BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15050 21. Wahlperiode 23.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Deniz Celik und Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 15.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Verhältnisse im Maßregelvollzug Gemäß § 64 StGB können Personen, die die Neigung haben, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen und wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen haben oder die auf ihre Neigung zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt werden, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist. In diesen Fällen soll das Gericht bei Gefahr weiterer Straftaten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen. Gemäß § 67d I Satz 1 StGB darf diese Unterbringung zwei Jahre nicht übersteigen. Sämtliche in Hamburg nach § 64 StGB untergebrachten Menschen befinden sich im Asklepios Klinikum Ochsenzoll. Mehrfach ist es in letzter Zeit zu Beschwerden über die dortigen Zustände gekommen. Anwälte/-innen und im Maßregelvollzug befindliche Menschen beschwerten sich darüber, dass zum Beispiel die ersten sechs Wochen der Unterbringung im Maßregevollzug lang kein Besuch empfangen werden dürfe, Fernsehen bei vielen Untergebrachten nicht alleine, sondern lediglich in der Gruppe genehmigt werde und Untergebrachte für zwei Drittel der Zeit der Unterbringung nicht therapiert würden und demzufolge, über die Zeit der ursprünglichen zwei Jahre hinaus, weitere Zeit im Maßregelvollzug verbringen müssten. In der Erledigerstation würde die gesamte Zeit Videoüberwacht – auch in den Einzelräumen, in denen die Untergebrachten schlafen und zum Teil auf die Toilette gehen beziehungsweise in Enten urinieren müssen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Informationen der Asklepios Klinik Nord wie folgt: 1. Wie viele Menschen befinden sich zurzeit in Hamburg im Maßregelvollzug ? (Bitte aufschlüsseln nach § 63 und § 64 StGB.) Derzeit (Stichtag: 20.11.2018) sind in der Klinik für Forensische Psychiatrie der Asklepios Klinik Nord/Ochsenzoll 224 Personen nach § 63 StGB und 62 Personen nach § 64 StGB untergebracht. 2. Wie viele Menschen befanden sich seit 2010 in Hamburg im Maßregelvollzug (bitte aufschlüsseln nach Jahr und § 63 und 64 StGB.) Jahr Behandelte Personen gemäß § 63 StGB je Jahr gemäß § 64 StGB je Jahr 2010 230 66 2011 251 71 2012 253 74 Drucksache 21/15050 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Jahr Behandelte Personen gemäß § 63 StGB je Jahr gemäß § 64 StGB je Jahr 2013 256 69 2014 259 84 2015 242 90 2016 225 87 2017 226 86 Quelle: Jahresberichte der Asklepios Klinik Nord, Klinik für Forensische Psychiatrie 3. Wie hat sich die durchschnittliche Verweildauer für die Jahre 2017 und 2018 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach § 63 und 64 StGB.) Die durchschnittliche Verweildauer (ab Rechtskraft des Beschlusses/Urteils beziehungsweise späterer Aufnahme in die Maßregelvollzugseinrichtung) betrug a) im Jahr 2017 für stationäre Patientinnen und Patienten (Stichtag: 31.12.2017) • nach § 63 StGB: 76,8 Monate, • nach § 64 StGB: 17,5 Monate, b) im Jahr 2018 für stationäre Patientinnen und Patienten (Stichtag: 19.11.2018) • nach § 63 StGB: 81,2 Monate, • nach § 64 StGB: 16,9 Monate. 4. Wie hat sich die Aufenthaltsdauer der nach § 63 StGB Untergebrachten in den Jahren 2017 und 2018 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach jeweiliger Anzahl der Patienten/-innen mit einer Aufenthaltsdauer bis vier Jahre, von fünf bis neun Jahren, zehn – 14 Jahren, 15 – 20 Jahren, 20 – 30 Jahren, über 30 Jahre, lebenslänglich.) Unterbringungsdauer Untergebrachte Personen Stichtag 31.12.2017 Stichtag 19.11.2018 ≤ 4 Jahre 111 116 5 – 9 Jahre 60 57 10 – 14 Jahre 19 25 15 – 20 Jahre 11 9 20 – 30 Jahre 5 7 > 30 Jahre 2 3 lebenslänglich 0 0 Quelle: Asklepios Klinik Nord 5. Wie viel Behandlungspersonal (bitte getrennt nach Ärzten/-innen, Therapeuten /-innen, Pflegepersonal, Pädagogen/innen, Psychologen/innen, Sozialarbeitern/-innen und Wachdiensten aufzählen) ist im Maßregelvollzug beschäftigt? (Bitte aufschlüsseln nach § 63 und 64 StGB.) Nach dem im Rahmen der jährlichen Entgeltverhandlungen mit der Asklepios Klinik Nord vereinbarten Stellenplan stellt sich die Personalausstattung der Maßregelvollzugseinrichtung in Hamburg für das Jahr 2018 wie folgt dar: Dienstart Berufsgruppe Vollkräfte Ärztlicher Dienst Ärztinnen und Ärzte 23,65 Pflegedienst Pflegekräfte 328,06 Medizinisch-technischer Dienst Psychologinnen und Psychologen 16,30 Pädagoginnen und Pädagogen 4,50 Funktionsdienst Beschäftigungstherapeutinnen und -therapeuten 21,47 Bewegungstherapietherapeutinnen und -therapeuten 5,29 Sozialarbeiterinnen und -arbeiter 11,64 Angestellte für Textverarbeitung 5,00 Verwaltungsdienst Verwaltungskräfte 3,50 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15050 3 Dienstart Berufsgruppe Vollkräfte Summe 419,41 Die Personalbemessung differenziert nicht nach Unterbringungsarten (§§ 63, 64 StGB). Die Aufgaben des zusätzlich zum voranstehend aufgeführten Personalkörper eingesetzten Wachdienstes beschränken sich auf die Zugangs- und Besucherkontrolle . 6. Wie haben sich die Zuwendungen für den Maßregelvollzug in den Jahren 2017 und 2018 entwickelt und welche Summen sind für die Jahre 2019 und 2020 veranschlagt? Die Maßregelvollzugseinrichtung erhält keine Zuwendungen beziehungsweise freiwilligen Leistungen im Sinne von § 46 LHO. Die Ausgaben für die Erstattung von Kosten der Unterbringungen nach §§ 63, 64 StGB lagen im Jahr 2017 bei 35,598 Millionen Euro. Die Ansätze der gesetzlichen Leistung Maßregelvollzug werden den tatsächlichen Ausgaben angepasst und haben sich wie folgt entwickelt: Jahr Ansatz in Mio. Euro 2017 38,894 2018 41,229 2019 37,119* 2020 37,839* * Haushaltsplan-Entwurf 2019/2020 7. Wie hoch sind die Kosten im Maßregelvollzug pro Therapieplatz? Für das Jahr 2018 sind je Therapieplatz Kosten in Höhe von 123.000 Euro pro Jahr kalkuliert. 8. Wie hoch ist die monatliche Vergütung der Ärzte/-innen? Wie hoch ist die Vergütung des Leitenden Arztes? Nach Prüfung des Jahresabschlusses für das Wirtschaftsjahr 2017 lag die Durchschnittsvergütung der 434,81 Vollkräfte im ärztlichen Dienst der Asklepios Klinik Nord im Jahr 2017 bei 107.510 Euro. Der zuständigen Behörde liegen keine Angaben über die Vergütung einzelner Ärztinnen und Ärzte der Asklepios Klinik Nord vor. 9. Gibt es eine Sollzahl, wie viele Menschen im Maßregelvollzug untergebracht sein sollen? Nein. 10. Werden Vergütungen gezahlt, die sich an der Anzahl der im Maßregelvollzug Untergebrachten orientieren? Nein. 11. Ab welchem Zeitpunkt beginnt die Therapie der im Maßregelvollzug Untergebrachten? (Bitte von 2010 bis heute nach Jahren aufschlüsseln.) a. In der Regel b. In Ausnahmefällen Entsprechend den Vorgaben nach § 9 HmbMVollzG wird für rechtskräftig aufgenommene Personen unverzüglich nach der Aufnahmeuntersuchung ein vorläufiger Plan über die vorgesehenen Untersuchungen und Behandlungen aufgestellt. Innerhalb von sechs Wochen nach der Aufnahme wird für die untergebrachte Person unter Berücksichtigung ihrer Erkrankung, ihrer Persönlichkeit, ihres Alters, ihres Entwicklungsstandes , ihrer Lebensverhältnisse und ihrer Gefährlichkeit für die Allgemeinheit ein Behandlungs- und Eingliederungsplan über die während des Maßregelvollzugs vorgesehenen Maßnahmen aufgestellt. 12. Gibt es Gründe, die einen sofortigen Therapiebeginn verhindern könnten ? Drucksache 21/15050 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn ja, welche? Sowohl für rechtskräftig nach § 64 StGB aufgenommene Personen als auch für Personen in einstweiliger Unterbringung nach § 126a StPO wird unmittelbar nach Aufnahme auf der Akut- und Aufnahmestation mit der umfassenden Therapie begonnen. Dies beinhaltet nicht nur eine sorgfältige ärztliche Untersuchung und anschließende Diagnostik, sondern auch die Teilnahme an den gruppentherapeutischen Angeboten der Station und den Beginn der Einzelpsychotherapie. Sollten Patientinnen beziehungsweise Patienten aufgrund der Schwere der bei ihnen vorliegenden Erkrankung nicht in der Lage sein, an allen therapeutischen Angeboten von Beginn an teilzunehmen , wird nach Einschätzung der vorliegenden Situation in den wöchentlichen Visiten gegebenenfalls eine Reduktion der Therapieeinheiten vorgenommen. 13. In wie vielen Fällen übersteigt die Unterbringung im Maßregelvollzug (nach § 64 StGB) eine als Strafe verhängte Haftzeit? Es wird kein statistischer Vergleich zwischen Höhe einer ausgeurteilten Freiheitsstrafe beziehungsweise deren Vollstreckung und des zeitlichen Umfangs des Vollzugs einer Maßregel nach § 64 StGB geführt. Zur Beantwortung der Fragen müssten daher sämtliche Verfahren ausgewertet werden, in welchen im Vorgangs- und Verwaltungssystem MESTA die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt notiert ist. Eine Auswertung für den Zeitraum 2010 bis heute hat vorbehaltlich der vollständigen und richtigen Erfassung ergeben, dass 254 Fälle einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verzeichnet sind. Eine Beiziehung und Auswertung dieser Akten ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . 14. Dürfen im Maßregelvollzug untergebrachte einen eigenen Fernseher haben? Aus welchen Gründen kann ein eigener Fernseher verweigert werden? Nach § 14 HmbMVollzG ist die untergebrachte Person berechtigt, „Gegenstände für den persönlichen Gebrauch in angemessenem Umfang in ihrem Wohn- und Schlafbereich zu haben. (…) Der Besitz von Bild-, Ton- und Datenträgern kann davon abhängig gemacht werden, dass die untergebrachte Person ihrer Überprüfung zustimmt.“ „Soweit es die Sicherung des Zwecks der Unterbringung erfordert oder Gegenstände die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung oder die Übersichtlichkeit des Wohn- und Schlafbereichs der untergebrachten Personen gefährden, können Gegenstände überprüft, der untergebrachten Person vorenthalten oder der untergebrachten Person entzogen werden.“ Die Benutzung eines eigenen Fernsehgerätes richtet sich nach dem therapeutischen Konzept. Auf allen Stationen stehen in den Gemeinschaftsräumen Fernsehgeräte für alle Patientinnen und Patienten zur Nutzung bereit. 15. Welche Räume werden in der Erledigerstation zeitweise oder durchgehend videografiert? (Bitte einzeln nach zeitweise und durchgehend sowie Räumen beantworten.) Wer kann die Monitore der Überwachungskameras einsehen? Sind die Kameras auf der Erledigerstation auch nachts eingeschaltet? Der Einsatz von Videotechnik erfolgt gemäß den Vorgaben aus § 43 HmbMVollzG. Im Bereich der sogenannten Erledigerstation der Maßregelvollzugseinrichtung warten Patientinnen und Patienten auf die gerichtliche Entscheidung, ob die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67 d Absatz 5 StGB für erledigt erklärt werden muss. Dieser Stationsbereich ist nicht durchgehend mit Personal besetzt. In dem separierten Stationsbereich befinden sich fünf Patientenzimmer, von denen eins mit eigenem Sanitärbereich (Wachbecken und WC) ausgestattet ist. Zwei weitere gemeinschaftlich genutzte Sanitärbereiche (mit Waschbecken, Dusche und WC) sind für alle Patientinnen und Patienten der Erledigerstation vom Flur aus zugänglich. Die Station verfügt über einen Aufenthalts- und Fernsehraum sowie über einen Raucherraum . Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15050 5 Eine Kameraüberwachung der Sanitärbereiche ist nicht vorgesehen und technisch nicht möglich. Die Aufenthaltsbereiche werden tagsüber in der Zeit von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr mittels Kamera überwacht. Außerhalb der nächtlichen Einschlusszeiten (21.00 Uhr bis 8.00 Uhr) können sich die Patientinnen und Patienten im Bereich der Station frei bewegen. Während des Nachteinschlusses müssen die Patientinnen und Patienten über die Klingel- und Gegensprechanlage im Patientenzimmer auf sich aufmerksam machen, wenn sie ihr Zimmer verlassen möchten. Die Patientenzimmer sind aus Gründen der Sicherheit mit jeweils einer Kamera ausgestattet . Die Kameras werden während des Nachteinschlusses stichprobenartig eingeschaltet und über Monitore im Dienstzimmer kontrolliert. Es erfolgt keine dauerhafte beziehungsweise durchgehende Überwachung der Patientenzimmer mittels Kamera. Die Frequenz der Sichtkontrollen hängt von Hinweisen auf Eigen- oder Fremdgefährdung der jeweiligen Patientin beziehungsweise des jeweiligen Patienten ab, erfolgt aber mindestens dreimal im Verlauf einer Nacht. Eine rote Lampe an den Kameras lässt die Patientinnen und Patienten erkennen, ob die Kamera in Betrieb ist. 16. Kommt es dazu, dass Menschen ihre Notdurft verrichten müssen, während die Kameras in Betrieb sind? Nein. Im Übrigen siehe Antwort zu 15. 17. Wie viele Menschen befanden sich ab Januar 2017 für jeweils wie lange auf der Erledigerstation? (Bitte nach Monaten aufschlüsseln.) Belegung und Verweildauer der sogenannten Erledigerstation werden nicht gesondert erfasst. Daten für das Jahr 2017 müssten im Einzelnen erhoben werden, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet werden kann. Die Belegung der sogenannten Erledigerstation im Jahr 2018 ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen. Monat in 2018 Patientinnen und Patienten Januar 5 Februar 4 März 2 April 1 Mai 1 Juni 2 Juli 1 August 3 September 2 Oktober 3 November 4 Dezember -/- Quelle: Asklepios Klinik Nord