BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15006 21. Wahlperiode 20.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 13.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Ist die Polizei vor Risiken durch Carfentanyl geschützt? Auf dem illegalen Drogenmarkt werden weltweit kontinuierlich neue, vor allem synthetische Betäubungsmittel eingeführt. Relativ neu auf dem deutschen Rauschgiftmarkt ist das synthetische Opioid Carfentanyl. Ursprünglich wurde der Wirkstoff für die Veterinärmedizin zur Allgemeinanästhesie von Großwild, wie zum Beispiel Elefanten, entwickelt, jetzt wird er überwiegend in China produziert. Da die Droge über das Darknet weltweit vertrieben wird und es günstiger als Heroin ist, strecken Dealer gern mit dem Stoff ihr Angebot . Dies birgt ein massives Risiko in sich: Eine bereits geringfügig falsche Dosierung kann für den Menschen tödlich sein; die Aufnahme erfolgt über die Haut, Schleimhäute oder Atemwege. In den USA sterben jährlich rund 10.000 Menschen an Fentanyl beziehungsweise Carfentanyl, viele Polizisten mussten bereits wiederbelebt werden, weil sie mit dem Stoff in Kontakt gerieten . Glücklicherweise gibt es ein Gegenmittel namens Naloxon. Naloxon wird als Nasenspray dargereicht und gehört in den USA mittlerweile weitgehend zur Standardausrüstung von Polizisten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden sowie der Hamburgischen Landestelle für Suchtfragen über den Handel mit beziehungsweise Konsum von Carfentanyl in Hamburg vor? Zu Handel und Konsum von Carfentanyl: keine. Fentanyl spielt in Hamburg bislang eine untergeordnete Rolle. Im Jahr 2017 wurden zwei Fälle bekannt, in denen fentanylhaltige Pflaster durch medizinisches Pflegepersonal aus dem Bestand des Arbeitgebers entwendet beziehungsweise missbräuchlich benutzt wurden. In beiden Fällen waren die Tatverdächtigen auch die Konsumenten. Darüber hinaus wurden Ende 2017 zwei an einen Empfänger in Hamburg adressierte Postsendungen mit Methoxyacetal-Fentanyl sichergestellt. Hierbei handelt es sich nach hiesigem Kenntnisstand um die ersten Feststellungen von synthetischen Fentanyl-Derivaten in Hamburg. Carfentanyl ist in Hamburg bislang nicht sichergestellt worden. 2. Welche Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden darüber vor, wie viele Personen nach dem Konsum von beziehungsweise Kontakt mit Carfentanyl ärztlich behandelt werden mussten? Inwiefern sind Polizeibeamte im Rahmen der Ausübung ihres Dienstes bereits mit Carfentanyl in Verbindung geraten? Der Polizei ist kein Fall bekannt, in dem Polizeibeamte im Rahmen der Dienstausübung mit Carfentanyl in Verbindung geraten sind. Darüber hinaus liegen den potenziell betroffenen Behörden Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung nicht vor. Drucksache 21/15006 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Inwiefern gab und gibt es im laufenden Jahr in den Einrichtungen der stationären Suchthilfe Behandlungsfälle aufgrund des Konsums von Carfentanyl? 4. Inwiefern gab und gibt es im laufenden Jahr in den Einrichtungen beziehungsweise bei den Trägern der ambulanten Suchthilfe Behandlungsfälle aufgrund des Konsums von Carfentanyl? Träger der Suchthilfe berichten von Einzelfällen, in denen es zum Konsum von Fentanyl gekommen ist. Derartige Erkenntnisse zu Carfentanyl liegen nicht vor. Der Konsum von Carfentanyl beziehungsweise Fentanyl wird derzeit statistisch nicht erfasst. Nähere Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. 5. Gibt es eine Gefährdungsbeurteilung von Carfentanyl durch den Arbeitsmedizinischen Dienst Hamburg oder eine andere zuständige Stelle der Freien und Hansestadt Hamburg? Die Polizei der Freien und Hansestadt Hamburg hat sich im Seine einer Gefährdungsbeurteilung mit möglichen Risiken insbesondere für Einsatzkräfte und Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter der Kriminaltechnik befasst und Schutzmaßnahmen festgelegt. Der Arbeitsmedizinische Dienst Hamburg hat hierbei in Teilen beratend mitgewirkt. Der Prozess der Gefährdungsbeurteilung ist noch nicht abgeschlossen und wird fortgeführt . 6. Gibt es in Hamburg Handlungsempfehlungen für Polizisten und/oder andere Sicherheitskräfte zum Kontakt mit Carfentanyl? Wenn ja, welche? Wenn nein, welche Planungen bestehen hier seitens der zuständigen Behörden? Im April 2018 wurden durch das Landeskriminalamt (LKA 32 – Fachbereich Chemie/ Toxikologie) Hinweise und Verhaltensgrundsätze zum Umgang mit Fentanyl-Derivaten und entsprechenden Verdachtsmomenten veröffentlicht. In diesem Zusammenhang werden allgemeine Sicherheitsvorkehrungen benannt, die wie folgt lauten: - persönliche Schutzausrüstung wie Handschuhe, Augenschutz und FFP3- Atemschutzmaske (geeignet, um das Einatmen von Fentanyl-Derivaten zu unterbinden und gehört zur Grundausstattung des Funkstreifenwagens) tragen, - Verpackungen nicht öffnen, - Staubbildung vermeiden und - beim Versand an eine andere Dienststelle unbedingt auf den Verdacht des Vorliegens eines Fentanyl-Derivates hinweisen. Unabhängig davon sind in der Polizeidienstvorschrift „Vorschrift für den täglichen Dienst“ (PDV 350 (HH)) und den Leitfäden (LF) „Eigensicherung“ (LF 371) und „Gefahren durch chemische, radioaktive und biologische Stoffe“ (LF 450) umfangreiche und detaillierte Handlungsanweisungen niedergelegt, die unter anderem den Umgang mit gefährlichen Stoffen abschließend regeln. Zudem befinden sich Atemmasken, Schutzanzüge und Überschuhe als Grundausstattung auf jedem Funkstreifenwagen. Nicht immer sind Einsatzkräfte in der Lage, die Gefährlichkeit einer Situation oder eines Stoffes bereits im Vorwege zu erkennen; in der Lebenswirklichkeit werden die Einsatzkräfte zumeist unvermittelt damit konfrontiert. Für solche Anlässe stehen besonders geschulte und ausgestattete Kräfte der Wasserschutzpolizei (WSP 5) und der Feuerwehr (FW/Umweltdienst) zur Verfügung. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr Hamburg wurden über die Rettungsdienstkoordinatoren sensibilisiert und geschult. 7. Gibt es in Hamburg Schutzmaßnahmen oder eine standardmäßige Ausstattung der Sicherheitskräfte gegen Risiken durch Carfentanyl, wie beispielsweise Naloxon als Nasenspray? Wenn ja, welche? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15006 3 Wenn nein, welche Planungen bestehen hier seitens der zuständigen Behörden? Nein. Die Risiken durch Carfentanyl und durch unsachgemäße Anwendung von Naloxon sind gegeneinander abzuwägen. Nach derzeitigem Diskussionsstand wird nur eine Ausstattung einzelner besonders gefährdeter Personengruppen innerhalb der Polizei weiterhin in Erwägung gezogen. Die Polizei führt auf Funkstreifenwagen Atemschutzmasken, Schutzanzüge und Überschuhe als Grundausstattung mit. Die einzelnen Polizeibediensteten sind zudem angehalten, ihre persönliche Schutzkleidung (Handschuhe, Augenschutz, Atemschutzmaske ) zu tragen, sofern entsprechende Risiken erkannt werden. Für die Feuerwehr ist keine gesonderte Gefährdungsanalyse vorgesehen. Das Referat „Sicherheitsmanagement“ ist nach Prüfung zum Ergebnis gekommen, dass das Risiko der Gefährdung von Rettungsdienstkräften deutlich geringer ausfallen dürfte als das Risiko für Polizeikräfte, die größere Mengen dieser Droge beschlagnahmen oder zur Analyse aufbereiten. Der Einsatzdienst der Feuerwehr wurde von der für Gefahrstoffe zuständigen Technik- und Umweltwache über den sachgemäßen Umgang mit diesen Substanzen informiert.