint sind Fallkonstellationen, in welchen Gruppen als Täter agieren. 4 Hierbei treten nur Einzelpersonen als Täter auf. 4. Strukturmerkmale von Bedarfsgemeinschaften und Personen im SGB II - Jahreswerte Daten nach einer Wartezeit von 3 Monaten Hamburg, Freie und Hansestadt Merkmal 2017 Bedarfsgemeinschaften (BG) 103.107 mit 1 Person 59.337 mit 2 Personen 18.172 mit 3 Personen 11.839 mit 4 Personen 7.942 mit 5 und mehr Personen 5.817 mit 1 Kind unter 18 Jahre 15.844 mit 2 Kindern unter 18 Jahre 10.791 mit 3 und mehr Kindern unter 18 Jahre 7.076 Single-BG 59.327 Alleinerziehende-BG 18.806 Partner-BG ohne Kinder 7.924 Partner-BG mit Kindern 14.887 Nicht zuordenbare BG 2.154 Personen in Bedarfsgemeinschaften (PERS) 195.073 Männer 99.154 Frauen 95.919 unter 18 Jahre 62.226 Kinder unter 18 Jahre 1) 61.910 unter 25 Jahre 79.444 25 bis unter 55 Jahre 91.115 55 Jahre und älter 2) 24.514 Deutsche 120.962 Ausländer 73.118 Leistungsberechtigte (LB) 188.659 Regelleistungsberechtigte (RLB) 188.296 Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB) 135.914 Männer 67.933 Frauen 67.981 unter 25 Jahre 25.210 25 bis unter 55 Jahre 89.008 55 Jahre und älter 2) 21.697 Deutsche 81.130 Ausländer 54.440 Alleinerziehende 18.525 unter 25 Jahre 1.347 25 Jahre und älter 2) 17.178 Aufstocker (von ALG) 2.704 Erwerbstätige ELB 3) 32.961 mit Einkommen aus abhängiger Erwerbstätigkeit 30.824 dar. mit Einkommen von <= 450 Euro 12.348 > 450 Euro bis <= 850 Euro 8.179 > 850 Euro bis <= 1200 Euro 5.339 > 1200 Euro 4.958 mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit 2.383 Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte (NEF) 52.382 Männlich 27.069 Weiblich 25.314 unter 3 Jahre 11.176 3 bis unter 6 Jahre 10.517 6 bis unter 15 Jahre 29.547 15 Jahre und älter 2) 1.143 Deutsche 35.555 Ausländer 16.230 Sonstige Leistungsberechtigte (SLB) 361 Nicht Leistungsberechtigte (NLB) 6.408 Kinder ohne Leistungsanspruch (KOL) 1.939 vom Leistungsanspruch ausgeschlossene Personen (AUS) 4.469 SGB II-Hilfequoten 4) SGB II-Quote 5) 12,7 ELB-Quote 6) 11,0 NEF-Quote 7) 20,5 Hinweis: Jahresdurchschnittswerte werden nur dann berechnet, wenn mindestens 10 Werte eines Jahres vorhanden sind. 1) Hier handelt es sich um minderjährige, unverheiratete Kinder unter 18 Jahren in Bedarfsgemeinschaften. 5) Zur Berechnung der SGB II-Quote werden die Leistungsberechtigten (LB) zur Bevölkerung im Alter von 0 Jahren bis zur Regelaltersgrenze ins Verhältnis gesetzt. 6) Zur Berechnung der ELB-Quote werden die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (ELB) zur Bevölkerung im Alter von 15 Jahren bis zur Regelaltersgrenze ins Verhältnis gesetzt. 7) Zur Berechnung der NEF-Quote werden die nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (NEF) im Alter von unter 15 Jahren zur Bevölkerung im Alter von unter 15 Jahren ins Verhältnis gesetzt. Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II © Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2) Die Regelaltersgrenze stellt den Zeitpunkt dar, ab dem für eine Person kein Anspruch mehr auf Sozialleistungen nach dem SGB III bzw. SGB II mehr besteht und stattdessen unter den Anspruchsvoraussetzungen des SGB VI die Regelaltersrente geleistet wird. Bisher lag die Altersgrenze bei 65 Jahren. Am 20.04.2007 wurde das "Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung“ beschlossen. Dieses sieht eine sukzessive Anhebung der Altersgrenze von 65 auf 67 Jahre vor. Ab 01.01.2012 sind die ersten Personen des Geburtsjahrgangs 1947 von dieser Anhebung betroffen. Die letzte Anhebung der Altersgrenze findet für den Geburtsjahrgang 1964 am 01.01.2031 statt. Aus diesem Grund werden ab dem Berichtsmonat November 2011 die eingeschränkten Altersklassen durch offene Altersklassen ersetzt. Somit sind bis Oktober 2011 Personen im Alter von "... bis unter 65 Jahren" dargestellt - ab November 2011 Personen im Alter von "... Jahren und älter". 3) Die aktuellsten Daten der erwerbstätigen Leistungsbeziehern liegen zum Veröffentlichungstermin dieser Publikation nur für den Vormonat vor. Außerdem können diese Informationen für gemeinsame Einrichtungen (gE) und Träger mit getrennter Aufgabenwahrnehmung (gAw) ab Berichtsmonat Januar 2007, für zugelassene kommunale Träger (zkT) erst ab Berichtsmonat Juni 2009 ausgewertet werden. 4) SGB II-Hilfequoten setzen den Bestand an Leistungsberechtigten nach dem SGB II in Beziehung zur Bevölkerung in der entsprechenden Altersgruppe (Bezugsgröße). Als Bezugsgröße wird die vom Statistischen Bundesamt jeweils zum 31.12. eines Jahres ermittelte Bevölkerungszahl verwendet und für das halbe Jahr vor und das halbe Jahr nach dem 31.12. herangezogen. Liegen die Bevölkerungsdaten für das aktuelle Jahr noch nicht vor, werden übergangsweise die Daten des Vorjahres verwendet. Diese SGB II-Hilfequoten sind deshalb vorläufig. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14948 3 Anlage 1 B es ta nd ; R eg el le is tu ng sb er ec ht ig te H am bu rg B er ic ht sm on at J un i 2 01 8 1 2 3 4 5 6 7 8 H am bu rg 02 00 00 00 18 5. 09 2 10 .7 74 10 .3 37 16 .8 55 32 .3 41 20 .9 27 15 .7 72 78 .0 86 H am bu rg , F re ie u nd H an se st ad t 02 00 00 00 18 5. 09 2 10 .7 74 10 .3 37 16 .8 55 32 .3 41 20 .9 27 15 .7 72 78 .0 86 G ru nd si ch er un g fü r A rb ei ts uc he nd e SG B II 4 Ja hr e un d lä ng er H in w ei s: D ie S um m en d er T rä ge rg eb ie te e in es B un de sl an de s kö nn en v om B un de sl an dw er t b ei A bg än ge n au fg ru nd d er u nt er sc hi ed lic he n B er üc ks ic ht ig un g vo n Tr äg er w ec hs el n ab w ei ch en . D ie S um m e de r S pa lte n 2 bi s 8 ka nn b ei d en E LB m it/ oh ne E rw er bs tä tig ke it au fg ru nd u nt er sc hi ed lic he r H oc hr ec hn un gs ve rfa hr en g er in gf üg ig v om In sg es am t-W er t i n S pa lte 1 ab w ei ch en . R eg io ne n B es ta nd kl as si er t n ac h bi sh er ig e V er w ei ld au er im S G B II un te r 3 M on at e 3 bi s un te r 6 M on at e 6 bi s un te r 1 2 M on at e 1 bi s un te r 2 Ja hr e 2 bi s un te r 3 Ja hr e 3 bi s un te r 4 Ja hr e Drucksache 21/14948 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 2 In te gr at io ne n vo n er w er bs fä hi ge n Le is tu ng sb er ec ht ig te n (E LB ) i n so zi al ve rs ic he ru ng sp fli ch tig e B es ch äf tig un g M er km al : a lle A us ge w äh lte R eg io ne n, G eb ie ts st an d: S ep te m be r 2 01 8 Ze itr ei he - M on at sw er te , D at en st an d: S ep te m be r 2 01 8 D at en z u Le is tu ng en n ac h de m S G B II n ac h ei ne r W ar te ze it vo n 3 M on at en . R eg io n Ja n 17 Fe b 17 M rz 1 7 A pr 1 7 M ai 1 7 Ju n 17 Ju l 1 7 A ug 1 7 S ep 1 7 O kt 1 7 N ov 1 7 D ez 1 7 ∑ 20 17 H am bu rg 1. 62 2 1. 97 0 2. 27 9 2. 58 1 2. 71 3 2. 14 0 2. 43 1 2. 63 7 2. 77 2 2. 60 8 2. 47 3 2. 13 4 28 .3 60 H am bu rg 1. 62 2 1. 97 0 2. 27 9 2. 58 1 2. 71 3 2. 14 0 2. 43 1 2. 63 7 2. 77 2 2. 60 8 2. 47 3 2. 13 4 28 .3 60 E rs te llu ng sd at um : 1 2. 11 .1 8, S ta tis tik -S er vi ce S üd os t u nd S ta tis tik -S er vi ce W es t (* ) A us D at en sc hu tz gr ün de n un d G rü nd en d er s ta tis tis ch en G eh ei m ha ltu ng w er de n Za hl en w er te v on 1 o de r 2 u nd D at en , a us d en en re ch ne ris ch a uf e in en s ol ch en Z ah le nw er t g es ch lo ss en w er de n ka nn , a no ny m is ie rt. (X ) N ac hw ei s ni ch t s in nv ol l o de r n ic ht m ög lic h (.) F eh le nd e W er te b ei e in ze ln en K re is en k ön ne n w eg en u np la us ib le r b zw . u nv ol ls tä nd ig er D at en la ge a uf tre te n. © S ta tis tik d er B un de sa ge nt ur fü r A rb ei t G ru nd si ch er un g fü r A rb ei ts uc he nd e (S G B II ) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14948 5 Anlage 3 14948ska_text 14948_Anlagen 14948ska_Antwort_Anlage1 Anlage 1 14948ska_Antwort_Anlage2 Tabelle1 14948ska_Antwort_Anlage3 Anlage 3