BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15021 21. Wahlperiode 20.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Jens Wolf (CDU) vom 14.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Verständliche Behördensprache „Ob lange, verschachtelte Bandwurmsätze, umständliche und passive Formulierungen , Fachwörter – vieles macht das Lesen von Behördenbriefen zur Qual“, heißt es in einem Artikel der „Berliner Morgenpost“ (https://www.morgenpost.de/brandenburg-aktuell/article118202168/Wie-aus- Behoerdendeutsch-eine-verstaendliche-Sprache-wird.html). Tatsächlich gaben in einer repräsentativen Studie aus dem Jahre 2009 rund 86 Prozent der befragten Bürger an, mit dem Verständnis von „Beamtendeutsch“ beziehungsweise der „Behördensprache“ Schwierigkeiten zu haben (vergleiche https://www.abendblatt.de/vermischtes/article106794326/Viele-Deutscheverstehen -die-Behoerdensprache-nicht.html). Dass dieses Thema nicht an Aktualität verloren hat, zeigen die Aussagen der Bürgerbeauftragten Schleswig -Holsteins, die erst jüngst die Verwaltung zu einer größere Bürgerfreundlichkeit und zur Einhaltung der (bürgerfreundlichen) Informations- und Beratungspflichten ermahnte (http://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig- Holstein/Beauftragte-mahnt-Verwaltung-nicht-buergerfreundlich-genug). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Anfragen, Beschwerden, Widersprüche und Klagen von Bürgern beruhten in den Jahren 2016, 2017 und bisher 2018 darauf, dass die Gesetzes- oder „Behördensprache“ nicht verstanden wurde? Bitte nach Jahren, Behörden und aufgeführten Kategorien (Anfragen, Beschwerden, Widersprüche und Klagen) aufgliedern. Um Auskünfte beziehungsweise Bescheide von welcher Behörde beziehungsweise welchen Bezirksämtern handelte es sich dabei jeweils? 2. Wie viele Beratungsgespräche wurden von welcher Behörde beziehungsweise welchen Bezirksämtern in den Jahren 2016, 2017 und bisher 2018 jeweils geführt, um die Gesetzeslage oder Verwaltungsentscheidungen zu erläutern? 3. Kann der Senat beziffern beziehungsweise zumindest einschätzen, wie groß das Aufkommen von Beratungsgesprächen, Anfragen, Beschwerden , Widersprüchen und Klagen, die auf Schwierigkeiten hinsichtlich des Verständnisses der „Behördensprache“ zurückzuführen sind, am jeweiligen Gesamtaufkommen ausmachen? Wenn ja, wie? Die erfragten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Für eine Einzelfallauszählung müsste der gesamte Aktenbestand der Behörden und Ämter für die Jahre 2016 bis 2018 ausgewertet werden, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Drucksache 21/15021 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Sieht der Senat generellen und in manchen Bereichen besonderen Handlungsbedarf hinsichtlich der in Rede stehenden Thematik? Wenn ja, in welchen Bereichen beziehungsweise bei welchen Behörden wird besonderer Handlungsbedarf gesehen? Wenn nein, warum nicht? 5. Welche Projekte und Maßnahmen hat der Senat und haben insbesondere die Bezirksämter im Detail durchgeführt beziehungsweise planen sie durchzuführen, um die durch den Gesetzgeber und die Verwaltung verwendeten Formulierungen leichter verständlich werden zu lassen? Dem Senat ist die Bedeutung des Themas bewusst und sieht es als Daueraufgabe an, in allen Bereichen die jeweiligen Texte dahin gehend zu optimieren, dass sie sowohl rechtssicher als auch adressatengerecht sind. Anlassbezogen wird die Thematik behördenspezifisch vertieft. So sieht zum Beispiel die Behörde für Schule und Berufsbildung etwa aktuell Handlungsbedarf bei den Formularen zur Beantragung von außerunterrichtlichen Lernhilfen, Gutachten, Förder- und Hilfeplänen und bei Schreiben zur Bewilligung von Schulbegleitungen. Unabhängig von der Beratungspflicht nach § 25 Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz ist es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) selbstverständlich, die Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte aufzuklären , ihnen die Rechtslage zu erläutern und sich dabei verständlich auszudrücken . Darüber hinaus sieht der Hamburger Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unter anderem für die Behörden und Ämter der FHH verpflichtend vor, dass sie prüfen, ob beziehungsweise welche Teile der jeweiligen Informationsangebote in sogenannte Leichte Sprache übersetzt und veröffentlicht werden können. Dieser Auftrag umfasst sowohl Broschüren, Merkblätter et cetera, die elektronisch zur Verfügung gestellt werden, als auch solche in Papierform, siehe http://www.hamburg.de/veroeffentlichungen-behinderung/3919538/ landesaktionsplan-behinderung/). Dafür steht den Behörden und Ämtern im Intranet ein Arbeitsbereich „Leichte Sprache“ mit Arbeitshilfen und Checklisten zur Verfügung. Die Umsetzung dieses Auftrages ist ein dauerhafter Prozess. Im Übrigen siehe Anlage . Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15021 3 Anlage Personalamt Geplant ist eine Inhouse-Schulung im Januar 2019 zur verständlichen Behördensprache. Das Zentrum für Aus- und Fortbildung bietet regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen zu diesem Themenkomplex für alle Beschäftigten der Verwaltung an und hat diese in den vergangenen Jahren durchgeführt, die von den Beschäftigten der Behörden und Ämter besucht werden. Für 2019 sind folgende Veranstaltungen als zentrale Fortbildungsangebote geplant: - Leichte Sprache (1 Tag), - Schreiben leicht gemacht (6 Tage), - Professionelle Web- und Intranettexte schreiben (2 Tage), - Kundenfreundliche Korrespondenz (2 Tage). Bezirksamt Eimsbüttel Es wurden und werden Veröffentlichungen in "Leichter Sprache" (z. B. Bereiche Jugend (Familienratsbüro Eimsbüttel), Gesundheit, Bildung/Teilhabe, Obachtverfahren) erstellt. Bezirksamt Harburg Das Bezirksamt Harburg beteiligt sich an generellen Vorhaben zur Einführung verständlicher Sprache in der FHH-Verwaltung – beispielsweise im Rahmen des Projekts HHbiT der Senatskanzlei zur Einführung sogenannter leichter Sprache in Online-Medien der Stadt. In dem Zusammenhang sollen sukzessive auch Publikationen und Online-Angebote der Bezirksämter in leichte Sprache umgesetzt werden. Justizbehörde Aktuell befinden sich fünf Publikationen in der Übersetzung in Leichte Sprache. Es handelt sich um die Broschüren zur Prozessbegleitung für Opfer von Straftragen, zur Vermittlung im Güteverfahren an Hamburger Gerichten sowie drei Informationsblätter für Besucher von (Untersuchungs-) Gefangenen in der UHA, der JVA Billwerder und der JVA Fuhlsbüttel . Behörde für Schule und Berufsbildung Ab 2018: Gastbeitrag für Hamburg macht Schule - Praxisbeispiel für die Nutzung leicht verständlicher Sprache im Zusammenhang mit Schule. Nutzung von Dienstbesprechungen für Schulleitungen - Sensibilisierung für Mitteilungen und Elternbrief in verständlicher Sprache. Information der Amtsleitungen an die Referate - Sensibilisierung für die Prüfung von Schreiben, Formularen etc. für Eltern auf gute Verständlichkeit. Bereitstellung von Texten in leicht verständlicher Sprache - Transfer von Schreiben in leicht verständlicher Sprache für Menschen mit eingeschränkten Kompetenzen in der Verkehrssprache Deutsch. Seit 2016: Arbeitsgruppe leicht verständliche Sprache - innerhalb der für Bildung zuständigen Behörde treffen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Ideenentwicklung und Umsetzungsplanung. Behörde für Kultur und Medien Es steht ein Merkblatt zur Förderrichtlinie für inklusive Kulturprojekte in leichter Sprache zur Verfügung, siehe dazu https://www.hamburg.de/contentblob/9035986/ 8d6823cadfe39edf1f58f7d34f88fe02/data/integrativ-leichte-sprache-infos-ueber-geld.pdf. Behörde für Arbeit, Soziales , Familie und Integration Bis Ende 2019: AG Dokumente im Rahmen des Einführungsprojektes POZSOZ - Das bisher genutzte Sozialhilfefachverfahren PROSA wird im Jahr 2019 durch eine neue Software abgelöst. In diesem Zuge überprüft die BASFI alle Vorlagen für Bescheide und Schreiben. Neben der Überprüfung der Rechtskonformität wird damit auch das Ziel verfolgt, verständlichere Formulierungen zu verwenden. Laufend Informationen in leichter Sprache vorhalten: Ergänzend zum Auftrag aus der UN-Behindertenrechtskonvention, der alle Behörden und Bezirksämter dazu verpflichtet Informationen in Leichter Sprache vorzuhalten, hat die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration damit begonnen, sukzessive alle Publikationen in Hinblick auf ihre Verständlichkeit zu überarbeiten. 2016: Broschüre "Freiwillig helfen in Hamburg" - Eine Broschüre, die in leichter Sprache verfasst wurde, um einen Überblick über die Möglichkeiten und Anlaufstellen des freiwilligen Engagements in Hamburg zu geben. 2016-2019: Fortbildungsveranstaltung "Leichte Sprache" - Fortbildung in Leichter Sprache für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hamburger Opferschutzeinrichtungen . Leichte Sprache bei Jobcenter t.a.h. und Jugendberufsagentur: Die Internetauftritte beider Träger (FHH sowie Bundesagentur für Arbeit) sind beide in leichter Sprache verfasst. Auch die gemeinsame Jugendberufsagentur Hamburg stellt ihren Onlineauftritt in einfacher Sprache zur Verfügung. Darüber hinaus werden einige Publikationen , z. B. zum Hamburger Bildungspaket (BuT), in leichter Sprache verfasst. 2018: Schulung der Beschäftigten im Rahmen des Arbeitskreises Öffentlichkeitsarbeit zum Thema „Einfache Sprache“ - Die vermittelten Inhalte waren u.a. die Unterscheidung von „Einfacher Sprache“ und „Leichter Sprache“ sowie deren Zielgruppen und das Erkennen von Barrieren im Text und in Informationen. Behörde für Umwelt und Kostenlos geförderte Energieberatung, Informationsveranstaltungen. Bereits seit 2008 Verankerung der bürgerfreundlichen Sprache in Schreiben und Drucksache 21/15021 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Energie E-Mails an Bürgerinnen und Bürger in der Geschäftsordnung, flankiert durch Schulungen . Seit 2016: Broschüren in Leichter Sprache "Müll trennen lohnt sich" und "Alte Medikament gehören in den Restmüll“. Behörde für Inneres und Sport Polizei: - Erstellen von Materialien (Informations- und Faltblätter, Broschüren, Präsentationen ) aus den Arbeitsbereichen Polizeiliche Kriminalprävention, Polizeilicher Opferschutz , Ansprechpersonen der Polizei Hamburg für LSBTI* für interne und externe Zielgruppen. In allen Arbeitsbereichen spielt die Verwendung einer adressatengerechten Sprache eine zentrale Rolle. Im Bereich des Polizeilichen Opferschutzes wird dies sogar gesetzlich gefordert (vgl. §§ 406i und 406j StPO). - Übersetzungen von Materialien für externe Zielgruppen in "Leichte Sprache" (speziell geregelte einfache Sprache). Grundsätzlich werden die Materialien aller Arbeitsbereiche explizit auf Allgemeinverständlichkeit (für die jeweilige Zielgruppe ) geprüft. Dies betrifft auch die bundesweit zum Einsatz kommenden Materialien aus dem Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK), an deren Erstellung die Dienststelle im Rahmen der Bund- Länder-Zusammenarbeit beteiligt ist. Bisher wurden drei Print-Materialien der Polizeilichen Kriminalprävention in "Leichte Sprache" übersetzt: 1. Faltblatt zum Verhalten in herausfordernden Situationen 2. Faltblatt zum Thema "Einbruchschutz" 3. Faltblatt zum Thema "Taschendiebstahl" Veröffentlicht wurde bisher lediglich das unter 1. genannte Produkt; die Produkte zu 2. und 3. befinden sich derzeit in der Layouterstellung. Der Landesbetrieb Verkehr führt regelmäßig Kundenumfragen durch und setzt die Verbesserungsvorschläge der Kunden bezüglich "verständlicherer" Behördensprache auf den Internetseiten des LBV (www.hamburg.de/lbv und Https://www.lbvtermine .de/LBV/) um. Ebenfalls wird regelmäßig intern und durch Austausch mit dem Telefonischen Hamburg Service die Bedienbarkeit, die Verständlichkeit und die Informationssuche auf den Internetseiten evaluiert und verbessert. Finanzbehörde Lenkungskreis „Bürgernahe Sprache“ - Die Finanzministerinnen und Finanzminster der Länder haben sich auf der Finanzministerkonferenz (FMK) am 25. Mai 2018 dafür ausgesprochen , eine gemeinsame Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft einzurichten, die die Dienstleistungsorientierung und Bürgerfreundlichkeit noch stärker als bisher in der Finanzverwaltung verankern soll und insbesondere eine bürgernahe und geschlechtergerechte Sprache nachhaltig etablieren soll. In einer Auftaktveranstaltung im Juli 2018 haben die Amtsleitungen (Steuer) des Bundes und der Länder eine bereichsübergreifende länderoffene AG (Lenkungskreis "Bürgernahe Sprache") eingerichtet, die den Beschluss der FMK in die Tat umsetzen soll. Bereits erkannte Handlungsfelder: Überarbeitung der bundeseinheitlichen Vordrucke, der Erläuterungshinweise im Steuerbescheid, der Erklärungsvordrucke im Sinne einer bürgerfreundlichen und geschlechtergerechten Sprache; frühe Einbindung des "Redaktionsstabs Rechtssprache" im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz ; Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen, Erstellung eines Rahmenkatalogs , was bei Texten zu beachten ist.