BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15176 21. Wahlperiode 07.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 29.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Hat der Senat seinen vollmundigen Ankündigungen Taten folgen lassen und geht jetzt konsequent gegen das Baustellenchaos in Hamburg vor? Mobilität ist für Hamburg als Herz einer Metropolregion mit über 5 Millionen Einwohnern und Hafenstandort von Weltrang ein entscheidender Standortfaktor . Die Straßen in unserer Stadt sind die Lebensadern für öffentliches Miteinander und wirtschaftliches Wohlergehen. Eine intakte Straßeninfrastruktur ist eine Grundvoraussetzung für moderne Mobilität und eine wirksame Maßnahme gegen die „Staustadt Hamburg“. Straßenbaustellen kommen daher zwar vielerorts „Operationen am offenen Herzen“ gleich, sind aber zugleich ein notwendiges Übel, um zukünftige Verkehrsinfarkte zu vermeiden . Neben den zuständigen Stellen in den Bezirken oder dem Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) sind es oft auch Versorgungsunternehmen , die Baustellen auf Straßen und öffentlichen Plätzen einrichten müssen, um Infrastruktur zu pflegen, sanieren, erneuern oder auszubauen. Zwar zeigen die Hamburgerinnen und Hamburger sowie die Hamburger Wirtschaft grundsätzlich großes Verständnis für die Notwendigkeit der in Hamburg eingerichteten Baustellen, allerdings schwindet dieser Grundkonsens seit geraumer Zeit erheblich. Anfang August hat beispielsweise der Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH) im „Hamburger Abendblatt“ eindringlich auf jene Probleme für den Hafen- und Logistikstandort Hamburg hingewiesen, die sich durch die ungenügend koordinierten Baustellen und den sich dadurch massiv verschlechternden Verkehrsfluss ergeben .1 Diese Verschlechterung lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Laut der im Januar vom ADAC veröffentlichten „Staubilanz 2017“ hat sich alleine die Situation auf Hamburgs Autobahnen im vergangenen Jahr erneut dramatisch verschlechtert. So ist die Gesamtstaulänge von 27.807 Kilometern im Jahr 2016 um rund 14 Prozent auf 31.630 Kilometer angewachsen. Gegenüber 2015 (24.243 Kilometer) ist es sogar ein Anstieg um 30 Prozent. Analog dazu stieg auch die Gesamtstaudauer von 9.382 Staustunden (2015) über 10.672 Staustunden (2016) auf 11.768 Staustunden im vergangenen Jahr (+25 Prozent gegenüber 2015). Hamburg ist damit „Deutscher Staumeister“. Weil eine Drosselung der Bautätigkeit keine gangbare Option darstellt, hat die CDU Ende August mit Drs. 21/14170 einen „Aktionsplan zur Linderung der Last durch Straßenbaustellen in Hamburg“ vorgelegt und den Senat darin aufgefordert, zu prüfen, durch welche personellen und administrativen Änderungen sowie zu welchen eventuellen Mehrkosten die in dem Aktionsplan gebündelten Maßnahmen in Hamburg umgesetzt werden können. Im „Ham- 1 https://www.abendblatt.de/hamburg/article215027951/Der-Hamburger-Hafen-ist-in-keinerguten -Position.html, letzter Zugriff: 28.09.2018. Drucksache 21/15176 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 burger Abendblatt“ vom 27. August 2018 wurde die Pressesprecherin der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) diesbezüglich unter anderem mit den Worten zitiert, dass man sich „nicht erklären (kann), wie die Antragsteller darauf kommen, dass die einzeln formulierten Punkte nicht längst Alltag sind“. Nachprüfbare Zahlen zu der These, dass die von der CDU mit Drs. 21/14170 vorgeschlagenen Maßnahmen allesamt längst „Alltag“ seien , wurden allerdings bis heute weder von der Pressestelle der BWVI noch von irgendeiner anderen städtischen Stelle oder Vertretern der beiden Regierungsfraktionen vorgelegt. Dies lässt auch die Ablehnung von Drs. 21/14170 durch die Abgeordneten von SPD und GRÜNEN in der Bürgerschaftssitzung vom 26. September 2018 in einem besonders schlechten Licht erscheinen. Vor Kurzem hat der Senat angekündigt, die CDU-Forderungen umzusetzen und jetzt auch im Mehrschichtbetrieb an wichtigen Baustellen in Hamburg arbeiten zu lassen. Auch sollte bei der Vergabe von Bauaufträgen jetzt häufiger eine Bonus-Malus-Regelung zur Anwendung kommen. Es gilt, dies jetzt und in Zukunft engmaschig zu kontrollieren. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Vorhaben des Senats, zukünftig an den wichtigen Baustellen in Hamburg verstärkt im Mehrschichtbetrieb arbeiten zu lassen, erfordert eine Neuausrichtung des Bauwesens in der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH). Die ausführenden Baufirmen können derzeit dem Wunsch nach Abwicklung von Straßenbaumaßnahmen im Mehrschichtbetrieb kaum folgen. Nach Aussage des Hauptgeschäftsführers der Bau- Innung Hamburg leiden die Bauunternehmen unter sehr hohem Mangel an Facharbeitskräften , welche für die professionale Abwicklung komplexer Straßenbaumaßnahmen unverzichtbar sind. Mit dem derzeitig verfügbaren Personal kann ein Mehrschichtbetrieb nicht durchgeführt werden. Bereits in der Drs. 21/14976 hat die zuständige Behörde dargelegt, dass bei einer vorangegangen Ausschreibung unter der Ausführungsvorgabe eines Drei-Schicht-Systems keine Angebote eingereicht wurden und die Ausschreibung erfolglos aufgehoben werden musste. Grundsätzlich erfordern die sehr eng getakteten Bauzeiten das Arbeiten an sechs Werktagen unter Ausnutzung der Tageshelligkeit. Des Weiteren stellt die Ver- und Entsorgung der Baustellen „außerhalb der regelhaften Geschäftszeiten“ ein Problem in der Baustellenlogistik für die ausführenden Unternehmen dar. Als Beispiele können hierfür Asphaltmisch- oder Betonwerke sowie Schüttgutlieferanten genannt werden, die nicht regelhaft „rund um die Uhr“ zur Verfügung stehen. Ein weiterer zu beachtender Aspekt, insbesondere im innerstädtischen Bereich (in urbanen Gebieten, in Kern- und Mischgebieten, in allgemeinen Wohn- und Kleinsiedlungsgebieten und in reinen Wohngebieten), ist der Schutz vor Lärm für die Anwohnerinnen und Anwohner. Hierfür sind unter anderem das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), das Hamburgische Lärmschutzgesetz (HmbLärmSchG) sowie die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BIm- SchG (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) zu nennen. In den gesetzlichen Vorgaben sind die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden verankert, welche für die oben genannten Gebietsarten zwischen 35- 45 db (A) in der Nacht liegen. Auf Straßenbaustellen kommen regelhaft Maschinen und Geräte zum Einsatz, die über längere Zeiträume Geräuschpegel zwischen 80 – 110 db (A) erzeugen. Aus diesem Grund ist zum Beispiel an den A7-Baustellen Langenfelder Brücke, Tunnel Stellingen und Tunnel Schnelsen lediglich ein regelhafter Zwei-Schichtbetrieb von 6.00 bis 21.00 Uhr möglich. Ein Drei-Schichtbetrieb wurde bereits im Planfeststellungsverfahren und abschließend im Planfeststellungsbeschluss aus oben genannten Gründen (Schutz vor Lärm unter Berufung auf die gültige Gesetzgebung) untersagt. Das Arbeiten in der Nacht ist nur für kurze Zeiträume auf entsprechenden Antrag bei der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) möglich. Diese Arbeiten in der Nacht stellen eine absolute Ausnahme dar, wenn aus technischen Gründen die Arbeiten nicht unterbrochen werden dürfen (zum Beispiel Betoniervorgänge auf Brücken) oder wenn es keine anderen Zeitfenster für die Arbeiten gibt (zum Beispiel Arbeiten an Gleisanlagen oder Bahnübergängen aufgrund der Sperrzeiten der Deutschen Bahn). Zu Bonus-Malus-Zahlungen siehe Drs. 21/14500. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15176 3 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Authority AöR (HPA), HAMBURG WASSER, Stromnetz Hamburg GmbH, Gasnetz Hamburg GmbH, Dataport AöR und der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH wie folgt: 1. Wie viele Arbeitsstellen gibt es aktuell im Hamburger Straßennetz? Derzeit werden 93 Baumaßnahmen beziehungsweise Arbeitsstellen durch die Stabstelle Verkehrsflussverbesserung des LSBG gezählt (Stand: 05.12.2018). Zur Zählweise siehe Drs. 21/14500. 2. Bei wie vielen der seit dem 1. Oktober 2018 abgeschlossenen Verträge für Straßenbaumaßnahmen in Hamburg wurde eine Bonus-Malus- Regelung vertraglich vereinbart? Bei vier Verträgen wurde eine Bonus-Malus-Regelung vereinbart. 3. Wie viele der aktuell im Hamburger Straßennetz eingerichteten Arbeitsstellen werden im Zwei- und/oder Mehrschichtbetrieb ausgeführt? Insgesamt drei Maßnahmen können im Zwei- und/oder Mehrschichtbetrieb ausgeführt werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Bei wie vielen der seit dem 1. Oktober 2018 abgeschlossenen Verträge für Straßenbaumaßnahmen im Hamburger Straßennetz wurde das Arbeiten im Zwei- und/oder Mehrschichtbetrieb vereinbart? Bei einem Vertrag konnte das Arbeiten im Zwei- und/oder Mehrschichtbetrieb vereinbart werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.