BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15022 21. Wahlperiode 20.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Jens Wolf (CDU) vom 14.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Außer „Rand und Band“? – Steigende Zahlen bei den Inobhutnahmen durch die Jugendämter? Ein aktueller Beitrag aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ weist darauf hin, dass „die Zahl der Inobhutnahmen rasant gestiegen“ sei. Auf Bundesebene wird seitens der Politik sogar die Einführung einer „unabhängige(n) Kommission zur Aufarbeitung gravierender Missstände in der Kinder- und Jugendhilfe gefordert“ (http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kritik-an-immermehr -inobhutnahmen-durch-jugendamt-15202550.html). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Daten sind der Bundesjugendhilfestatistik zu vorläufigen Schutzmaßnahmen entnommen . Diese amtliche Statistik gibt Auskunft über die im jeweiligen Berichtsjahr beendeten Inobhutnahmen und beinhaltet gegebenenfalls auch eine wiederholte Inobhutnahme innerhalb eines Berichtsjahres. Die Statistik weist ausschließlich Daten der Länder aus, sodass Bezirkszahlen nicht genannt werden können. Die Ergebnisse des Berichtsjahres 2018 werden erst in der zweiten Jahreshälfte 2019 veröffentlicht. In dieser Statistik werden seit dem Berichtsjahr 2017 vorläufige Schutzmaßnahmen gemäß § 42a SGB VIII sowie reguläre Schutzmaßnahmen gemäß § 42 SGB VIII gemeinsam erfasst. Hier durch sind Doppelzählungen möglich, wenn ein Jugendlicher zunächst nach § 42a SGB VIII und im Anschluss nach § 42 SGB VIII in Obhut genommen wurde. Sofern Sachverhalte erfragt werden, die nicht den Ergebnissen der Bundesjugendhilfestatistik entnommen werden können, ist eine Beantwortung nicht möglich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Inobhutnahmen haben in den Jahren 2016, 2017 und bisher 2018 in welchen Bezirken stattgefunden? Bitte nach Jahren und Bezirken aufgliedern. 2. Dem vorgenannten Beitrag war zu entnehmen, dass bundesweit ein beachtlicher Anteil der Inobhutnahmen auf minderjährige unbegleitete Flüchtlinge entfalle. Wie groß ist der Anteil der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge an den Inobhutnahmen in Hamburg in absoluten Zahlen und prozentual jeweils? Bundesstatistik zu beendeten vorläufigen Schutzmaßnahmen – Ergebnis Hamburg 2016 2017 Gemäß § 42 SGB VIII 2.140 1.826 Davon gemäß § 42a SGB VIII 0 388 Gesamtergebnis 2.140 2.214 Drucksache 21/15022 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bundesstatistik zu beendeten vorläufigen Schutzmaßnahmen – Ergebnis Hamburg 2016 2017 Davon Inobhutnahme wegen unbegleiteter Einreise aus dem Ausland 934 897 Anteil in Prozent der Gesamtmenge 44% 41% Quelle: Bundesjugendhilfestatistik Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Welcher Altersklasse (null – drei, vier – sechs, sechs – zehn, elf – 16 beziehungsweise 16 – 18 Jahre) gehörten die in den Jahren 2016, 2017 und bisher 2018 in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen jeweils an? 4. Welche Altersklassenverteilungen ergeben sich jeweils, wenn zwischen minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen und anderen betroffenen Kindern und Jugendlichen differenziert wird? 2016 2017 Altersgruppen insgesamt mit Veranlassung wegen unbegleiteter Einreise insgesamt mit Veranlassung wegen unbegleiteter Einreise unter 3 Jahre 159 0 158 1 3- unter 6 Jahre 95 1 66 0 6- unter 9 Jahre 92 8 72 5 9- unter 12 Jahre 99 19 100 6 12- unter 14 Jahre 182 60 172 30 14- unter 16 Jahre 487 208 697 351 16- unter 18 Jahre 1026 638 949 504 Gesamt 2.140 934 2.214 897 Quelle: Bundesjugendhilfestatistik Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Auf welchen Gründen beruhten diese Inobhutnahmen? Bitte der Antwort zu 1. zuordnen. Bitte insbesondere beantworten, wie häufig die Inobhutnahmen a. auf Bitten der Kinder und Jugendlichen (§ 42 Absatz 1 S. 1 Nummer 1 SGB VIII), b. aufgrund der Bejahung einer dringenden Gefahr für das Wohl des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen und fehlenden Widerspruchs der Personensorgeberechtigten (§ 42 Absatz 1 S. 1 Nummer 2 lit. a SGB VIII), c. aufgrund der Bejahung einer dringenden Gefahr für das Wohl des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen und der nicht rechtzeitigen Möglichkeit der Einholung einer familiengerichtlichen Entscheidung (§ 42 Absatz 1 S. 1 Nummer 2 lit. b SGB VIII), d. aufgrund der Voraussetzungen des § 42 Absatz 1 S. 1 Nummer 3 SGB VIII erfolgten. Veranlassung der Inobhutnahme durch 2016 2017 Kind/Jugendlichen selbst 1.222 596 andere Stellen oder Personen 918 1.618 Gesamtergebnis 2.140 2.214 Quelle: Bundesjugendhilfestatistik Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15022 3 In der Bundesjugendhilfestatistik wird ausgewiesen, ob eine Inobhutnahme durch das Kind beziehungsweise den Jugendlichen selbst oder durch andere Stellen angeregt wird. Eine weitere Unterscheidung erfolgt hierbei nicht. Seit dem Berichtsjahr 2017 wurde die Statistik geändert und zwischen einer „vorläufigen “ und „regulären“ Inobhutnahme unterschieden. Deshalb sind die Daten für die Jahre 2016 und 2017 nicht miteinander vergleichbar. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. In welchen der obigen Fälle wurde von der „Wegnahme-Befugnis“ des § 42 Absatz 1 S. 2 Hs. 2 SGB VIII Gebrauch gemacht? 7. Wie häufig wurden andere Stellen in den Jahren 2016, 2017 und bisher 2018 jeweils hinzugezogen, um unmittelbaren Zwang ausüben zu können (vergleiche § 42 Absatz 6 SGB VIII)? 8. In wie vielen Fällen musste unmittelbarer Zwang welcher Art angewendet werden? 9. Wie viele Angriffe welcher Art gab es auf Mitarbeiter des Jugendamtes in welchen Bezirken – im Rahmen obiger Maßnahmen – in den genannten Jahren? 10. Wie häufig kam es zu Tätlichkeiten gegen „Hinzugezogene“ nach § 42 Absatz 6 SGB VIII? Die erbetenen Informationen werden in Hamburg nicht einheitlich erfasst. Eine Beantwortung der Frage bedarf der Durchsicht von über 4.000 Akten. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 11. Wie viele Kinder und Jugendliche wurden darauffolgend jeweils untergebracht a. bei einer „geeigneten Person“ im Sinne des § 42 Absatz 1 S. 2 SGB VIII? b. in einer „geeigneten Einrichtung“ im Sinne des § 42 Absatz 1 S. 2 SGB VIII? c. in einer „sonstigen Wohnform“ im Sinne des § 42 Absatz 1 S. 2 SGB VIII? Worum handelte es sich dabei jeweils? 2016 2017 Bei einer geeigneten Person 60 61 In einer Einrichtung 2043 2.107 In einer sonstigen betreuten Wohnform 37 46 Gesamtergebnis 2.140 2.214 Quelle: Bundesjugendhilfestatistik In der Bundesstatistik werden die Unterbringungen in den drei oben dargestellten Kategorien erfasst. „Sonstige betreute Wohnformen“ sind pädagogisch betreute Wohngruppen von Heimen, pädagogisch betreute selbstständige Wohngemeinschaften sowie eigene Wohnungen, sofern die Unterbringung als Hilfe zur Erziehung erfolgt ist (Quelle: Erläuterung zum Fragebogen zur Bundesstatistik). Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 12. Wie viele Inobhutnahmen endeten in den Jahren 2016, 2017 und 2018 a. nach § 42 Absatz 4 Nummer 1 SGB VIII? b. nach § 42 Absatz 4 Nummer 2 SGB VIII? Laut Bundesstatistik sind im Jahr 2016 344 Minderjährige nach Beendigung der Inobhutnahme zu den Personensorgeberechtigten zurückgekehrt. 1.735 Minderjährige haben Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch erhalten. Drucksache 21/15022 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Laut Bundesstatistik sind im Jahr 2017 378 Minderjährige nach Beendigung der Inobhutnahme zu den Personensorgeberechtigten zurück gekehrt. 1.253 Minderjährige haben Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch erhalten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 13. Wie bewertet der Senat die derzeitige Praxis der Jugendämter hinsichtlich der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen? 14. Sieht der Senat Änderungsbedarf in der Inobhutnahmepraxis der Jugendämter? Wenn ja, welchen? Wenn nein, warum nicht? Es wurden in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Stabilisierung und Qualifizierung des ASD durchgeführt. Mit dem eingeführten und zertifizierten Qualitätsmanagementsystem gelten für alle ASD-Fachkräfte hamburgweit einheitliche fachliche Standards im Kinderschutz. Damit ist sichergestellt, dass die Fachkräfte mit hoher Handlungssicherheit und Fachlichkeit Inobhutnahmen durchführen können. Im Übrigen siehe Drs. 21/741 und 21/9187.