BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15074 20. Wahlperiode 27.11.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 20.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Prävention der Mutter-Kind-Transmission von HIV – Was tut Hamburg für HIV-positive Schwangere ohne Krankenversicherungsschutz? Die gesundheitliche Versorgung von schwangeren Frauen ist nicht nur für die Schwangeren selbst von enormer Bedeutung, sondern ist auch entscheidend für die Gesundheit der ungeborenen und neugeborenen Kinder. Schwangere Frauen, die über keine Krankenversicherung verfügen und auch sonst in keiner Weise Ansprüche auf Kostenübernahme durch eine andere Stelle haben, können sich in Hamburg an die Clearingstelle (Clearingstelle Gesundheitsversorgung Ausländer, www.fz-hh.de) wenden. Die Clearingstelle kann für akute Erkrankungen eine Kostenübernahme bei einem bestimmten Krankenhaus oder Behandler*in übernehmen. Hilfsorganisationen haben aus ihrer Arbeit berichtet, dass es aber eine entscheidende Lücke in diesem System der Hilfe gibt. Schwangere HIV-positive Frauen können keinen Zugang zu einer antiretroviralen Kombinationstherapie bekommen. Sie berichten, dass das ungefähr zehn – 15 Frauen im Jahr betreffen würde. Durch eine antiretrovirale Kombinationstherapie (cART) kann die Mutter- Kind-Transmissionsrate, auf unter 1 Prozent gebracht werden. Unterbleibt diese Therapie, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Schwangere, sondern auch auf ihr Kind – es kann zu vermeidbaren HIV-Neuinfektionen kommen . Die Deutsch-Österreichische Leitlinie zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen (AWMF-Register-Nummer 055-002, S2k-Leitlinie) empfiehlt, dass Schwangere, die neu diagnostiziert wurden, ab der 13. Schwangerschaftswoche (soweit vertretbar) mit einer cART behandelt werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat weist darauf hin, dass grundsätzlich alle Personen in Hamburg einen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben, wenn sie ihre Hilfebedürftigkeit gegenüber der zuständigen Behörde anzeigen. Im Rahmen dieser Absicherung ist eine Behandlung von chronischen Erkrankungen möglich. Auch Personen, die sich gemäß Aufenthaltsrecht ohne Papiere in Hamburg aufhalten, sind gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 5 AsylbLG leistungsberechtigt und haben einen Anspruch auf Gesundheitsversorgung . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/15074 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Ist es zutreffend, dass die Clearingstelle keine Kosten in Zusammenhang mit HIV und Aids übernehmen darf? Falls ja, bitte die Gründe für diesen Ausschluss erläutern, insbesondere auch in Bezug auf Schwangere und ungeborene Kinder. Bitte Regelung mit Quellenangebe und im Wortlaut beifügen. Falls nein, bitte ebenfalls Regelung und Quelle im Wortlaut beifügen. Die Clearingstelle zur medizinischen Versorgung von Ausländerinnen und Ausländern („Clearingstelle“) ohne Krankenversicherungsschutz ist ein zuwendungsfinanziertes Projekt der Stadt Hamburg. Aufgabe der Clearingstelle ist die Integration von Ausländerinnen und Ausländern ohne Krankenversicherungsschutz in die gesundheitlichen Regelsysteme. Ist eine Integration nicht zeitnah zu realisieren, können Kosten für die Behandlung von akuten Erkrankungen aus einem Notfallfonds übernommen werden. Der Umfang für eine Kostenübernahme aus dem Notfallfonds wird durch § 4 AsylbLG in analoger Anwendung begrenzt. Dementsprechend können nur Kosten für eine Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände übernommen werden. Bei chronischen Erkrankungen kann eine Kostenübernahme nur erfolgen, soweit ein akuter Behandlungsbedarf oder Schmerzzustand besteht (beispielsweise Lungenentzündung bei HIV-Infizierten). Eine Dauerbehandlung chronisch erkrankter Personen durch die Clearingstelle ist nicht vorgesehen und im Rahmen der Zielsetzung (Integration in die Regelsysteme) und der begrenzten Mittel nicht möglich. 2. Gibt es in Hamburg andere Einrichtungen oder Institutionen, die die Kosten für eine antiretrovirale Kombinationstherapie übernehmen, wenn Schwangere über keine Krankenversicherung oder sonstige Ansprüche auf Übernahme von Behandlungskosten haben? Falls ja, bitte Institutionen benennen und Zugangsmöglichkeiten, Voraussetzungen und Ausschlusskriterien erläutern. 3. Mit welchen weiteren oder anderen Maßnahmen will der Senat vermeidbare HIV-Neuinfektionen von neugeborenen Kindern verhindern, deren Mütter über keine Krankenversicherung verfügen oder sonstige Ansprüche auf Übernahme von Behandlungskosten haben? 4. Das „Übereinkommen über die Rechte der Kinder“ der Vereinten Nationen (UN-Kinderrechtskonvention) trat 1992 in Kraft. Artikel 24 (Gesundheitsfürsorge ) wird das Recht des Kindes auf das „erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“ festgeschrieben. Die Vertragsstaaten sollen geeignete Maßnahmen ergreifen, um dieses Recht zu verwirklichen und dazu gehört neben anderen Maßnahmen nach Absatz d auch eine angemessene Gesundheitsfürsorge für Mütter vor und nach der Entbindung. Mit welchen Maßnahmen verwirklicht Hamburg dieses Recht in Bezug auf eine angemessene Gesundheitsfürsorge für HIV-positive werdende Mütter ohne Krankenversicherung? Siehe Vorbemerkung. Im Übrigen hat der Senat zu solchen Einrichtungen und Institutionen keine Kenntnis. 5. In der Fast-Track-Cities-Initiative sind weltweit Metropolen zusammengeschlossen , die besondere Anstrengungen im Kampf gegen HIV und Aids unternehmen. Der Gesundheitsausschuss hat in der Sitzung am 8.11.2018 der Bürgerschaft empfohlen, einen Beitritt Hamburgs zu prüfen unter der Maßgabe, dass das vorhandene Präventionsangebot gestärkt wird. Sind dem Senat Beispiele guter Praxis zum Beispiel von Fast-Track-Cities bekannt, die schwangeren Frauen ohne Krankenversicherungsschutz Zugang zur antiretroviralen Kombinationstherapie ermöglichen? Falls ja, bitte unter Angabe der Quellen benennen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15074 3 Etwa die Hälfe der EU-Staaten stellen unter anderem auch gesundheitliche Behandlung für Menschen ohne Papiere zur Verfügung, siehe https://ecdc.europa.eu/sites/ portal/files/documents/HIV%20treatment%20and%20care.pdf. In New York (USA) wird ein staatliches Behandlungsprogramm für unversicherte Menschen mit HIV zur Verfügung gestellt, siehe https://www.health.ny.gov/diseases/aids/ general/about/hlthcare.htm#adap. Weitere Information liegen dem Senat nicht vor.