BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15123 21. Wahlperiode 04.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Carola Ensslen (DIE LINKE) vom 26.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Aufwandsentschädigungen für erwerbslose Ehrenamtliche Pauschale Aufwandsentschädigungen bereiten beim Bezug von Grundsicherungsleistungen Probleme. So hat jüngst das Sozialgericht Berlin für Berliner Bezirksabgeordnete entschieden, dass die Aufwandsentschädigung bei Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II abzüglich eines Freibetrages von 200 Euro im Monat als Einkommen anzurechnen sind (SG Berlin, Urteil vom 12.09.2018, Az.: S82 AS 12274/13). Betroffen ist also besonders die ehrenamtliche Tätigkeit in der Verwaltung. Dazu gehören auch die Mitglieder der Hamburger Bezirksversammlungen, für die das Entschädigungsleistungsgesetz gilt. Für Grundsicherungsbezieher /-innen steht aktuell die Entscheidung an, ob sie zu den Bezirksversammlungswahlen im Mai 2019 antreten. Ihr politisches Engagement wird so erheblich erschwert. Das demokratische Ziel, alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen Situation gleichermaßen anzusprechen, wird verfehlt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Bereits mit der Vorlage der Engagementstrategie 2020 (Drs. 20/12430) hat der Hamburger Senat dem erheblichen freiwilligen Engagement der Hamburgerinnen und Hamburger hohe Bedeutung beigemessen. Ein niedrigschwelliger Zugang zum freiwilligen Engagement und ein gute Beratung über Netzwerke, Anlaufstellen, Freiwilligenagenturen sowie verschiedene Informationsangebote sollen dieses Engagement unterstützen und helfen, Zugangsbarrieren abzubauen. Dazu gehören auch Informationsangebote zur Anrechnung von Aufwandsentschädigungen. Neben zahlreichen Informationen zum freiwilligen Engagement finden sich auf der Engagementseite der zuständigen Behörde (https://www.hamburg.de/engagement/) unter der Rubrik „Praxishilfen“ konkrete Aussagen zur Anrechnung von Aufwandsentschädigungen (so unter anderem im Wegweiser der Bürgergesellschaft, siehe https://www.buergergesellschaft.de/praxishilfen/arbeit-im-verein/fragen-antworten/ expertenfeedback-kategorieansicht/thema/aufwandsentschaedigung/. Damit stehen diese Auskünfte allen Personen, die sich freiwillig engagieren (wollen), öffentlich zur Verfügung. Zudem berät Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) interessierte Kundinnen und Kunden auch im Einzelfall. Wie bei jedem Engagement führen unterschiedliche Motive und verschiedene günstige Rahmenbedingungen zur Aufnahme einer freiwilligen Tätigkeit, sodass diese Informationen zur Motivierung beitragen können, aber natürlich nicht alleinige Grundlagen sind. Seit dem Jahr 2017 würdigt der Senat im Rahmen der Engagementkampagne „Mit dir geht mehr!“ unter anderem deshalb Menschen, die sich freiwillig in Hamburg engagieren , siehe hierzu http://www.mitdirgehtmehr.hamburg/. Drucksache 21/15123 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Erwerbslose Menschen bilden dabei eine der sechs Zielgruppen, die durch die Kampagne besondere Aufmerksamkeit erfahren sollen. Freiwilliges Engagement erhöht immer die Kompetenzen der Aktiven, ermöglicht ihnen neue Wege der Teilhabe an Gesellschaft und Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Durch die Darstellung der vielfältigen Möglichkeiten und qualitativen Arbeit der Engagierten auf der Internetseite und über die öffentlichen Staffelstabübergaben, wird auch dieser positive Effekt freiwilligen Engagements auf die Qualifizierungs- und Teilhabechancen in der Öffentlichkeit sichtbarer gemacht. Die vielfältigen Auszeichnungen und Veranstaltungen der Anerkennung freiwilligen Engagements in Hamburg gelten meist auch für Personen, die sich politisch engagieren . Mitglieder der Bezirksversammlungen erhalten zudem Aufwandsentschädigungen nach dem Gesetz über Entschädigungsleistungen anlässlich ehrenamtlicher Tätigkeit in der Verwaltung (Entschädigungsleistungsgesetz – EntschädLG). Vereinzelt werden langjährige Mitglieder durch die Bezirksämter geehrt und mit Urkunden gewürdigt. Im Übrigen siehe Drs. 21/14604 sowie 21/13611. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften von Jobcenter wie folgt: 1. Bereits in der Engagementstrategie 2020 (Seite 27) aus dem Juli 2014 wird durch Berichte von Erwerbslosen dokumentiert, dass materielle Aspekte das ehrenamtliche Engagement erschwerten. Was haben Senat beziehungsweise zuständige Behörde seitdem unternommen, um diese materiellen Hindernisse abzubauen? Nicht jedes Engagement ist mit zusätzlichem finanziellem Aufwand verbunden. Für die Erstattung von Kosten, die mit einem Engagement verbunden sein können, sind zudem in erster Linie die Organisationen und Institutionen verantwortlich, bei denen die freiwillige Leistung erbracht wird. Darüber hinaus bemühen sich die zuständigen Behörden und Bezirksämter in Kooperation mit den Akteuren der zivilgesellschaftlichen Engagements gute Rahmenbedingungen zu schaffen, die Freiwillige von finanziellen Belastungen fernhalten, sofern diese entstehen. Hamburg unterstützt daher zahlreiche Projekte, Vereine, Organisationen und Initiativen, sodass diese den Freiwilligen in vielen Fällen anfallende Kosten erstatten oder reduzierte Beiträge für Menschen im SGB-II-Bezug anbieten können. In besonderen Einzelfällen übernimmt die Stadt auch direkte Kostenerstattungen für Fahrten oder andere Auslagen im Rahmen des freiwilligen Engagements. Im Übrigen siehe Drs. 21/14056 sowie Vorbemerkung. 2. Im Bericht werden Betroffene weiter wiedergegeben: „Häufig bestünde Unsicherheit in der Frage der Anrechnung von Aufwandsentschädigungen auf den SGB-II-Leistungsbezug.“ Was haben Senat beziehungsweise zuständige Behörde seitdem unternommen, um eine Anrechnung auf Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende zu verhindern? 3. Welche Möglichkeiten sehen Senat beziehungsweise zuständige Behörde insbesondere für Mitglieder der Bezirksversammlungen, dass Aufwandsentschädigungen nicht auf Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende als Einkommen angerechnet werden? Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) ist im Rahmen des SGB II ausschließlich für kommunale Leistungen zuständig, Fragen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen sind nicht umfasst. Die Zuständigkeit fällt in den Regelungsbereich des Bundes. 4. In den Handlungsempfehlungen (Seite 28) heißt es lediglich: „Im Zusammenwirken mit den Einrichtungen der Arbeitsverwaltung wird darauf hingewirkt werden, dass zu Fragen der Anrechnung von Aufwandsentschädigungen auf Entgeltersatzleistungen (…) eine grundsätzliche Information des betroffenen Personenkreises durch die Arbeitsverwaltung erfolgt und somit die Rechtslage transparent wird.“ Was genau ist zur Umsetzung geschehen? Inwieweit halten Senat beziehungsweise Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15123 3 zuständige Behörde das für ausreichend, um Erwerbslose zu ehrenamtlichem Engagement zu motivieren? Siehe Vorbemerkung. 5. Weiter heißt es in den Handlungsempfehlungen: „Im Zusammenwirken mit den Einrichtungen der Arbeitsverwaltung wird darauf hingewirkt, dass ein eventuelles freiwilliges Engagement im Rahmen der Stärken- und Potenzialanalyse Berücksichtigung findet, indem z.B. dadurch erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten in der sog. Profileinschätzung aufgenommen wird. (…) a. Inwieweit wurde dies umgesetzt? Wenn ja, wann und wie genau? b. Werden die Erfolge im Hinblick auf die Arbeitsvermittlung gemessen ? Wenn ja, wie? c. Welche messbaren Erfolge hat dies im Hinblick auf eine Arbeitsvermittlung ? Bitte die Ergebnisse seit Berücksichtigung des ehrenamtlichen Engagements genau darstellen. Grundsätzlich werden erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der Stärken - und Potenzialanalyse berücksichtigt, so auch solche, die im Rahmen eines ehrenamtlichen Engagements erworben werden. Im Übrigen erfolgen keine statistischen Erhebungen und Auswertungen im Sinne der Fragestellungen durch den Statistik -Service der Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter. 6. Inwieweit wurden die Handlungsempfehlungen zur Würdigung des Engagements von Erwerbslosen umgesetzt? a. Was wird getan, um das Engagement in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen? Wie wird dies seitens der BASFI finanziell unterstützt? b. Inwieweit teilen Senat beziehungsweise zuständige Behörde die Auffassung, dass ehrenamtliches Engagement Qualifizierungs- und Teilhabechancen mit sich bringt? c. Gibt es eine zielgruppenspezifische Informationskampagne, die die Qualifizierungs- und Teilhabechancen ehrenamtlichen Engagements anspricht? Wenn ja, was genau ist bislang geschehen? Wie und mit welchen Ergebnissen wurde der Erfolg gemessen? d. Was tun Senat beziehungsweise zuständige Behörde(n), um das ehrenamtliche Engagement von Mitgliedern der Bezirksversammlungen zu würdigen? 7. Welche (weiteren) Anstrengungen haben Senat und zuständige Behörde unternommen, um das ehrenamtliche Engagement insbesondere von Erwerbslosen in der Verwaltung und in den Bezirksversammlungen zu stärken? Siehe Vorbemerkung. 8. Auch die Notwendigkeit von Kinderbetreuung kann ehrenamtliches Engagement erschweren. In § 3b Entschädigungsleistungsgesetz befindet sich eine sehr eingeschränkte Regelung für Mitglieder der Bezirksversammlungen . a. Inwieweit gibt es Bestrebungen, diese Regelung auf andere Ehrenamtliche in der Verwaltung auszudehnen sowie hinsichtlich des Alters der Kinder und der Höhe des Betrages für den Kinderbetreuungsaufwand zu erweitern? b. Wenn ja, was genau soll verbessert werden? Drucksache 21/15123 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 c. Inwieweit wird auch daran gedacht, für Eltern von Kindern mit Behinderung besondere Regelungen zu schaffen, die es ihnen ermöglicht, sich ehrenamtlich zu engagieren? Was genau ist vorgesehen ? Aktuell ist keine Ausweitung dieser Regelung geplant. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 9. Wie viele Ehrenamtliche in der Hamburger Verwaltung, die Aufwandsentschädigungen erhalten, gab es jeweils in den Jahren 2014, 2015, 2016, 2017? Wie viele gibt es 2018? In der Hamburger Verwaltung engagieren sich zahlreiche Menschen in sehr unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern, vor allem in den Bezirksversammlungen und Ausschüssen , Bezirksseniorenbeiräten, Deputationen oder Gerichten. Dazu kommt die hohe Zahl der ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, die in den Wahljahren 2014, 2015 und 2017 zum Einsatz kamen. In den Jahren 2014 bis 2018 (Stichtag 31. Oktober 2018) hat sich folgende Anzahl von Personen der Hamburger Verwaltung engagiert und dafür eine Aufwandsentschädigung erhalten: Jahr 2014 2015 2016 2017 2018 Personenzahl 18.678 20.794 8.340 18.667 8.309 Quelle: Angabgen der Behörden und Bezirksämter Die Schwankungen hängen vor allem mit der Rekrutierung von ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und -helfern zusammen. In den Bezirksämtern Hamburg-Mitte und Harburg konnte in der für die Beantwortung dieser Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit die Anzahl der ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und -helfer nicht abschließend erfasst werden, sodass in den Wahljahren 2014, 2015 und 2017 jeweils noch circa 3.500 Personen hinzugezählt werden müssten . Gleichzeitig kann nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelt Personen doppelt gezählt wurden, sofern sie sich in mehreren Einrichtungen der Hamburger Verwaltungen freiwillig engagieren. 10. Wie viele Ehrenamtliche in der Hamburger Verwaltung, die Aufwandsentschädigungen auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II anrechnen mussten und müssen, gab es jeweils in den Jahren 2014, 2015, 2016, 2017 und gibt es 2018? Eine statistische Erhebung und Auswertung im Sinne der Fragestellung erfolgt nicht. Auch der Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter führen keine eigenen Erhebungen/Auswertungen im Sinne der Fragestellung durch.