BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15151 21. Wahlperiode 04.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 27.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Verwechslung bei Inhaftierung – Gibt es dieses Problem auch in Hamburg ? Nach aktuellen Informationen sind in Nordrhein-Westfalen mehrere Personen aufgrund von Verwechslungen inhaftiert worden. Nach dem Tod eines zu Unrecht Inhaftierten bei einem Brand in der Justizvollzugsanstalt Kleve sind zwei weitere Fälle von Verwechslungen durch die Strafverfolgungsbehörden bekannt geworden. Zu klären ist, ob es in Hamburg vergleichbare Fälle gegeben hat. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Kam es in der Freien und Hansestadt Hamburg. zu Verwechslungen bei inhaftierten Personen? a. Wenn ja, wie viele Fälle von Verwechslungen, bei denen Personen zu Unrecht inhaftiert wurden, gab es seit dem Jahr 2011? Bitte jeweils nach Jahren darstellen. b. Wenn ja, welche Ursachen lassen sich für die jeweiligen Verwechslungen seit 2011 anführen und bei welchen Straftaten kam es zu den Verwechslungen? c. Wenn ja, wann wurde der Senat über die Vorfälle von Verwechslungen informiert? In einem Fall im Jahr 2011 kam es bei einer Festnahme aufgrund eines Auslieferungsersuchens der Staatsanwaltschaft Hamburg in Portugal zu einer Identitätsverwechslung . Dem Ersuchen lag eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Raubes zugrunde. Die überstellte Person wurde am 10. März 2011 um 11.30 Uhr durch die Polizei Hamburg in Lissabon übernommen und am selben Tag der Untersuchungshaftanstalt Hamburg um 22 Uhr zugeführt, und wurde aufgrund gesundheitlicher Probleme im Vollzugskrankenhaus aufgenommen. Bei seinem Zugang hatte er den Pass des Gesuchten bei sich. Bereits in Vorbereitung auf das Zugangsgespräch am Folgetag kamen aufgrund der Krankengeschichte Zweifel hinsichtlich der Identität auf. Im Zugangsgespräch erklärte der Genannte auf konkrete Nachfrage, der Bruder des Gesuchten zu sein. Diese Information wurde seitens der Untersuchungshaftanstalt unverzüglich an die Staatsanwaltschaft Hamburg weitergeleitet, die ihrerseits die erkennungsdienstliche Behandlung durch die Polizei beauftragte. Nachdem feststand, dass es sich bei der zugeführten Person nicht um die im Haftbefehl genannte Person handelte, wurde diese am 12. März 2011 entlassen. Die zuständige Behörde wurde am 15. März 2011 im Rahmen des Berichtswesens zu außerordentlichen Vorkommnissen durch die Untersuchungshaftanstalt unterrichtet. d. Wenn ja, welche Maßnahmen hat die zuständige Behörde umgesetzt , um den Ursachen von Verwechslungen entgegen zu wirken? Drucksache 21/15151 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Grundsätzlich ist es bereits Aufgabe der Polizeivollzugsbediensteten, sich bei jeder Festnahme über die Identität der festgenommenen Person zu vergewissern. Bei der Aufnahme sowohl eines Untersuchungsgefangenen als auch eines Strafgefangenen im Justizvollzug ist dessen Personengleichheit mit der Person, die nach den Unterlagen aufgenommen werden soll, anhand von Ausweisen oder auf andere geeignete Weise festzustellen. Soweit Unterlagen und/oder Lichtbilder aus Vorinhaftierungen vorhanden sind, werden diese zwecks Vergleich herangezogen. Die Kommunikation mit Nichtmuttersprachlern wird dabei durch das in der Untersuchungshaftanstalt mit acht Arbeitsplätzen eingerichtete Videodolmetschsystem erleichtert.   Ergeben sich Zweifel an der Identität wird unverzüglich die Polizei verständigt und gebeten, erkennungsdienstliche Maßnahmen vorzunehmen. Ergibt sich, dass anstatt der aufzunehmenden Person eine andere sich gestellt hat oder zugeführt worden ist, so ist die Einweisungsbehörde, bei einer vorläufig festgenommenen Person oder aufgrund eines Haftbefehls oder einer Ausschreibung zur Festnahme ergriffenen Person das Gericht unverzüglich zu benachrichtigen. Ferner ist die Anstaltsleitung unverzüglich zu verständigen und die Entlassung einzuleiten. Zuletzt wurden durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 für den Hamburger Justizvollzug und zur Änderung vollzugsrechtlicher Vorschriften vom 18.05.2018 (HmbGVBl. S. 158) die Vorschriften zur Identitätsfeststellung von Gefangenen im Hamburgischen Strafvollzugsgesetz, Hamburgischen Jugendstrafvollzugsgesetz und Hamburgischen Untersuchungshaftvollzugsgesetz ergänzt. In den §§ 71 HmbStVollzG, 71 HmbJStVollzG, 51 HmbUVollzG wurde jeweils ein neuer Absatz 3 aufgenommen, der die Verpflichtung der Vollzugsbehörden hervorhebt , bei Zweifeln an der Identität eines Gefangenen einen Datenabgleich insbesondere von Fingerabdruckdaten mit anderen Sicherheitsbehörden durchzuführen. Außerdem wird ein automatisiertes Abgleichverfahren grundsätzlich für die Zukunft ermöglicht. Die Gesetzesbegründung enthält den Hinweis, dass Zweifel an der Identität nicht nur dann bestehen, wenn Anhaltspunkte für einen Personenaustausch vorliegen . Sie bestehen auch bei Anhaltspunkten dafür, dass Gefangene mehrere Identitäten oder Aliasnamen benutzen. Durch diese Gesetzesänderung wurde die Wichtigkeit einer Identitätsfeststellung bei Zweifeln an der Identität eines Gefangenen hervorgehoben und in der Begründung deutlich gemacht, dass diese Zweifel auch dann bestehen können, wenn Aliaspersonalien benutzt werden. 2. Wie lange wurden gegebenenfalls fälschlicherweise Inhaftierte jeweils seit dem Jahr 2011 festgehalten? a. Welche Kosten sind dadurch entstanden? b. Wurde den Betroffenen Entschädigung nach dem StrEG gewährt? Im Rahmen der Überstellung des Betroffenen aus Lissabon nach Hamburg entstanden Reisekosten in Höhe von 1 981,14 Euro für die Polizeivollzugsbediensteten. Weitere hierbei entstandene Kosten sind im Einzelnen nicht mehr bezifferbar. Für die Inhaftierung in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg entstandenen Kosten auf der Grundlage des damaligen Tageshaftkostensatzes in Höhe von 157,52 Euro. Der Betroffene hat keinen Antrag nach dem StrEG gestellt. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. Waren von den möglichen Verwechslungen von Inhaftierten auch ausländische Personen betroffen? Siehe Antwort zu 1. a. – c. a. Wenn ja, wie viele seit dem Jahr 2011 und welche Maßnahmen hat die zuständige Behörde angewandt, um die Identität von Ausländern sicher festzustellen? b. Wie wird die Identität von Personen bei der Verwendung von Decknamen in Hamburg festgestellt? c. Gibt es erweiterte Maßnahmen, seit dem die Problematik der Verwechslungen in NRW bekannt geworden ist? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15151 3 Die Polizei ist gemäß § 4 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei und § 163b Strafprozessordnung berechtigt, Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu treffen . Wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind, dürfen die Person und ihre mitgeführten Sachen durchsucht und erforderlichenfalls erkennungsdienstliche Maßnahmen durchgeführt werden . Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hamburger Strafvollzuges sind für die Problematik der Verwendung von Alias-Personalien aufgrund des Vorganges aus Nordrhein -Westfalen erneut sensibilisiert worden. Zudem sind Fälle, in denen ein Gefangener lediglich behauptet, eine andere Person zu sein, unverzüglich der Anstaltsleitung zu melden. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 4. Gab es Fälle, bei denen eine Person absichtlich die Freiheitsstrafe für eine andere Person angetreten hat? Nein. a. Wenn ja, wie viele Fälle gab es in Hamburg seit dem Jahr 2011? b. Wenn ja, wie wurden diese Fälle aufgedeckt? c. Wie wird in Hamburg sichergestellt, dass die richtige Person die Freiheitsstrafe antritt? Entfällt.