BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1511 21. Wahlperiode 15.09.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir, Deniz Celik und Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 08.09.15 und Antwort des Senats Betr.: Traumatherapie in Flüchtlingsunterkünften und Trauma-Ambulanzen In der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/1006 heißt es, dass in sechs der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen (ZEA) Traumatherapien für Erwachsene und Kinder von Honorarkräften angeboten werden. Wir fragen den Senat: Verschiedene Fragestellungen der Anfrage müssten über das Sozialmanagement der einzelnen Standorte der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) geklärt beziehungsweise ermittelt werden. Um in der aktuellen Situation die Aufnahme und Versorgung aller ankommenden Flüchtlinge gewährleisten zu können, sind alle zur Verfügung stehenden Personalressourcen in den betroffenen Aufgabenbereichen dergestalt eingebunden, dass die zur Beantwortung einzelner Fragestellungen erforderlichen händischen Auswertungen nur durch Zurückstellen von Aufgaben zur Flüchtlingsunterbringung und -versorgung vorgenommen werden könnten. Bei dieser Sachlage ist eine detailliertere Beantwortung zurzeit nicht zu leisten. Der Begriff „Traumatherapie“ bezeichnet eine systematische Kombination spezialisierter Formen der Psychotherapie zur Behandlung psychischer Traumen (zum Beispiel Gewalterleben, Vergewaltigung, schwerer Unfall, Naturkatastrophen) mit dem Ziel, unmittelbare und langfristige traumabedingte Symptome zu lindern. In Traumatherapien kommen unter anderem zur Anwendung: Kognitive Therapie, Psychoedukation, Training sozialer Kompetenz, übende Verfahren, Konfrontationstherapie, EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), Pharmakotherapie. Zur Feststellung und Behandlung etwaiger akuter Belastungsreaktionen beziehungsweise posttraumatischer Belastungsstörungen bei Flüchtlingen können alle Einrichtungen der psychiatrischen beziehungsweise kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung in Hamburg sowie alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und -therapeuten konsultiert werden. Die Möglichkeiten der Behandlung unterliegen gegebenenfalls den Beschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). In Hamburg bieten die Asklepios Klinik Nord für Patientinnen und Patienten im Erwachsenenalter sowie das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sowohl Patientinnen und Patienten im Erwachsenen- als auch im Kindes- und Jugendalter in sogenannten Trauma-Ambulanzen ambulante Angebote zur Soforthilfe für traumatisierte Opfer von Gewalttaten nach dem Opferentschädigungsgesetz – OEG (siehe hierzu http://www.hamburg.de/contentblob/3749892/data/faltblatt-traumaambulanz .pdf). Darüber hinaus betreibt das UKE seit 1999 in enger Kooperation mit der Stiftung „Children for Tomorrow“ die „Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche “. Diese Flüchtlingsambulanz richtet sich an Flüchtlinge, die bei Anmeldung höchs- Drucksache 21/1511 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 tens 18 Jahre alt sind, infolge von Krieg, Verfolgung und organisierter Gewalt ihr Heimatland verlassen mussten und nun in Deutschland leben. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Inwiefern sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen geschult, um traumatisierte Personen sofort zu erkennen, ihnen besonderen Schutz und Hilfsangebote anzubieten? Das Sozialmanagement in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung ist grundsätzlich in der Lage, im direkten Kontakt mit den Bewohnerinnen und Bewohnern psychische Auffälligkeiten zu erkennen und die Personen in die allgemeinen psychiatrischen Sprechstunden in den Standorten weiter zu vermitteln. Inwiefern es sich konkret um Auffälligkeiten aufgrund von Traumatisierung handelt, ist als medizinische Frage durch eine Fachärztin beziehungsweise einen Facharzt zu beantworten. 2. Inwiefern arbeiten alle Trauma-Ambulanzen Hamburgs (das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll ) auch mit Flüchtlingen und wie viele Trauma-Ambulanzen gibt es oder sind in Hamburg in Planung? Die Trauma-Ambulanz der Klinik für Persönlichkeits- und Traumafolgestörungen sowie das Psychiatrisch-Psychotherapeutische Ambulanzzentrum (PAZ) der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll sowie die Trauma-Ambulanz in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE arbeiten auch mit Flüchtlingen. In der psychiatrischen Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, - psychotherapie und -psychosomatik des UKE werden ebenfalls mit zunehmender Häufigkeit auch Flüchtlinge versorgt. Darüber hinaus sind in Hamburg keine weiteren Trauma-Ambulanzen außerhalb der genannten Krankenhäuser geplant. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Mit wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind die TraumaAmbulanzen ausgestattet und wie viele Therapiesuchende werden pro Mitarbeiter/-in betreut? Bitte das Vollzeitäquivalent – VZÄ – benennen. In der Trauma-Ambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE sind 2,5 Vollkräfte (VK) ärztliche und psychologische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt . Diese behandeln pro VK im Quartal circa 80 Patientinnen und Patienten, dies sind zum kleineren Teil Flüchtlinge. Im „Trauma-Bereich“ der psychiatrischen Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE sind circa 2,2 VK ärztliche und psychologische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit traumatherapeutischer Ausbildung eingesetzt. Diese behandeln pro VK im Quartal circa 75 Patientinnen und Patienten, bei denen es sich ebenfalls nur zu einem Teil um Flüchtlinge handelt und zudem nicht in allen Fällen die Traumatisierung im Vordergrund steht, sondern andere psychische Auffälligkeiten und Störungen. Die Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll hat mitgeteilt, dass Daten auf der gefragten Detailstufe nicht erhoben werden. 4. Welche Inhalte, Methoden und Therapieformen umfasst das Angebot Traumatherapie? Einzelheiten zum Angebot sind einem von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) herausgegebenen Merkblatt zu entnehmen, das im Internet unter folgendem Link veröffentlicht ist: www.hamburg.de/contentblob/3749892/data/ faltblatt-trauma-ambulanz.pdf. 5. Inwiefern sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch auf den Umgang von durch geschlechtsspezifische oder sexualitätsspezifische Gewalt (das heißt Gewalt gegen Frauen, Lesben, Schwule, Bisexuelle, transidente oder intergeschlechtliche Menschen) hervorgerufenen Traumata geschult? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1511 3 Wenn ja, wie viele Mitarbeitende pro Einrichtung sind es, die diesbezüglich geschult sind? Die im Sozialmanagement tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind während ihrer Ausbildung auch mit derartigen Problemstellungen befasst und sind entsprechend sensibilisiert. Das Sozialmanagement ist damit grundsätzlich in der Lage, Anhaltspunkte für ein mögliches Trauma zu erkennen und an einen Spezialisten zu verweisen , der letztlich die Diagnose stellen muss. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Die Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll hat mitgeteilt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der speziellen traumaspezifischen Stationen entsprechend geschult sind. Das UKE hat dargelegt, dass alle ärztlichen und psychologischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Trauma-Ambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie entweder bereits über abgeschlossene spezielle Fortbildungen (zum Beispiel Zertifikat „Spezielle Psychotraumatherapie“ der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT), Zertifikat für Genderkompetenz der Kommission der Frauenund Geschlechterforschung, Gender und Queer studies an Hamburger Hochschulen, Universitätsabschluss in Sexualwissenschaften (einschließlich Intersexualität und Transidentität), Weiterbildung zur spezifischen Beratung von Frauen nach sexuellen Gewalterfahrungen) verfügen oder sich derzeit in der Weiterbildung zum Zertifikat „Spezielle Psychotraumatherapie“ der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT) befinden. Sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der psychiatrischen Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE sind ebenfalls auf den Umgang von durch sexuelle Gewalt beziehungsweise Gewalt gegen die genannten Personengruppen hervorgerufene Psychotraumata geschult. Da die Ambulanz der Klinik auch ein überregional nachgefragtes Spezialangebot für Kinder- und Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie und Identitätsproblemen vorhält, ist der Umgang mit den Problemen dieser Patientengruppe allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geläufig. 6. Rund 50 Prozent der Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche. Wie hoch ist deren prozentualer Anteil bei der Teilnahme an Traumatherapien? Der zuständigen Behörde liegen hierzu keine Daten vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 7. Inwiefern sind spezifische Fachkenntnisse für die Traumabehandlung von Kindern vorhanden und fließen in die Therapien mit Kindern ein? Alle kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen der Hamburger Krankenhäuser verfügen gemäß dem aktuellen Stand der Wissenschaft über umfassende und spezifische Fachkenntnisse für die Trauma-Behandlung von Kindern, welche in die Therapien mit Kindern einfließen. Über diesbezügliche Fachkenntnisse bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und Psychotherapeutinnen und -therapeuten liegen dem Senat keine Angaben vor und können in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erhoben werden. 8. Welche Qualifikationen haben die Honorarkräfte, die das Angebot Traumatherapie anbieten und ist eine personelle Kontinuität gewährleistet? Diese Honorarkräfte verfügen über eine psychotherapeutische oder psychiatrische Ausbildung. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Wer verordnet die Traumatherapie und in welchem Umfang kann sie genutzt werden? Die Verordnung psychotherapeutischer Leistungen richtet sich nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sowie dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Der Umfang der Behandlung unterliegt gegebenenfalls den Beschränkungen des AsylbLG. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 10. Inwiefern gibt es Auswahlkriterien und wie werden Plätze vergeben? Drucksache 21/1511 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Krankenhäuser haben mitgeteilt, dass die Verordnung von psychotherapeutischen Leistungen nach fachlicher Indikation in Abhängigkeit vom jeweiligen Einzelfall erfolgt. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 11. Inwiefern gibt es offene Sprechstunden und in welchen Intervallen? Die Notfallambulanzen der Hamburger Krankenhäuser mit Pflichtversorgungsauftrag in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (UKE, Asklepios Klinikum Harburg, Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift) sowie in der Psychiatrie und Psychotherapie (UKE, Asklepios Klinikum Harburg, Asklepios Klinik Nord, Schön Klinik Hamburg Eilbek, Albertinen-Krankenhaus, Asklepios Westklinikum Hamburg und Bethesda Krankenhaus Bergedorf) stehen rund um die Uhr zur Verfügung. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und -therapeuten sind in der Regel an Werktagen zu den üblichen Sprechzeiten erreichbar. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 12. Welche Dolmetsch-Angebote gibt es dafür in welchen Sprachen? Krankenhäuser sowie niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und -therapeuten halten in der Regel keine professionellen DolmetscherAngebote vor. Sofern erforderlich, werden diese im Einzelfall extern beauftragt. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt die Sprachmittlung nach Möglichkeit durch entsprechend sprachkundige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser beziehungsweise Praxen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 13. Wie sind die wöchentlichen Sprechzeiten? Die Sprechzeiten variieren an den verschiedenen Standorten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 14. Wer trägt die Kosten der Behandlung? Für die Dauer des Asylverfahrens nach Hamburg zugewiesene Asylbewerberinnen und -bewerber werden von der ZEA bei der AOK Bremen/Bremerhaven als „Grundleistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“ angemeldet und erhalten eine elektronische Gesundheitskarte (eGK). Auch wenn den Grundleistungsberechtigten noch keine eGK vorliegt, sind ärztliche Leistungen ausschließlich über die AOK Bremen/Bremerhaven abzurechnen. In diesen Fällen wird durch die ZEA eine vorläufige Bescheinigung ausgestellt, damit die oder der Grundleistungsberechtigte das Betreuungsverhältnis gegenüber dem behandelnden Krankenhaus beziehungsweise Ärztin oder Arzt nachweisen kann. So ist gewährleistet, dass eine Abrechnung über die AOK Bremen/Bremerhaven erfolgen kann. In Notfällen, die eine ambulante oder stationäre Versorgung bereits vor Anmeldung bei der AOK Bremen/Bremerhaven und außerhalb der regulären Arbeitszeit erfordern, erhalten betroffene Personen in der ZEA eine Bestätigung zur Vorlage in der Notfallversorgungseinrichtung (Notfallpraxis, Krankenhaus), mittels derer die Abrechnung der Leistungen dann über die Zentrale Abrechnungsstelle der BASFI vorzunehmen ist. 15. Wie viele Menschen haben das Angebot bisher in Anspruch genommen? Bitte unterteilen in Geschlecht, wenn bekannt sexuelle Identität, und Voll- oder Minderjährigkeit. Dazu gibt es keine statistischen Erhebungen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.