BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14997 21. Wahlperiode 20.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Peter Lorkowski (AfD) vom 13.11.18 und Antwort des Senats Betr.: „Nationaler Stahlgipfel“ – Welche Strategie genau verfolgt Hamburg mit seiner Teilnahme? Ende Oktober unterzeichneten sechs deutsche Bundesländer – darunter die Freie und Hansestadt Hamburg – beim „ersten nationalen Stahlgipfel“ in Saarbrücken unter ausführlicher Medienbegleitung eine „Allianz der Stahlländer “. Unterstützung erhielt die „Allianz“ im Begleitprogramm durch Vertreter der Bundesregierung (darunter Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesaußenminister Heiko Maas), der Gewerkschaften und – selbstverständlich – der Stahlindustrie selbst. Presseberichten zufolge beabsichtigen die beteiligten Bundesländer – Brandenburg , Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland –, Eckpunkte für eine zukünftige Zusammenarbeit zu verabreden, um gemeinsam bessere Rahmenbedingungen für die Branche zu schaffen und für staatliche Hilfen einzutreten. Hintergrund seien die in den Vereinigten Staaten verhängten Sonderzölle auf Stahl und Aluminium, wachsender Importdruck durch subventionierten Stahl aus China und dramatisch wachsende Kosten der deutschen Stahlindustrie durch neue Regelungen zum EU-Emissionshandel sowie steigende Belastungen durch Strompreise. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: 1. Der „Stahl-Allianz“ sind nur sechs der 16 deutschen Bundesländer beigetreten , obgleich auch zahlreiche der nicht beigetretenen Länder – etwa Sachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern – über eine nicht unbedeutende Stahl- beziehungsweise Aluminiumindustrie verfügen . a) Warum genau ist Hamburg beigetreten? Die Einladung zur sogenannten Allianz der Stahlländer erfolgte auf Initiative der Vorsitzenden der Wirtschaftsministerkonferenz. Hamburg zählt zu den führenden Industriestädten Deutschlands und ist Sitz zahlreicher Großunternehmen. Entsprechend wurde es begrüßt, wenn auf dem 1. Nationalen Stahlgipfel Vertreterinnen und Vertreter der Branche mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Verwaltung, Gewerkschaften und Wissenschaft miteinander ins Gespräch kommen, um gemeinsam die Zukunftsfähigkeit der Stahlindustrie zu befördern. b) Auf welchen Gebieten bestehen Interessenunterschiede zwischen der „Allianz“ auf der einen und den – trotz dort beheimateter Stahlindustrie – nicht beteiligten Bundesländern auf der anderen Seite? Bitte detailliert erläutern. Drucksache 21/14997 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der „Allianz der Stahlländer“ gehören in einem ersten Schritt die Länder Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland sowie die Stadtstaaten Bremen und Hamburg an. Wie in der Gründungsurkunde erwähnt, steht die „Allianz der Stahlländer“ für weitere Mitglieder offen. Gründe für einen Beitritt eines Landes sind vielseitig. 2. Mit welchen Hamburger Stahl- beziehungsweise Aluminiumherstellern oder -Verarbeitern steht der Senat in Sachen „Allianz der Stahlländer“ in intensivem Kontakt? a) Bitte die entsprechenden Unternehmen nennen und b) die mit diesen jeweils besprochenen gemeinsamen Strategien/ Absprachen erläutern. Die „Allianz der Stahlländer“ ist von Bedeutung für das Unternehmen ArcelorMittal Hamburg GmbH. Im Rahmen der Branchenbetreuung Industrie findet ein Austausch mit dem Unternehmen statt. Absprachen gibt es nicht. Aluminiumhersteller oder -verarbeiter sind keine Akteure der „Allianz der Stahlländer“. c) Auf welchen Gebieten gibt es noch gewichtige Differenzen zwischen den Zielen des Senats und denen der Stahlunternehmen? Siehe Antwort zu 4. b). 3. Das „Programm“ des Stahlgipfels in Saarbrücken war mit hochkarätigen Rednern aus Politik und Wirtschaft besetzt und gestaltete sich sehr ausführlich . So sprachen dort als Vertreter der beteiligten Bundesländer zum Beispiel der Wirtschaftssenator der Freien Hansestadt Bremen sowie der Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen. Warum fehlte ein hochrangiger Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg? Die Einladung zum „1. Nationalen Stahlgipfel“ wurde vom Präses der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation mitgezeichnet. Aus terminlichen Gründen wurde von einer Teilnahme abgesehen. 4. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl schätzt, dass auf die Branche zwischen 2021 und 2030 Mehrbelastungen in Höhe von rund 3,5 Milliarde Euro durch den Emissionsrechtehandel zukommen werden und fordert Entlastung . Auch die Landesregierungen fordern Sonderregelungen zugunsten der Stahlbranche, besonders in Form einer Beibehaltung von Vergünstigungen bei der EEG-Umlage. a) Welche Ziele und Maßnahmen zur Entlastung der Stahlindustrie genau verfolgt dabei die „Allianz“? Die „Allianz der Stahlländer“ tritt für die bedarfsgerechte und kostenfreie Zuteilung von CO2-Zertifikaten und für eine Kompensation der emissionshandelsbedingten Strompreissteigerungen ein. Sie fordert ein international synchronisiertes Vorgehen beim Klimaschutz und setzt sich auf Bundesebene für den Aufbau des Förderprogramms „Dekarbonisierung in der Industrie“ mit einer Schwerpunktsetzung auf die Stahlbranche ein. b) Welche Zielkonflikte bestehen aus Sicht des Senats dabei hinsichtlich der Erfüllung von Klimaschutzzielen durch die Stahlbranche, denen sich die Stadt verpflichtet sieht, und wie können diese Konflikte gelöst werden? Bitte detailliert erläutern. Zwischen dem Senat und der Hamburger Stahlindustrie besteht seit Jahren eine konstruktive Zusammenarbeit im Bereich Klimaschutz im Rahmen der freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie für die Jahre 2007 bis 2012 und deren Fortschreibung für die Jahre 2013 bis 2018. In diesen Selbstverpflichtungen haben sich Industrieunternehmen verschiedener Branchen zur Umsetzung betrieblicher CO2-Minderungen verpflichtet und sich konkrete CO2-Einsparziele gesetzt. Der Hamburger Senat hat sich im Rahmen des Hamburger Klimaplans im Dezember des Jahres 2015 das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 zu halbieren . Die Wirtschaft trägt mit circa 50 Prozent zu den Hamburger CO2-Emissionen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14997 3 bei und hat insofern einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen und zur Erreichung der Hamburger Klimaschutzziele zu leisten. Sowohl bei der Zuteilung von Emissionsrechten als auch bei der Höhe der EEG- Umlage geht es um die Frage, wie die Lasten des Klimaschutzes verteilt werden. Entlastungen für eine Industrie bedeuten gleichzeitig zusätzliche Lasten für andere Industrien und private Haushalte. Angesichts sich kontinuierlich ändernder Rahmenbedingungen muss die Lastenverteilung regelmäßig überprüft werden. Der Senat setzt sich für einen sachgerechten Ausgleich der Interessen ein. 5. Die Stahlindustrie steht dem Ausstieg aus der Kohleverstromung sehr skeptisch gegenüber, während genau dies ein dediziertes Ziel des Senats ist. Wie wird dieser Konflikt im Rahmen der „Allianz“ behandelt beziehungsweise gelöst? Bitte detailliert erläutern. Bis Ende des Jahres 2018 soll die Bundesregierung einen Plan für den Kohleausstieg vorlegen, der auch Maßnahmen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland enthält. Daneben arbeitet Hamburg im Rahmen der Norddeutschen Energiewende (NEW 4.0) mit 60 Partnerinnen und Partnern aus Hamburg und Schleswig-Holstein, mit Beteiligung der Stahlbranche, am Energiesystem der Zukunft. Ziel ist es, skalierbare Musterlösungen für eine umweltfreundliche, sichere und bezahlbare Energieversorgung bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien zu entwickeln und zu demonstrieren und sich somit von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen. 6. Die „Allianz“ reklamiert für sich, die heimische Stahlindustrie vor einer Überflutung durch staatlich subventionierte Stahlimporte (ibs. aus Fernost ) schützen zu wollen. a) In welcher Weise und mit welchen Instrumenten kann der Senat hier – direkt oder im Wege über die „Allianz“ – unterstützend für die Stahlbranche aktiv werden und welche Maßnahmen genau sind geplant? Weltweite Überkapazitäten und Dumpingimporte von Stahlprodukten machen einen effektiven Handelsschutz notwendig, um den internationale Wettbewerb der Stahlhersteller fair zu gestalten. Über die Beteiligung Hamburgs an der „Allianz der Stahlländer “ sowie durch den Bundesrat kann Hamburg seine Standpunkte in Deutschland sowie der EU zusammen mit anderen Stahlländern präsentieren und sich für diese einsetzen. Die „Allianz der Stahlländer“ möchte sich in diesem Zuge zum Beispiel für ein verstärktes Einbringen der Bundesregierung im Globalen Stahlforum der G20 einsetzen . b) Wie werden sich solcherart geplante Maßnahmen mit dem parallelen Eintreten des Senats für einen Abbau von Handelsschranken gegenüber den USA und c) wie mit dem Werben um chinesische Investoren im Hamburger Hafen vertragen? Wie will der Senat solche Konfliktpotenziale entschärfen ? Die Freie und Hansestadt Hamburg vertritt eigene Wirtschaftsinteressen stets unter Berücksichtigung und in Abwägung möglicher Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen zu allen Partnerinnen und Partnern. Dies gilt auch mit Blick auf die Beziehungen zu den USA oder China. Von nennenswerten Auswirkungen auf die Beziehungen in Richtung eines oder beider dieser Länder wird jedoch nicht ausgegangen, da die Entscheidungen und Maßnahmen stets mit dem gebotenen Augenmaß erfolgen und generell auf den Erhalt bilateraler Beziehungen zielen. 7. Wann ist mit ersten konkreten Maßnahmen und Ergebnissen aus der „Stahl-Allianz“ zu rechnen und was ist mit dem in Saarbrücken von der „Allianz“ geforderten Instrument „staatlicher Hilfen“ sonst noch genau gemeint? Die „Allianz der Stahlländer“ hat nach der Dialogveranstaltung noch keinen Zeitplan formuliert. Drucksache 21/14997 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Sie setzt sich auf europäischer und nationaler Ebene für eine finanzielle Förderung von Forschung, Entwicklung und Umsetzung im industriellen Maßstab ein. Auf diesem Weg könnten innovative Projekte, wie die Herstellung von Stahl mithilfe der Wasserstoff -Metallurgie, die Methanisierung von CO2 mithilfe von Wasserstoff oder innovative Konzepte zur Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung, vorangetrieben werden. Die Industrie- und Stahlpolitik sollte innerhalb des künftigen Forschungsrahmenprogramms der EU angemessen verortet werden. Dabei sollte insbesondere die Förderung von neuen Produktionstechniken und Prozessinnovationen sowie der Wasserstoffstahlerzeugung mit besserer CO2-Bilanz sichergestellt werden. Die Stahlländer regen an, weitere Förderziele für die Industrie auf die Optimierung der Hochofen- und Elektroofenroute, die Prozessintegration, die Schaffung notwendiger Versorgungsund Infrastrukturen, die Nutzung von digitalen Technologien sowie die Stahlindustrie als Schlüsselfaktor in der Kreislaufwirtschaft auszurichten. Die „Allianz der Stahlländer “ wird die EU-Kommission gemeinsam auf diese Aspekte aufmerksam machen und darauf hinwirken, die Stahlindustrie angemessen zu berücksichtigen.