BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15071 21. Wahlperiode 27.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 20.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Überlastung der Justiz – Gerichtsvollziehermangel dringend vorbeugen Nachdem die Zwangsvollstreckung in Hamburg jahrelang kurz vor dem Kollaps stand und die Gerichtsvollzieher unter der Arbeitslast fast zusammenbrachen , verkündete der Justizsenator am 15. Mai 2018 vollmundig, dass die Wende endlich geschafft sei, die Gerichtsvollzieher in Vollbesetzung arbeiteten und alle Gerichtsvollzieherbezirke in Hamburg uneingeschränkt arbeitsfähig seien. Der Senat erklärte in der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/13057: „Die Situation der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher (GVZ) hat sich erheblich entspannt, seitdem es durch die Ausbildungsinitiative gelungen ist, alle Stellen zu besetzen. Ein neues Personalbedarfssystem ist implementiert worden und mit den GVZ und deren Personalvertretung abgestimmt worden. Die Folgen dieser seit Ende April 2018 vorliegenden Ergebnisse sind Gegenstand der laufenden Haushaltsberatungen des Senats. Mit dem ausgewogeneren individuellen Arbeitsaufkommen sowie der Möglichkeit für externe Bewerber, in die GVZ-Ausbildung einzusteigen, sind bereits wichtige Schritte zur Verbesserung der Nachwuchsgewinnung erfolgt. Weitere Möglichkeiten zur Attraktivitätssteigerung des Berufsbildes werden geprüft.“ Bereits jetzt ist allerdings klar, dass die nächsten Vakanzen nicht auf sich warten lassen und sich die Situation für Hamburgs Gerichtsvollzieher und Gläubiger gleichermaßen wieder verschärfen wird. Wie sich aus dem Fachkennzahlenbericht ergibt, befanden sich im September 2018 lediglich drei Personen in der Ausbildung zum Gerichtsvollzieher; die Ausbildung beginnt jährlich zum 1. Juli und dauert 20 Monate. Allein bis zum Jahr 2020 scheiden indes insgesamt sieben Gerichtsvollzieher/-innen aus Altersgründen aus dem Dienst aus, Drs. 21/13057. Und der Senat macht den ohnehin überlasteten Gerichtsvollziehern den Arbeitsalltag auch noch schwerer, indem er ihnen die dringend benötigten Ausnahmegenehmigungen für das Parken seit Beginn dieses Jahres verweigert . Die Regierungsfraktionen haben unseren Antrag Drs. 21/14520 nicht einmal in den Justizausschuss überweisen wollen. Zwar sieht der Haushaltsplan-Entwurf 2019/2020 erfreulicherweise mehr Beförderungsstellen für Gerichtsvollzieher vor, doch reicht dies nicht aus, um ausreichend Nachwuchskräfte zu gewinnen. Zum 1. September 2016 hat Baden-Württemberg, getragen von der Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, als erstes Bundesland die Ausbil- Drucksache 21/15071 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 dung der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher auf ein Bachelor- Studium an der Fachhochschule Schwetzingen umgestellt. Ursächlich hierfür war neben dem Umstand, dass das Ausbildungssystem den gestiegenen Anforderungen angepasst wurde, die Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes . In der Drs. 16/1399 des Landtags Baden-Württemberg vom 24. Januar 2017 berichtet das baden-württembergische Ministerium für Justiz und Europa, dass in den vergangenen beiden Jahren der Studiengang erfreulicherweise auf reges Interesse bei den Bewerbern/-innen gestoßen ist. Am 1. September 2016 haben insgesamt 33 Anwärterinnen und Anwärter den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Gerichtsvollzieherdienstes an der Hochschule für Rechtspflege Schwetzingen begonnen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Entspannung der Lage im Bereich der Gerichtsvollzieher hat sich fortgesetzt. Durch die Ausbildungsinitiative konnten in diesem Jahr alle Bezirke besetzt werden. Zusätzlich werden mit dem Haushalt 2019/2020 drei zusätzliche Stellen eingerichtet, um die Vertretungssicherheit zu verbessern. Außerdem wird durch die Hebung von 33 Stellen eine verbesserte Beförderungsgeschwindigkeit erreicht. Damit sind die Weichen für eine dauerhafte Verbesserung der Situation gestellt. Mit dem Ausbildungsjahrgang 2019 werden voraussichtlich neun Gerichtsvollzieheranwärter beginnen, von denen sechs externe Bewerber sind, die aufgrund der Öffnung der Ausbildung zugelassen werden können. Bei planmäßigem Verlauf können mit Abschluss des 2019 beginnenden Lehrgangs im Jahr 2021 alle Stellen besetzt werden. Die positive Entwicklung bei der Anzahl der Bewerbungen für den Lehrgang 2019 zeigt, dass die Maßnahmen bereits greifen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Stellen für Gerichtsvollzieher gibt es aktuell an den einzelnen Amtsgerichten und wie viele davon sind jeweils besetzt? Bitte zum Stichtag 1. November 2018 angeben. Daten zum Stichtag 01.11.2018 Planstellen Besetzte Planstellen Anzahl der besetzten Bezirke Bemerkungen AG Altona 11 11 11 AG Barmbek 14 14 14 AG Bergedorf 6 6 6 AG Blankenese 3 3 3 AG Hamburg (-Mitte) 21 21 21 AG Harburg 16 16 16 Zwei 0,5 Bezirke wur-den zusammengeführt AG Wandsbek 11 11 11 AG St. Georg 19 19 19 Zwischensumme 101 101 101 Gerichtsvollziehervertretungen aller Bezirke 3 2 - 2 Gerichtsvollzieher können zurzeit aus personalwirtschaftlichen Gründen nicht eingesetzt werden. 1 Stelle ist vakant. Gesamt 104 103 101 2. Wie viele Gerichtsvollzieherbezirke sind an jeweils welchem Amtsgericht gegebenenfalls aktuell aus welchen Gründen unbesetzt? 3. Wie viele Gerichtsvollzieherbezirke müssen seit wann aus welchen Gründen vertreten werden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15071 3 Alle Bezirke sind besetzt, eine Vertretung ist nicht erforderlich. 4. Ab voraussichtlich welchem Zeitpunkt werden die Gerichtsvollzieher wieder nicht mehr in Vollbesetzung arbeiten? Bei gleicher Anzahl der Bezirke (101), erfolgreicher Ausbildungsverläufe bis 2020 (fünf) und planmäßigen Abgängen bis 2020 (sechs) wird im Verlauf des Jahres 2020 ein Bezirk vorübergehend nicht besetzt sein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Wie viele Langzeiterkrankungen (über 75 Tage) gab es bislang im Jahr 2018? Bitte pro Amtsgericht darstellen. Die Fehlzeiten liegen validiert nur bis zum Juli 2018 vor. Langzeiterkrankte Gerichtsvollzieher (über 75 Tage) Amtsgericht 2018 Altona 0 Barmbek 0 Bergedorf 0 Blankenese * Hamburg-Mitte 0 AG Harburg 1 AG St.Georg 0 Wandsbek 1 Gesamt 2 * Das System zur Ermittlung der Fehlzeiten weist keine Werte aus, wenn die ausgewertete Gruppe fünf Personen nicht übersteigt. 6. Wie viele Überlastungsanzeigen von Gerichtsvollziehern gab es bislang im Jahr 2018? Bitte pro Amtsgericht und gesamt darstellen. Amtsgericht Überlastungsanzeigen Stand 01.11.2018 Altona 0 Barmbek 0 Bergedorf 0 Blankenese 0 Hamburg-Mitte 0 Harburg 0 St. Georg 0 Wandsbek 1 Gesamt 1 7. Wie viele Beschwerden aufgrund zu langer Verfahrensdauern der Zwangsvollstreckung von Gläubigern beziehungsweise Verfahrensbevollmächtigten gab es bislang im Jahr 2018? Bitte pro Amtsgericht und gesamt darstellen. Amtsgericht Dienstaufsichtsbeschwerden Stand: 31.10.2018 Altona 4 Barmbek 1 Bergedorf 0 Blankenese 0 Hamburg-Mitte 8 Harburg 19 St. Georg 108 Wandsbek 14 Gesamt 154 8. Wie hat sich die Arbeitsbelastung der Gerichtsvollzieher im 2. und 3. Quartal 2018 an den einzelnen Amtsgerichten und insgesamt entwickelt ? Bitte pro Amtsgericht und insgesamt darstellen. Drucksache 21/15071 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Belastungssituation nach dem neuen Bemessungssystem: II. Quartal 2018 III. Quartal 2018 Amtsgericht Ist-Besetzung Bedarf Belastung in % Ist- Besetzung Bedarf Belastung in % Altona 10,5 9,82 93,52 10 10,05 100,5 Barmbek 13 12,6 96,92 14 12,26 87,57 Bergedorf 6 6,62 110,33 6 5,93 98,83 Blankenese 3 2,84 94,67 3 2,99 99,67 Hamburg-Mitte 21 21,08 100,38 21 22,95 109,29 Harburg 17 15,98 94 16 15,68 98 St. Georg 18 18,52 102,89 19 19,83 104,37 Wandsbek 11 9,69 88,09 11 10,2 92,73 Gesamt 99,5 97,15 97,64 100 99,89 99,89 9. Wie hat sich die durchschnittliche Fehlzeitenquote an den einzelnen Amtsgerichten seit März 2018 monatlich entwickelt? Die Fehlzeiten liegen validiert nur bis zum Juli 2018 vor. Vollkraftbereinigte krankheitsbedingte Fehlzeitenquote der Gerichtsvollzieher Amtsgericht März 2018 April 2018 Mai 2018 Juni 2018 Juli 2018 Altona 9,5% 9,1% 9,1% 10,8% 9,1% Barmbek 7,1% 1,7% 0% 9,5% 8,3% Bergedorf 0% 0% 2,0% 6,7% 0% Blankenese ** ** ** ** ** Hamburg-Mitte 1,9% 0,5% 0% 2,4% 2,1% Harburg 0,8% 0% 0% 0% 0% St.Georg 7,9% 0,6% 2,8% 2,1% 0% Wandsbek 0% 1,8% 0,5% 1,4% 0% Gesamt 5,4% 2,6% 2,7% 4,7% 3,5% ** Das System zur Ermittlung der Fehlzeiten weist keine Fehlzeiten aus, wenn die ausgewertete Gruppe fünf Personen nicht übersteigt. Eine manuelle Auswertung der Fehlzeiten ist nicht möglich. Die Werte des Amtsgerichts Blankenese sind im Gesamtwert berücksichtigt. 10. Wie hat sich die Anzahl der offenen Verfahren zum Stand 31. Oktober 2018 entwickelt? Bitte pro Amtsgericht und insgesamt darstellen. Amtsgericht Offene Verfahren, Stand: 31.10.2018 Altona 2.467 Barmbek 4.067 Bergedorf 1.930 Blankenese 920 Hamburg-Mitte 5.311 Harburg 4.028 St. Georg 5.983 Wandsbek 3.725 Gesamt 28.431 11. In der Drs. 21/13057 gab der Senat an: „Derzeit befinden sich drei Gerichtsvollzieher in der Ausbildung. Ab dem 1. Juli 2018 befinden sich fünf Gerichtsvollzieher in der Ausbildung. Die Ausbildung beenden werden voraussichtlich am 30. Mai 2019 drei und am 30. April 2020 zwei Gerichtsvollzieheranwärterinnen und -anwärter.“ Weshalb waren es laut Fachkennzahlenbericht für die Justiz im September 2018 nur drei? Wann haben zwei die Ausbildung aus welchen Gründen abgebrochen? Zurzeit sind unverändert fünf Gerichtsvollzieheranwärter in der Ausbildung. Der Fachkennzahlenbericht wird entsprechend korrigiert. 12. Baden-Württemberg hat die Ausbildung der Gerichtsvollzieher aufgrund der gestiegenen Anforderungen zum 1. September 2016 auf eine Fach- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15071 5 hochschulausbildung umgestellt. Gibt es mittlerweile Überlegungen, eine entsprechende Umstellung der Ausbildung auch in Hamburg vorzunehmen ? Siehe Drs. 21/13057. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 13. In der Drs. 21/13057 gab der Senat an, weitere Möglichkeiten zur Attraktivitätssteigerung des Berufsbildes zu prüfen. a. Welche weiteren Maßnahmen sollen getroffen werden? b. In den Antworten auf meine Schriftlichen Kleinen Anfragen Drs. 21/7391 und 21/8678 gab der Senat auf meine Frage zu einer etwaigen Änderung der Vollstreckungsvergütungsverordnung nach dem Vorbild Sachsen-Anhalts zur Aufhebung der Deckelung des Höchstbetrages hin an, dass die Entwicklung in Sachsen-Anhalt von der zuständigen Behörde aufmerksam beobachtet werde und zu gegebener Zeit die dortigen Praxiserfahrungen bewertet und gegebenenfalls eine entsprechende Maßnahme ergriffen würden. In der Drs. 21/11828 teilte er auf meine Nachfrage hin mit: „Der Sachstand ist unverändert. Die Entscheidung wird voraussichtlich im Kontext mit der Festlegung auf das Bedarfsbemessungsverfahren getroffen werden.“ Das Personalbedarfsbemessungssystem wurde mittlerweile umgestellt. Von daher frage ich erneut: Wie ist der Sachstand? Wurde bereits eine Entscheidung getroffen? Falls ja, wann und welche? Falls nein, warum nicht und wann ist endlich mit einer Entscheidung zu rechnen? Mit dem Haushalt 2019/2020 werden die personelle Ausstattung und die Beförderungsgeschwindigkeit verbessert. Eine Entscheidung über weitere Verbesserungen steht zurzeit nicht an. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.