BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15059 21. Wahlperiode 27.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dennis Gladiator und Richard Seelmaecker (CDU) vom 19.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Geldbußen gegen Unternehmen Unser Strafrecht kennt grundsätzlich kein Unternehmensstrafrecht; es wird stets an die Verantwortlichkeit individueller natürlicher Personen angeknüpft. Häufig fließen jedoch Gewinne aus kriminellen Taten nicht den handelnden Personen selbst, sondern den von ihnen repräsentierten Unternehmen zu, sodass Vermögensabschöpfungsmaßnahmen bei den Tätern nicht sinnvoll beziehungsweise nicht durchsetzbar sind. Gemäß § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) kann daher gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung eine Geldbuße von bis zu 10 Millionen Euro festgesetzt werden, wenn durch ein Organ, einen Vertreter oder eine sonstige mit der Leitung des Unternehmens betraute Person eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen worden ist, durch die Pflichten, die die juristische Person beziehungsweise die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte. Ziel ist es dabei, einen durch die Straftat oder Ordnungswidrigkeit bei der juristischen Person oder Personenvereinigung entstandenen wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen und auf diese Weise zu verhindern, dass sich entsprechende Verstöße wirtschaftlich lohnen. Dies hat auch einen generalpräventiven Charakter. Zudem eröffnet § 29a OWiG als Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit die Möglichkeit, den Wert von Taterträgen im Rahmen einer Vermögensabschöpfung einzuziehen. Öffentlichkeitswirksame Beispiele für die Verhängung hoher Geldbußen gegen Unternehmen, die in Wirtschaftsskandale verwickelt sind, gibt es immer wieder: „Bußgeld für Audi: 800 Millionen Euro füllen bayerische Staatskasse“ (https://www.shz.de/deutschland-welt/wirtschaft/Diesel-Affaere-Audi-zahlt- 800-Millionen-Euro-Bussgeld-id21349002.html). „Der VW-Konzern hat seine Geldbuße in Höhe von einer Milliarde Euro an das Land Niedersachsen gezahlt. Die Staatsanwaltschaft hatte die Strafe wegen „Aufsichtspflichtverletzungen“ im Abgasskandal verhängt.“ (http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/volkswagenmilliardenbussgeld -an-niedersachsen-ist-ueberwiesen-a-1213978.html). Drucksache 21/15059 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Oder ein Fall aus dem Jahr 2007: „Mit einer Geldbuße von 201 Millionen Euro muss Siemens für korrupte Geschäfte bezahlen. Der Fall zeigt: Auch Unternehmen können in Deutschland bestraft werden. Die Verfahren gegen einzelne Ex-Manager laufen weiter.“ (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ recht-steuern/siemens-akzeptiert-geldbusse-ueber-201-millionen-euro- 1485778.html). Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen wurden gemäß § 30 OWiG seit dem Jahr 2012 jährlich festgesetzt ? 2. In welcher Höhe wurden diese Geldbußen jeweils festgesetzt? Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft wird nicht erfasst, ob es sich bei einer Entscheidung über eine Geldbuße um eine solche nach § 30 OWiG handelt. Es müssten sämtliche Verfahrensakten, bei denen als Entscheidungsart „nur wg. OWi (…) – Geldbuße“ vermerkt ist, händisch ausgewertet werden. Hierbei handelt es sich allein bei den vom Amtsgericht ausgeurteilten Geldbußen jährlich um eine Anzahl im oberen drei- bis vierstelligen Bereich. Eine Beiziehung und Auswertung dieser Akten ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Welche Einnahmen wurden seit dem Jahr 2012 jährlich erzielt und in welchen Einzelplänen/Produktgruppen wurden die Erlöse jeweils verbucht ? Geldbußen, die aufgrund strafrechtlich relevanten Verhaltens gemäß § 30 OWiG verhängt werden, werden im Einzelplan 2 der Justizbehörde in der Produktgruppe 233.02 Justizkasse verbucht. Dort sind die folgenden Erlöse verzeichnet (in Euro): 2012 2013 2014 2015 2016 2017 bis 10/2018 k.A.* 900.000 - - - 250.873 18.955 * Die gesonderte Buchung erfolgt erst seit 2013. Die endgültig der Staatskasse zugeführten Summen stellen die in dem Jahr dem Haushalt zugeflossenen Geldbußen dar. Über welche Zeit sich die Ermittlungen erstreckt haben und wann eine entsprechende Entscheidung getroffen wurde, lässt sich hieraus nicht erkennen. 4. In wie vielen Fällen wurde seit Inkrafttreten der Neufassung des § 29a OWiG (1. Juli 2017) die Einziehung eines Geldbetrags gegen juristische Personen und Personenvereinigungen angeordnet? Welche Summen wurden hier insgesamt eingezogen? Bitte für 2017 und 2018 getrennt darstellen. Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft wird nicht zuverlässig erfasst, ob eine Einziehungsentscheidung auf den §§ 73 fortfolgende StGB oder § 29a OWiG basiert. Es müssten sämtliche Verfahrensakten , bei denen Einziehungsentscheidungen notiert sind, händisch ausgewertet werden . Hierbei handelt es sich für den Zeitraum seit dem 1. Juli 2017 um eine mindestens dreistellige Zahl. Eine Beiziehung und Auswertung dieser Akten ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich .